Altersfreigaben in den USA: Blutleere Gewalt ab 13

Der Film Taken (dt: 96 Hours) ist nur eines von vielen kuriosen Beispielen für das  PG-13-Rating in den USA. Liam Neeson, der mit Taken eine späte Action-Karriere begann, ist darin auf der Suche nach seiner entführten Film-Tochter, bewaffnet mit „a particular set of skills“ und einem der inzwischen am meisten verballhornten Filmzitate: „I will look for you, I will find you and I will kill you.“ Das hier angedeutete Gewaltniveau brachte dem Film in Deutschland eine Freigabe ab 16 und in Großbritannien ab 15 Jahren ein. Diese Diskrepanz zur amerikanischen Einstufung hat verschiedene Gründe.

Altersfreigaben werden in den USA von der Motion Picture Association of America, kurz MPAA, verantwortet. In Großbritannien heißt das entsprechende Gremium BBFC (British Board of Film Classification) und hierzulande ist bekanntermaßen die FSK (Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft) für die Kinofilm- und DVD-Freigaben zuständig. Die BBFC begründete ihre Freigabe für Taken unter anderem mit der folgenden Aufzählung von Gewaltmomenten (übersetzt): eine Entführungsszene, das kaltblütige Erschießen einer Frau, ein Mann wird in Nahaufnahme gewürgt, verprügelt daraufhin einen Mann mit einem Feuerlöscher, eine Figur bekommt wiederholt eine kaputte Flasche in die Brust gestoßen, ein Mann wird mehrfach unter Strom gesetzt.

Die Begründung der FSK für Taken fehlt leider. In der Entscheidung für den zweiten Teil, der ebenfalls eine Freigabe ab 16 erhielt, heißt es jedoch: „Der Film [enthält] eine Vielzahl von Actionszenen […], bei denen auch eine Vielzahl von Menschen zu Tode kommen. Jedoch wird die Gewalt nie zynisch überhöht oder kommentiert; die Action bewegt sich in einem Rahmen, der für Jugendliche ab 16 Jahren keine nachhaltige Überforderung darstellt.“ Die FSK kontextualisiert also den Gebrauch von Gewalt und löst die Bewertung nicht von ihrem Ziel , festzustellen, ob ein Film für eine bestimmte Altersgruppe gut zu verarbeiten ist.

Auch die BBFC operiert mit mehr Kriterien als nur der schlichten Menge von Gewalt, Vulgärausdrücken und nackter Haut. Sie droht auch schon mal mit einem höheren ‚Rating‘, wenn ein Film atmosphärisch nicht für eine jüngere Altersgruppe zu verkraften ist. So geschehen etwa bei The Maze Runner und The Woman in Black,  in denen unter anderem Veränderungen am Ton verlangt wurden. Um das Freigabealter zu senken, entfielen bei The Maze Runner zu laut knackende Kampfsequenzen und bei The Woman in Black Schreckmomente. Ob man mit den Entscheidungen der Gremien jeweils einverstanden ist oder nicht, sei dahingestellt. Doch man gewinnt den Eindruck, dass hier Transparenz und keine Willkür herrscht.

Im Gegensatz dazu finden sich auf den Webseiten der MPAA keinerlei ausführliche Erörterungen, sondern nur jeweils ein Satz mit verallgemeinernden Standardphrasen pro Film. Verkürzt liest sich das für die Taken-Reihe zum Beispiel wie folgt:
Taken 3: „intense sequences of violence and action”, “brief strong language”;
Taken 2: „intense sequences of violence and action, and some sensuality“;
Taken 1: „intense sequences of violence, disturbing thematic material, sexual content, some drug references and language.“
Wie bei diesen unterschiedlichen Einschätzungen immer die gleiche Altersfreigabe herauskommen kann, ist  fraglich. Doch die eine Konstante – „intense sequences of violence” – spricht Bände.

Cinemablend hat die Kriterien für eine Freigabe ab 13 einmal folgendermaßen zusammengefasst (übersetzt): ein bißchen Nacktheit, eine begrenzte Menge Blut, ein “fuck” und so viel Gewalt, wie man möchte. Ein Blick in die Richtlinien der MPAA zeigt, dass das nicht nur eine polemische Zuspitzung ist: „brief nudity […]“, „depictions of violence […] not realistic and extreme […]“ und „a motion picture’s single use of one of the harsher sexually-derived words, though only as an expletive […]“. Letzteres ist die blumige Umschreibung für das Wort  „fuck“ und wird noch spezifiziert mit der Angabe, dass die Verwendung von mehr als einem  eine höhere Altersfreigabe  nach sich zieht. Dasselbe passiert, wenn man damit tatsächlich Sex meint und nicht einfach flucht. Das Ergebnis dieser Kriterien ist, dass etwa The King’s Speech von der MPAA eine Freigabe ab 17 erhielt, während The Expedables 3 mit über 200 gezählten Toten eine Freigabe ab 13 Jahren absahnte.

cara poster, filmratings © filmratings.com
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Die Häufigkeit und Intensität von Gewaltdarstellungen ist in US-amerikanischen PG-13-Filmen in der Tat stark gestiegen. Eine Studie aus dem Jahr 2013 fand heraus, dass Filme ab 13 inzwischen wesentlich gewalttätiger sind als Filme mit einer R-Freigabe (ab 17, darunter mit Erwachsenenbegleitung). Die R-Freigabe und die verschärfte NC-17-Freigabe (definitiv nur ab 17) wären eigentlich die Kategorien, die für ein  Erwachsenenpublikum gedacht sein sollten. Doch diese Ratings haben ein Imageproblem.  Laut dem britischen Filmkritiker Mark Kermode , hängt vor allem dem NC-17 der Ruf des Anrüchigen und Unziemlichen an, was dazu führen würde, dass das US-Publikum infantilisiert wird. Zudem würden  diese Kategorien von Studios möglichst gemieden.

Das PG-13-Rating wurde ursprünglich einmal eingeführt, um eine echte Zwischenkategorie zwischen Kinder- und Erwachsenenfilmen zu bilden. Leider ist daraus eine Nichts-Halbes-und-Nichts-Ganzes-Nische geworden, in die alles gestopft wird, was gerade noch so als kinder- und jungendtauglich durchgehen kann, aber eigentlich für Erwachsene gedacht ist. Und da man ja weiß: nicht fluchen und kein Sex, bleibt das Sich-Austoben bei der Gewalt. Hauptsache, es fließt kaum Blut. Die PG-13-Kategorie wird von den Studios hauptsächlich dafür benutzt, ihre Zielgruppe zu erweitern und mehr Geld zu verdienen Mit Jugendschutz hat das im Grunde nur noch wenig zu tun.

Tatsächlich sah man  in diesem Jahr, dass es auch anders geht. Denn das Beispiel Deadpool zeigte, dass auch ein Film mit R-Rating einen Haufen Geld einbringen kann. Daraufhin hat sich zumindest im Comicgenre, ein kleiner Trend zum R abgezeichnet. Ob das ausreichen wird, damit man in den USA „erwachsen wird“, wie Mark Kermode  resümierte, wird sich zeigen.

cara poster, filmratings USA © filmratings.com
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Über Katja Dallmann

Katja Dallmann hat ein Übersetzer-Diplom und einen Bachelor in Publizistik- und Kommunikationswissenschaft abgeschlossen. Sie ist freie Übersetzerin und Autorin, hat als Onlineredakteurin gearbeitet und verschiedentlich in Print und Online publiziert. Katja ist leidenschaftlicher Serienfan und bloggt sonst unter Serielle Schnittstelle.