Frauen im Film der Nazizeit

Einsatz unter keinen Umständen mehr erwünscht“. Wem die nationalsozialistische Filmpolitik dieses „Prädikat“ zugewiesen hatte, der musste im „Reich“ gar nicht erst mit dem Suchen nach Rollenangeboten beginnen. Diese Stigmatisierung kam einem Arbeitsverbot gleich ‒ kontrollierte das „Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda“ unter der Schirmherrschaft von Josef Goebbels immerhin die gesamte deutsche Filmindustrie. Die Gründe waren vielfältig: die vermeintlich „falsche“ Herkunft, Religion oder sexuelle Neigung waren nur einige ‒ ebenso körperliche oder geistige Beeinträchtigungen. Auch die fehlende Begeisterung für die nationalsozialistische Sache hatte rasch ein Berufsverbot zur Folge. Damit begrenzte sich die Auswahl an Künstlerinnen stetig.

Neben denen, die von den Nazis aussortiert wurden, wie etwa Renate Müller, verließen unzählige aufstrebende Darstellerinnen kurz vor Kriegsbeginn „freiwillig“ das Land ‒ nicht selten, um in Richtung Hollywood zu emigrieren, wo das Starsystem der großen Filmstudios bereits seit den 1910er-Jahren eingeführt war. Somit waren Wunschkandidatinnen wie Marlene Dietrich oder Greta Garbo, die sich offen gegen den Nationalsozialismus aussprachen, für die Filmverantwortlichen der NSDAP schlichtweg nicht verfügbar.

Mitte der 1930er-Jahre beschloss Goebbelsʾ Propagandaministerium deshalb die Einführung eines eigenen Starsystems. Während Stars in Hollywood systematisch aufgebaut und vermarktet wurden, um Kinobesucher an sie zu binden und somit den Studios hohe Einnahmen an den Boxoffices zu garantieren, hatten die Verantwortlichen des einzig relevanten Filmunternehmens in Deutschland, die „UfA“, anderes im Sinn. Für sie stand primär die Rolle der Schauspielerinnen als Aushängeschilder ihres Propagandaapparates im Vordergrund. Zwar entsprachen Schauspielerinnen wie Zarah Leander, Marika Rökk oder Olga Tschechowa äußerlich kaum dem „arischen“ Ideal und sahen sich selbst zumeist als unpolitisch, doch unterstützten sie die nationalsozialistische Propagandamaschinerie immerhin etwa durch Sammelaktionen in der Wochenschau oder als Tischdamen hochdekorierter Nazifunktionäre bei großen Veranstaltungen.

Aus heutiger Sicht lassen sich lediglich zehn Prozent der etwa 1.100 während der Nazizeit produzierten Filme als eindeutig propagandistisch klassifizieren. Ungefähr 90 Prozent sollten als Unterhaltungsfilme ‒ wie Melodramen, Liebesgeschichten, Schlager-, Tanz- oder Revuefilme ‒ vom tristen, immer auswegloser werdenden Kriegsalltag ablenken; subtile Propaganda enthielten sie freilich dennoch. Vordergründig entsprach das Frauenbild der meisten Unterhaltungsfilme kaum der propagierten Rolle der Frau im Dritten Reich. „ihre Welt ist ihr Mann, ihre Familie, ihre Kinder, ihr Haus“, betonte Adolf Hitler bereits 1934 (vgl. Vaupel). In den „UfA“-Filmen hingegen verkörperten Schauspielerinnen oft starke, moderne Frauen ‒ zuweilen alleinerziehend, wirtschaftlich unabhängig, nicht selten in bis dato ausgemachten Männerdomänen. Sie schminkten sich, trugen Hosenanzüge und rauchten Zigaretten ‒ oder alles gleichzeitig. Dieser scheinbare Widerspruch ‒ immerhin kontrollierte Goebbelsʾ Propagandaministerium akribisch jeden Film ‒ löst sich erst beim näheren Hinsehen auf. So ist die Autonomie der Frauenrolle im Film nicht selten durch das Schicksal erzwungen und somit unfreiwillig. Sobald der entsprechende männliche Gegenpart erscheint, sind auch die Filmfiguren sofort bereit, ihre Berufstätigkeit aufzugeben, um ihrem Mann zur Seite zu stehen und in der Mutterrolle aufzugehen. Die Autonomie beschränkt sich dann ‒ entsprechend der NS-Ideologie ‒ auf die Erziehung der Kinder und die Haushaltsführung.

Filme sollten mit derartig verdeckter Propaganda Frauen dazu animieren, sich freiwillig als „gläubige Anhängerinnen“ dem nationalsozialistischen Gedankengut anzuschließen. Starke, moderne Frauenbilder im Film waren somit effizientere Identifikationsfiguren als „völkische Mustermaiden mit Zopf“ (vgl. Vaupel, Kleinhans). So avancierten Schauspielerinnen ebenso wie deren verkörperte Rollen zu ‒ oftmals unfreiwilligen ‒ Helferinnen der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft.

Literatur

  • Hardinghaus, C. (2007): Filme im Dritten Reich ‒ ein kurzer Überblick. GRIN.
  • Jacob, R. (2012): Frauen in der NS-Zeit. Die „unpolitischen“ UfA-Stars. In: LITERATUR & KUNST & FILM & MUSIK, Zeit des Nationalsozialismus.
  • Kleinhans, B. (o.J.): Rezension zu Angela Vaupel: Frauen im NS-Film.
  • Vaupel, A. (2005): Frauen im NS-Film. Unter besonderer Berücksichtigung des Spielfilms. Hamburg: Verlag Dr. Kovač, 220 Seiten.
  • NSWelch, D. (2001): Propaganda and the German cinema 1933–1945. London: Tauris (Cinema and Society Series).

Über Cornelia Klein

Dr. Cornelia Klein studierte Diplom-Pädagogik mit dem Schwerpunkt Medienpädagogik und promovierte über die mediale Vorbildkompetenz. Sie arbeitet als Lektorin und Redakteurin bei einem pädagogischen Fachverlag.