Bowie in Berlin

David Bowie und Berlin, das ist eine besondere Beziehung. Wer Mitte der 1970er-Jahre in West-Berlin lebte, der konnte dem Popstar in Charlottenburg und Kreuzberg begegnen oder ihn in der Nähe seiner Schöneberger Wohnung um den Kleistpark herum treffen. Das war zwischen 1976 und 1978. Nachdem Bowie bereits Anfang des vergangenen Jahres mit seinem neuen Song Where Are We Now nostalgisch auf seine Zeit in Berlin zurückblickte, ist er dort nun umfassend zu bewundern – zwar nicht leibhaftig, aber doch in multiplen Varianten in einer Ausstellung im Martin-Gropius-Bau, die schlicht seinen Namen trägt.
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Damit wird ein Popstar, Bowie, auf die Ebene klassischer, bildender Künstler gehoben, neben den Caravaggio-, Rembrandt-, Richter- oder Warhol-Ausstellungen gibt es eben nun auch die Bowie-Ausstellung. Im letzten Jahr war sie bereits im Londoner Victoria & Albert Museum zu sehen. In Berlin ist sie um einen kleinen Raum erweitert worden, der die Berliner Jahre thematisiert.

Nur von einer Ausstellung zu sprechen, wird dem Multimedia-Spektakel, das im Martin-Gropius-Bau inszeniert ist, nicht gerecht. Neben den typischen Exponaten einer Ausstellung über einen Popstar, wie Fotos, Briefen, Plattencovern, versucht die Bowie-Ausstellung mit Kostümen, Videoclips, Konzertausschnitten und einem Audioguide ein ganzheitliches Erlebnis zu schaffen, das alle Sinne der Besucher anspricht. Tendenzen der aktuellen Medien- und Fernsehwelt, die unter den Stichworten Hybridität und Konvergenz diskutiert werden, lassen sich hier bereits betrachten. Das Werk Bowies wimmelt nur so von konvergenter Performativität. Bei den Inszenierungen seiner Konzerte hat er sich immer wieder vom Theater inspirieren lassen. Für zahlreiche seiner Bühnenoutfits stand die Filmgeschichte Pate. Vor allem vom deutschen Expressionismus der UFA-Jahre ließ er sich beeinflussen. In seinen Songs verarbeitet Bowie die verschiedensten musikalischen Stile. Die gesamte Inszenierung seiner Person und seiner Persönlichkeit vermischt Aspekte verschiedener Genres und Medien – auf diese Weise entstand eine hybride Person, ein hybrider Popstar: Bowie.

In der Ausstellung wird auch noch einmal deutlich, welchen zentralen Stellenwert das Fernsehen in den 1970er-Jahren hatte. Der Auftritt von David Bowie als androgyner Ziggy Stardust in der legendären Sendung Top of the Pops der BBC am 6. Juli 1972, in der er den Song Starman zum Besten gab, wurde von vielen Jugendlichen gesehen. Popsendungen im Fernsehen waren noch das Lagerfeuer, um das sich die Jugend scharte – und Popstars konnten noch die Werte, die Rollenmuster, ja, das ganze Leben verändern. Davon sind heutige Popstars ebenso weit entfernt wie das Fernsehen. Spätestens mit der Kunstfigur Ziggy Stardust revolutionierte Bowie die Popmusik noch in einer anderen Hinsicht. Bis dahin war Authentizität ein wichtiges Moment, das sowohl den Rock ’n’ Roll, den Soul, den Westcoast-Sound der Hippie-Jahre, die psychedelische Musik, den Bluesrock als auch Gruppen wie die Rolling Stones oder Led Zeppelin auszeichnete. Doch nun war Theatralik, Künstlichkeit, Inszenierung angesagt – und auch damit konnte man wie Bowie berühmt werden. Sowohl bei den Auftritten Bowies als auch bei den Videoclips wurde die mediale Inszenierung selbst ausgestellt. Diese Medialität im Werk Bowies spiegelt sich in der Gestaltung der Ausstellung. Die multimediale Inszenierung bringt den geneigten Besucher an die Grenze der Wahrnehmungsfähigkeit – hier kann man sich wahrlich in der Medialität verlieren. Nach zwei bis drei Stunden wird man dann (leider) wieder in die raue Wirklichkeit Berlins entlassen – aber die wusste Bowie auch zu schätzen.

Übrigens: Die Ausstellung David Bowie ist noch bis zum 24. August 2014 im Martin-Gropius-Bau in Berlin zu sehen.

Über Lothar Mikos

Dr. Lothar Mikos ist Professor für Fernsehwissenschaft an der Filmuniversität Babelsberg KONRAD WOLF und geschäftsführender Direktor des Erich Pommer Instituts für Medienrecht, Medienwirtschaft und Medienforschung gGmbH. Arbeitsschwerpunkte: Fernsehprogrammanalyse, globaler Formathandel, Film- und Fernsehanalyse.