Weihnachten naht ‒ Zeit von Plätzchenduft, Kerzenschein und lachenden Kinderaugen. Aber auch Zeit lieb gewonnener Fernsehgewohnheiten. Spätestens dann, wenn das letzte Geschenk ausgepackt ist, trifft sich die Familie wahlweise entweder in der Christmette oder vor dem Fernseher. Und es gleicht einem Naturgesetz, dass ‒ während der Pfarrer das Lukas-Evangelium verliest ‒ alte Bekannte das Fernsehprogramm bevölkern.
Denn genauso sicher, wie die Privaten wenigstens einen Schwarzenegger-Film senden (vornehmlich Conan der Barbar), findet bei den öffentlich-rechtlichen Sendern Aschenbrödel mithilfe dreier Haselnüsse ihren Traumprinzen ‒ zum 40. Jubiläum in diesem Jahr sogar ganze 19 Mal, drei Dokumentationen über den Film nicht mitgezählt, auf zwölf verschiedenen Kanälen. Und wir dürfen wieder für 82 Minuten davon träumen, dass auch an unserer Tür mal ein Prinz klopft (wobei man sich über besagten Prinz geschmacklich sicherlich streiten kann).
Die Handlung ist klar: Armes Mädchen trifft Prinzen, der sich in sie verliebt ‒ was die Stieffamilie des Mädchens suboptimal findet, ist letztendlich aber irrelevant, weil der Prinz die Prinzessin trotzdem bekommt. So weit, so gut. Aber haben Sie sich schon mal gefragt, wer eigentlich die Frau ist, die wohl jedes Mädchen seit der (west-)deutschen Erstausstrahlung 1975 zumindest ein bisschen beneidet?
Nun, wenn Sie nicht gerade in der (damaligen) Tschechoslowakei sozialisiert wurden, wird Ihnen der Name Libuše Šafránková vermutlich nichts sagen. In ihrem Heimatland aber ist die Schauspielerin seit ihrer Paraderolle ein echter Star.
Zwar wurde sie am 7. Juni 1953 nicht im Märchenwald geboren, doch legt die Fülle der tschechischen Märchenverfilmungen in dieser Zeit nahe, dass jene Fabelwelt unserer Kindheit nicht weit vom mährischen Brünn entfernt sein kann. Ähnlich märchenhaft begann ihre Karriere: Nach dem Abschluss am örtlichen Konservatorium ließ die erste Filmrolle nicht lange auf sich warten: In der Adaption des gleichnamigen Romans von Božena Nĕmcová spielte sie in Babička (dt: Die Großmutter, 1971) die Enkelin der Protagonistin. Im folgenden Jahr trat Šafránková dem Prager Schauspielclub Cinohemi Club bei und spielte vornehmlich Theater. Dort traf sie dann auch endlich ihren „echten“ Märchenprinzen, Josef Abrhám (mit dem sie einen gleichnamigen Sohn hat).
Und dann kam Aschenbrödel: Der Film, eine tschechoslowakische Co-Produktion mit der ostdeutschen DEFA (das Märchenschloss steht übrigens in Moritzburg bei Dresden), wurde zum Kassenerfolg diesseits und jenseits des Eisernen Vorhangs. Den Soundtrack zum Original steuerte teilweise Tschechiens Allzweckwaffe Karel Gott bei.
Der Erfolg ließ Libuše Šafránková jedenfalls zur häufigen Besucherin der tschechischen Märchenwelt werden. Doch auch Jugendfilme gehören zu ihrem Repertoire. Trotzdem übernimmt sie immer wieder ernstere Rollen, z. B. Attentat auf Sarajewo, was den Hütern des Sozialismus nicht allzu gut gefallen haben dürfte. 1982 traf sie in Der dritte Prinz wieder auf ihren Aschenbrödel-Co-Star Pavel Travnicek. Nach einem längeren Engagement am Nationaltheater Prag erhielt ihr Film Kolya 1996 sogar einen Oscar; sie selbst immerhin den Goldenen Löwen.
Noch heute, mit 61, ist Libuše Šafránková eine seltene, aber gefragte Charakterdarstellerin. Sie hat es geschafft, sich ihre Popularität auch nach dem Fall des Ostblocks zu bewahren (auch, wenn sie Reporter nicht besonders mag und sich klatschtechnisch weitestgehend raushält). Uns wird sie ohnehin immer als das Nüsse knackende Mädchen in Erinnerung bleiben, dass uns alljährlich an Weihnachten verzaubert.