„Wie ich versuche zu lernen, die Generation Y zu verstehen“
Was sind denn das für Kinder! Ohne Ehrgeiz. Unpolitisch. Geradezu arbeitsscheu. Was soll denn aus denen einmal werden? Ich bin Mutter von einer, die dazugehört. Sie wird 19 und ich habe viele Jahre Gelegenheit gehabt, mir anzusehen, was da in meiner Wohnung und bei meinen Freunden heranwächst. Und so manches Mal habe ich mich dabei in einem Anflug von Selbstmitleid gefragt, ob wir Eltern jetzt die Kinder bekommen, die wir verdient haben. Bis ich die andere Seite dieser IT-Kids und ihrer etwas älteren Vorturner, der Generation Y, entdeckt habe. Ich habe gelernt, dass diese Jugend irgendwie cooler und
gelassener ist, als wir es in dem Alter waren. Auch wenn diese jungen Leute gerade dabei sind, mein System fest gefügter Werte mit ein paar Klicks in der Unendlichkeit des World Wide Web verschwinden zu lassen.
Selbstkritisch fragte ich mich: Können wir wirklich darüber jammern, dass die Sprösslinge keine Bücher mehr lesen, wenn sie schon als Kleinkinder vor dem iPad entsorgt werden? Können wir uns beschweren, wenn sich der Ehrgeiz des Nachwuchses, sich kulturell zu bilden, auf Soaps und Einkaufskanäle beschränkt? Wer hat diese Sendungen denn erfunden? Die fallen ja nicht vom Himmel. Und irgendwie haben wir ja mitgewirkt an solchen Fernsehprogrammen, deren Vielfalt ich beileibe nicht verdammen will – über deren Sinnhaftigkeit man in einer ruhigen Minute aber schon einmal nachdenken darf. Jedenfalls dann, wenn man einfach einmal tunnelblickartig die Förderung unseres hoffnungsvollen Nachwuchses durchs Fernsehschauen betrachtet. Fernsehen macht Spaß, ist aber längst nur eines von vielen Unterhaltungstools und wird angemessen ernst genommen – oder auch nicht.Wir bekommen eine Gesellschaft, für die Globalisierung Alltag ist und die Audiokassetten für einen Tonträger hält, der zu Zeiten der Flintstones erfunden wurde. Dieser IT-Nachwuchs ist mit dem Handy unter der Schulbank aufgewachsen und kann nicht verstehen, warum sich auch nur ein Mensch auf dieser Welt darüber aufregt, wenn ein Bundesfinanzminister während einer Bundestagssitzung nebenher auf seinem iPad Sudoku spielt. Das brachte 2011 Wolfgang Schäuble noch in die Schlagzeilen. Für die Ypsilons ist es längst alltägliche Selbstverständlichkeit, in jeder Minute bereit zu sein, seine Aufmerksamkeit mit den Angeboten der modernen Kommunikationstechnologie zu teilen. Autofahren und chatten? Aber hallo! Das Baby wickeln und eine SMS schreiben? Wo ist das Problem! Sudoku beim Sex? Geil. Die Realität ist nicht mehr eindimensional.
Weiterlesen?! Dieser Artikel von Ursula Kosser ist in der tv diskurs 70 erschienen und steht Ihnen auf unserer Website als Download zur Verfügung.