Teil II
Zeitreise durch sechs Jahrzehnte
Die (keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebende) Reise beginnt im Jahr 1585. In Elizabeth – das goldene Königreich (2007) verteidigt Cate Blanchett in der Titelrolle die Krone gegen ihre Cousine Mary Stuart – und nebenbei gegen Spanien und die komplette spanische Armada.
Marie Antoinette (2006) mit Kirsten Dunst in der Titelrolle (genau, die aus Spiderman) erzählt das turbulente Leben der (sexuell und auch sonst) frustrierten österreichischen Erzherzogin und späteren französischen Königin, deren vergleichsweise kurzes Leben in der Mitte des 18. Jahrhunderts sehr unschön auf dem Schafott der „Französischen Revolution“ endete.
Emily Blunt folgte 2009 als Victoria, die junge Königin dem Trend der opulent kostümierten Historiendramen mit weiblichen Protagonistinnen. Und verkörperte eine britische Königin in den 1830er-Jahren, die ebenfalls vor allem mit den Widrigkeiten im eigenen Land zu kämpfen hat (und natürlich mit der Liebe).
Jane Austens Roman Stolz und Vorurteil – ebenfalls in der frühen Mitte des 19. Jahrhunderts angesiedelt – diente 2005 als Vorlage für einen der erfolgreichsten Frauenfilme dieser Epoche. Und als Karrieresprungbrett für Keira Knightley, die fortan zumeist in Piratentracht mit Johnny Depp und Orlando Bloom über die Meere schipperte (aber 2012 mit Anna Karenina – ebenfalls 19. Jahrhundert – in das Genre zurückkehrte). Dabei kämpften die Frauen in Stolz und Vorurteil einen ähnlichen Kampf wie Hollywoods Schauspielerinnen im Laufe des vorangegangenen Jahrhunderts: gegen Jahrhunderte alte Konventionen und für das Recht auf Gleichberechtigung. Für viele Männer handelte es sich dabei jedoch eher um die Art von Roman, durch die man sich schon mühsam und eher unfreiwillig im Englischunterricht gekämpft hatte.
Besonders viele Historienfilme mit weiblicher Besetzung befassen sich mit Künstlerinnen im frühen 20. Jahrhundert. Als mexikanische Malerin Frida Kahlo etwa (2002) kämpft Salma Hayek gegen die Folgen eines schweren Verkehrsunfalls, der sie jedoch zur Malerei führt (und so zu ihrem späteren Traummann, der sich allerdings als nicht ganz so traumhaft entpuppt).
Auch Nicole Kidman stellte eine Künstlerin im frühen 20. Jahrhundert dar. Dabei tauschte sie viel beachtet ihr glatt gebügeltes Gesicht in der Pulitzerpreis prämierten Verfilmung von The Hours 2002 gegen das von Virginia Wolff, einer depressiven, aber beruflich ziemlich erfolgreichen Schriftstellerin mittleren Alters.
Mit Coco Chanel (2009) wird auch der Modeaspekt um die vorletzte Jahrhundertwende abgedeckt. Audrey Tatou mimt die Modeikone in ihren Jugendjahren – noch vor jenem Duftwasser, dessen etwas penetranten Geruch wohl die meisten von uns heute mit Großmutters Badezimmer-Schränkchen verbinden.
„Film-Deutschland“ am Beginn des 21. Jahrhunderts
In Deutschland vernachlässigte man das Genre „Kostümfilm mit weiblicher Protagonistin“, trotz der sehr erfolgreichen Sissi-Trilogie der 1950er-Jahre, fortan zugunsten vergleichsweise minimalistisch ausgestatteter Epen der Zeitgeschichte. Julia Jentsch als Sophie Scholl (2005) etwa verkörpert die zur Todesstrafe verurteilte mutige Widerstandskämpferin in ihren letzten Tagen. Der Baader Meinhof Komplex (2008) skizziert in selten gekannter Brutalität die Machenschaften der RAF um die einstige Journalistin Ulrike Meinhof in den späten 1970er-Jahren, erschreckend authentisch gespielt von Martina Gedeck.
Nur wenige Jahre nach dem Deutschen Herbst wurde Margarethe Thatcher Großbritanniens erste Premierministerin. Meryl Streep trat als Die Eiserne Lady 2011 mutig als halluzinierende, in der Vergangenheit lebende Greisin auf, die sich mit ihrem längst verstorbenen Ehemann zum Tee trifft.
Der Siegeszug der „Normalo-Frauen“
Die Filmfrauen der Gegenwart fielen vor allem durch eines auf: Sie durften herrlich normal sein – mal abgesehen von der rachedürstenden Uma Thurman in den Kill Bill-Filmen (2003/2004). Verkörperten die Lara Crofts, Wonder- und Catwomen der 1980er- und 90er-Jahre auf der Leinwand – anatomisch höchst umstritten zwar – noch einen scheinbaren physisch-intellektuellen Perfektionismus, so stellten die Filmfrauen seit dem Millennium nicht selten das objektiv zunächst eher unauffällige „Girl next door“ dar.
Bridget Jones (2001/2004) etwa, eine leicht übergewichtige, kettenrauchende Mittdreißigerin, die beruflich kaum erfolgreicher ist als im Privatleben. Hugh Grant, den ewig grinsenden Sonnyboy, spielt sie trotzdem an die Wand. Oder Julia Roberts alias Erin Brockovich (2000). Drei Kinder (vermutlich von mindestens vier verschiedenen Männern), notorisch pleite, mit ständig wechselnden Jobs. Eine Frau wie unzählige andere – aber mit einer Mission, die ihr Anerkennung bringt und sie aus dem Vorstadtgetto spült.
The Women (2008) – mit nahezu allen erfolgreichen Schauspielerinnen jenseits der 45 außer Julia Roberts – wirkt wie ein Klassentreffen ehemaliger Hollywood-Sweethearts, die sich mit aller Kraft (jedoch nicht immer erfolgreich) gegen das Älterwerden wehren. Und offenbaren damit, dass auch sie irgendwie mit den gleichen Schwierigkeiten zu kämpfen haben, wie Millionen Frauen rund um den Erdball.
Wo wollen wir hin?
Gerade dieser scheinbare Imperfektionismus ermöglicht die Identifikation. Denn ein bisschen von Bridget, Erin und wie sie noch alle heißen, liegt wohl in uns allen. Ehrlich – wer von uns hat noch nie Schokolade gefrühstückt oder an Fasching das unpassendste Kostüm gewählt?
Letztendlich wirken die Filmproduktionen des beginnenden 21. Jahrhunderts – gerade auch die mit weiblichen Protagonistinnen – wie ein vorläufiges Resümee. Wo stehen wir gerade? Wo wollen – wo können – wir hin? Beantworten kann diese Frage wohl noch niemand. Fest steht nur: Weibliche Filmschaffende und deren Figuren sind längst aus dem Schatten ihrer männlichen Kollegen herausgetreten. Sie sind selbstbewusst geworden, mutig und vielleicht auch ein bisschen verrückt. Jetzt liegt es an ihnen und ihrem Publikum, dieser Geschichte ein Happy End zu verschaffen. Ich bin gespannt.
Das neue Millennium als vorläufiges Resümee ist der vorerst letzte Part unserer Zeitreise durch 90 Jahre Frauen im Film. Cornelia Klein bleibt uns natürlich dennoch als Autorin erhalten und widmet sich in Ihrem nächsten Artikel der Wiederentdeckung der Langsamkeit, oder: Was machen die Schlümpfe in New York City?
„Kein wirklich guter Roman kommt ohne Frauen aus.“ Weshalb findet sich der Satz im aufgeklappten Text nicht wieder?
Vielleicht weil eine sexistischere Äußerung kaum mehr möglich ist? Diese ständige Reduktion auf eine bipolare Geschlechterwelt samt entsprechender Konstruktionen empfinde ich als im höchsten Maße unerträglich.
Eine andauernde beleidigende Beschimpfung für alles das anders ist, sein will und dennoch lebt. Doch offenbar ein Leben für das gerade hier anscheinend kein Platz ist.
Noch dazu politisch und realistisch formuliert. Sowie eine Situation welche ich gerade als Mensch mit Behinderung in all ihrer wiederholten Brutalität nur als überaus aggressiv und bedrohlich bewerten kann. Körperfaschismus par excellence –
Lieber Herr Mayer,
zunächst einmal freue ich mich über jede Rückmeldung. Es tut mir leid, dass Sie an diesen Kommentar Anstoß nehmen – auch, wenn ich das nicht nachvollziehen kann. Schade, dass die Ironie wohl nicht deutlich genug zum Tragen kam – zumal allenfalls Männer im Allgemeinen angesprochen wären (und das in sehr ironischer Weise). Wenn Sie der Aussage sachlich etwas entgegensetzen möchten: Fällt ihn ein
entsprechender Roman ein? Das würde mich sehr interessieren. Als ehemalige Redakteurin einer sonder-/förderpädagpgischen Zeitschrift kann ich Ihnen allerdings versichern, dass Inklusion und Gleichberechtigung aller Menschen ein großes Anliegen für mich sind. Herzliche Grüße!