Plötzlich unsichtbar

Tinder möchte die LGBTQ-Community schützen

In mehr als 70 Ländern besteht für Menschen, die sich der LGBTQ-Gemeinschaft (engl. Abk. für lesbisch, schwul, bisexuell, transgender und queer) zugehörig fühlen, eine erhöhte Gefahr, aufgrund ihrer Sexualität verletzt, bestraft oder gar getötet zu werden. Auch im Jahr 2019 ist das die bittere Realität. Die Dating-App Tinder hat nun ein Warnsystem eingeführt, welches LGBTQ- Nutzende der App schützen soll, sobald diese in ein gefährlich eingestuftes Land einreisen. Die Einstufung erfolgt mit Hilfe von ilga world (International Lesbian, Gay, Bisexual, Trans and Intersex Association).

Tinder –  ein Erfolgsmodell

Seit 2012 vernetzt Tinder Menschen anhand ihrer Standortangaben, Fotos und Vorlieben, welche die Userinnen und User in der App angeben. Ein „Wisch“ nach rechts heißt, mir gefällt das angezeigte Profil. Bewerten die Community-Mitgliederinnen und -mitglieder sich gegenseitig positiv, entsteht ein Match. In über 190 Ländern wird mittlerweile fleißig getindert. Für das Unternehmen Match Group aus Dallas ist die App Tinder ihr bisher größter Erfolg. Dabei zeigt sich das Unternehmen immer wieder offen gegenüber der LGBTQ-Gemeinschaft. So ist auf ihrem Blog gotinder zu lesen:

„Wir sind der Meinung, dass jeder das Recht hat, so zu leben, wie er leben will, und den zu lieben, den er lieben will. Stell dir vor, Händchenhalten in der Öffentlichkeit, in deine Lieblingsbar zu gehen, einen Job zu kriegen oder eine Wohnung zu mieten, würden dir wegen deiner sexuellen Orientierung verwehrt. Man vergisst schnell, dass die Dinge, die wir für selbstverständlich halten, keine Sicherheiten sind bzw. dass sie nicht unbedingt von Dauer sind.“

Bunt, offen und tolerant

Mit den offenen Worten und Aktionen für die Rechte von Homo-, Bi-, Trans- und Intersexuellen wird Tinder als liberal wahrgenommen. Auch das neue Warnsystem soll diesen Ansprüchen genügen. Sobald die App über GPS registriert, dass sich LGBTQ-Nutzende in einem für sie gefährlich eingestuften Land befinden, erscheint folgender Warnhinweis:

„Deinem Standort nach zu urteilen, befindest du dich an einem Ort, an dem die LGBTQ-Gemeinde bestraft werden kann. Wir wollen, dass du Spaß hast, aber deine Sicherheit hat für uns höchste Priorität.“

Anschließend folgt der Rat, besonders vorsichtig zu sein, auch wird auf eine Internetseite verwiesen, die weitere Informationen zur Gesetzeslage in dem jeweiligen Land enthält. Das Tinder-Profil wird automatisch unsichtbar für andere. Nun gibt es zwei Optionen: Die Mitgliederinnen und Mitglieder können ihr Profil unsichtbar lassen oder es wieder freischalten. Allerdings mit einem Haken. Denn Tinder behält sich vor, trotz der Freischaltung, Angaben zu Identität, Geschlecht und sexueller Orientierung zu verstecken.

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Ist Verstecken noch zeitgemäß?

Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass die Gefahr für Menschen, die nicht der Heteronormativität entsprechen, in einigen Ländern sehr groß ist. Die Frage ist allerdings, ob das Verstecken dieser Menschen ohne deren Zustimmung – und sei es nur in der App Tinder – der richtige Weg ist, um sich für die Community einzusetzen. Stichwort Sicherheit versus Freiheit. Elie Seidman, CEO von Tinder, gab folgendes Statement im Rahmen einer Kampagne für die Rechte der LGBTQ-Community:

„Diskriminierung in jeglicher Form verletzt die grundlegenden Werte von Tinder. Wir glauben an Gleichberechtigung, und indem wir unsere Millionen Nutzer dazu aufrufen, ihre Unterstützung zu zeigen und aktiv zu werden, hoffen wir, zu einer echten Veränderung für die LGBTQ+ Community beizutragen.“

Ist es diskriminierend, wenn ohne deine Zustimmung Teile deines Profils nicht mehr angezeigt werden? Vielleicht wäre es zeitgemäßer, die Nutzerinnen und Nutzer selbst entscheiden zu lassen, ob ihre sexuelle Orientierung in der App angezeigt wird – oder eben nicht.

 

Quellen und Weiterlesen, u.a.:

Über Eva Lütticke

Eva studiert Medienwissenschaften an der Filmuniversität Babelsberg KONRAD WOLF. Nebenbei arbeitet sie als freie Redakteurin und unterstützt das FSF-Team als Werkstudentin.