Dänische und deutsche Filme zeigen die schwierige Mission ihrer Truppen.
Seit 2002 sollen deutsche und dänische Truppen für Sicherheit und Stabilität in Afghanistan sorgen. Was die Reflexion dieses Auslandseinsatzes im Medium Film angeht, ist uns das kleine Dänemark mit seiner großen cineastischen Tradition wie so oft voraus: Während hierzulande psychologisch unausgegorene Fernsehspiele das Bild vom Hindukusch prägen, zieht einen das dänische Kino mit authentischem Milieu und dichten Erzählungen in seinen Bann.
Im Oktober 2001 starteten die USA ihre Militäroperation Enduring Freedom. Im Rahmen dieser Operation schickte Deutschland im Januar 2002 Streitkräfte der Bundeswehr nach Afghanistan. Zeitgleich entsandte auch das dänische Parlament Einheiten seiner Armee. Bis heute sind beide Nationen vor Ort militärisch präsent, Deutschland Ende 2015 mit rund 900 Soldaten. Was die Kameraden bei ihren Einsätzen erleben, wie sich die Situation in den Lagern darstellt, welchen Konflikten sie sich gegenübersehen, blieb der Bevölkerung in der Heimat lange verborgen. Viele glaubten – oder wollten glauben –, dass sich der Einsatz tatsächlich auf den Aufbau von Schulen und Infrastruktur beschränkt. In Dänemark änderte sich das im Mai 2010. Damals erschien Armadillo.
Doku in Spielfilmoptik
Armadillo ist der Name eines vorgeschobenen Basislagers in der afghanischen Provinz Helmand. 170 dänische und britische Soldaten sind hier zum Zeitpunkt der Dreharbeiten stationiert, keine 800 m weiter haben bereits die Taliban das Sagen. 2009 erhielt der dänische Dokumentarfilmer Janus Metz Pedersen die Erlaubnis, eine Gruppe von Soldaten über mehrere Monate auf ihrem Einsatz zu begleiten, angefangen bei der Abschiedsparty in Dänemark bis zum Ende ihrer sechsmonatigen Dienstzeit. Entstanden ist ein zwiespältiger Film. Metz bleibt sehr dicht an seinen Protagonisten, häufig sind die Bilder von Kameramann Lars Skree mit der Helmkamera aufgenommen.
Ob das so teilweise schick gefilmt sein muss, mit Filtern und dem Einsatz von Musik oft stark stilisiert, darf dabei durchaus hinterfragt werden. Selten jedoch wurde die Absurdität eines Krieges so deutlich vor Augen geführt wie in Armadillo: Die Dänen sind gekommen, um der Bevölkerung gegen die Taliban zu helfen, doch scheitert dies zumeist schon daran, dass sie die Einheimischen äußerlich gar nicht von den Taliban unterscheiden können. Auf ihren Patrouillen laufen sie quer über die Felder der Bauern, da das sicherer ist, als auf der Straße zu gehen, wo Sprengfallen angebracht sein könnten. Dass sie damit die Saat beschädigen, nehmen sie in Kauf – mit ein wenig Geld wird der Schaden wieder beglichen. Für die Bauern dagegen ist dies eine demütigende Prozedur: Sie müssen als Bittsteller ins Camp kommen, um jene, die den Schaden angerichtet haben, um Entschädigung zu bitten. Bei ein wenig Getreide mag das halb so schlimm erscheinen, doch wenn ein Mann seine Mutter und kleine Tochter während einer Bombardierung verloren hat, ist das Zahlen von Geld letztlich nur beschämend. – Und der Blick ins Gesicht des Verbindungsoffiziers zeigt, dass der sich dessen bewusst ist.
Kontroverse und Untersuchung
Armadillo löste bei seinem Erscheinen in Dänemark heftige Reaktionen aus. Die politische Opposition verlangte nach einer Untersuchung, welche das Militär intern auch einleitete. Dabei ging es nicht um die oben beschriebenen, schmerzlich unethischen Momente des Films, sondern um ein Gefecht, bei dem eine Gruppe dänischer Soldaten von Taliban unter Beschuss genommen wird. Die Reaktion ist Chaos, orientierungslos und unkoordiniert schießen die Soldaten in der Gegend herum, die Kamera mittendrin. Zeitweise hat man das Gefühl, die Dänen würden sich gegenseitig ins Kreuzfeuer nehmen, ehe sie ihre vier Gegner doch noch erwischen. Am Ende ist jeder der Taliban von mehreren Dutzend Schüssen getroffen, in einer Mischung aus Angst und Adrenalinüberschuss aus nächster Nähe hingerichtet. Mit dieser Szene wurde der dänischen Öffentlichkeit vor Augen geführt, dass das Engagement ihrer Armee nur wenig mit humanitärem Einsatz zu tun hat. Es sind diese Szene und die Gespräche der Soldaten untereinander im Anschluss, in denen sie stolz und plastisch von ihrem Einsatz berichten, die verständlich machen, warum sich die Männer als eine Art Familie, eine in sich geschlossene Gesellschaft betrachten: Kein Außenstehender könnte ihre Gefühle und die Wege, damit umzugehen – inklusive geschmackloser Witze –, verstehen oder nachvollziehen. Nach Abschluss der Untersuchung wurden die Soldaten vom Vorwurf, gegen Militärkonventionen verstoßen zu haben, freigesprochen. Das Bild, das das dänische Volk vom Auslandseinsatz in Afghanistan hat, ist seitdem jedoch ein anderes.
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Der ganze Beitrag von Jens Dehn ist in der aktuellen tv diskurs erschienen und hier als PDF abzurufbar.