LOL!? – Eine qualitative Untersuchung zu subjektiven Bewertungen von Online-Konflikten unter Jugendlichen

Der medius ist ein Preis, der wissenschaftliche und praxisorientierte Abschlussarbeiten aus dem deutschsprachigen Raum würdigt, die sich mit innovativen Aspekten der Medien, der Pädagogik oder des Jugendmedienschutzes auseinandersetzen. Der Preis konzentriert sich auf den Transfer zwischen Wissenschaft und Praxis, fördert interdisziplinäre und internationale Perspektiven. Er wird jährlich von der Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur (GMK), dem Deutsche Kinderhilfswerk e.V. (DKHW), der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (mabb) und der Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen e.V. (FSF) im Rahmen einer Medienfachtagung verliehen.

Melanie Pfeifer ist eine der medius-Preisträgerinnen 2015und wurde für ihre Arbeit zum Thema LOL!? – Eine qualitative Untersuchung zu subjektiven Bewertungen von Online-Konflikten unter Jugendlichen ausgezeichnet. Heute stellt Sie ihre Arbeit im Blog vor – eine ausführlichere Besprechung folgt in einer der kommenden tv diskurs-Ausgaben.

Können Sie in wenigen Sätzen erläutern, was die Fragestellung Ihrer Arbeit ist und was genau Sie untersucht haben?

Wenn es um Risiken im Internet geht – sei es in öffentlichen Debatten oder wissenschaftlichen Untersuchungen – ist der Begriff „Cyber-Mobbing“ allgegenwärtig. Nicht selten ist dabei von einem Alltags- oder Massenphänomen unter Jugendlichen die Rede. Vorhandene Studienergebnisse zur Thematik liefern uns zum Teil zwar wichtige Hinweise bezüglich der Häufigkeit dieses Phänomens, jedoch können sie uns keine Auskunft darüber geben, was die Jugendlichen denn darunter verstehen, wenn jemand „fertig gemacht wird“ und wie sie Auseinandersetzungen im virtuellen Kontext erleben. Wie werden Konflikte in der virtuellen Welt von Jugendlichen bewertet und wahrgenommen? Wo können mögliche Grenzen zwischen Spaß und Ernst ausgemacht werden? Wie werden Online-Konflikte innerhalb der eigenen Peergruppe bearbeitet und welche Strategien wenden Jugendliche dabei an? In meiner Arbeit wollte ich Antworten auf diese Fragestellungen finden. Ein besonderer Schwerpunkt lag dabei auf dem Erleben von Online-Konflikten. Den Zugang zu diesen Sichtweisen und impliziten Gruppenregeln habe ich mittels fünf Gruppendiskussionen mit Jugendlichen im Alter von 12 bis 18 Jahren erhalten.

Zu welchen Ergebnissen sind Sie gekommen?

Im Rahmen der Auswertung zeigte sich, dass die Jugendlichen ein Spektrum an Aushandlungsformen in der virtuellen Welt wahrnehmen. Mobbingdynamiken, die die Diskursgruppen als „richtig fertig machen“ bezeichneten, wurden als Extremfall einer Eskalation gedeutet. Online-Konflikte („Streit(ereien)“), wurden hingegen relativiert und scheinen in der virtuellen Handlungspraktik der Jugendlichen verankert zu sein. Vor diesem Hintergrund thematisierten die Gruppen sowohl Grenzen als auch Ressourcen des Online-Konflikthandelns, wobei dem Beobachterkontext eine bedeutende Rolle zugesprochen wurde. Des Weiteren haben die Jugendlichen in unterschiedlichem Maße bereits sowohl Interventions- als auch Präventionsstrategien im Umgang mit Online-Konflikten entwickelt. Im Rahmen der Analyse konnten außerdem fünf Faktoren einer Grenzüberschreitung zwischen spaßhaften und ernsthaften Auseinandersetzungen identifiziert werden.

Meine Abschlussarbeit zeigt, dass der von den Jugendlichen wahrgenommene Facettenreichtum an Auseinandersetzungen in der virtuellen Welt sich nicht mit der Auffassung deckt, wie sie derzeit in vielen medialen und pädagogischen Diskursen vorzufinden ist. Online-Konflikten wurde eine hohe Relevanz zugesprochen. und Sie scheinen daher im virtuellen Raum eine Normalität in der Peergruppe darzustellen. Das Konflikthandeln der Jugendlichen in ‚ihrem’ erweiterten medialen Erfahrungsraum darf daher nicht lediglich auf diese problematische Ebene beschränkt werden – zumal aus entwicklungspsychologischer Perspektive eine konstruktive Konfliktbearbeitung insbesondere in der Adoleszenz mit wesentlichen Entwicklungschancen verbunden ist, wie bspw. dem Erlernen von Kooperations- und Kompromissbereitschaft. Zur Entwicklung sinnvoller Maßnahmen bezüglich Mobbing und „Stress“ in der virtuellen Welt ist es notwendig, die Perspektive der Jugendlichen als Grundlage für die pädagogische Arbeit zu nutzen, um nicht an deren Lebenswelt vorbei zu handeln. Präventionsmaßnahmen sollten daher weniger auf eine Unterbindung von Auseinandersetzungen ausgerichtet sein, sondern Heranwachsende in der Entwicklung angemessener Konfliktstrategien unterstützen. Ziel sollte es sein, Jugendliche zu souverän handelnden Akteuren in Online- wie in Offline-Kontexten zu befähigen, anstatt mit den üblichen Verbots- und Vermeidungsaufforderungen zu reagieren.

Anmerkung: Die Masterarbeit ist in das Praxisforschungsprojekt Wenn das Netz zum Alptraum wird… des WI-JHW eingebettet. In Anlehnung an die daraus gewonnenen empirischen Erkenntnisse wurde die didaktische Handreichung Wie umgehen mit Konflikten im Netz? – Methodenideen für die pädagogische Praxis entwickelt.

Weitere Veröffentlichungen der medius-Preisträger 2015

Thomas Rakebrand, mit seiner Masterarbeit Gehört das dann der Welt oder YouTube? Junge Erwachsene und ihr Verständnis vom Urheberrecht im Web 2.0 ist ebenfalls diesjähriger mediusPreisträger. In der aktuellen tv diskurs 3/2015 ist eine Besprechung seiner Publikation, die aus seiner prämierten Masterarbeit hervorgegangen ist, erschienen.
Im September stellen dann wir im Blog die medius-Preisträgerarbeit von Nadine Grau (De-)Konstruktion von Gender in den Medien – Zur Konstruktion von Geschlecht bei 11- bis 12-jährigen Kindern anhand der medialen Repräsentation von Gender in der Fernsehserie „Berlin – Tag und Nacht“ vor.

Zum medius 2016

Ausgezeichnet werden Abschlussarbeiten aus dem deutschsprachigen Raum, die sich mit innovativen Aspekten aus dem Medienbereich, der Pädagogik oder dem Jugendmedienschutz auseinandersetzen. Im Vordergrund stehen die Kriterien Interdisziplinarität (Impulse, die Medientheorie und Praxis mit anderen Disziplinen der Sozialpädagogik oder Schulpädagogik verbinden), Theorie-Praxis-Verbindung (die sinnvolle Verbindung und kritische Reflexion von Medientheorie und -praxis, eine Beschäftigung mit der Lebenswelt von Kindern und deren Chancengleichheit sowie ihrer Partizipation an gesellschaftlichen Prozessen ist hierbei im besonderen Maße erwünscht) und Internationalisierung (Arbeiten, die unter Berücksichtigung der internationalen Forschungslage die aktuelle Medienentwicklung reflektieren).

Es können Arbeiten von Fachhochschulen und Hochschulen eingereicht werden, die 2014 oder 2015 abgeschlossen worden sind (i.d.R. BA, Master, Magister, Diplom, Staatsexamen). Vorschlagsberechtigt sind die betreuenden Dozentinnen und Dozenten. Die Absolventinnen und Absolventen können ihre Arbeit auch selbst einreichen, wenn sie den Nachweis erbringen, dass diese mit „sehr gut“ bewertet worden ist. Beigefügt sein müssen eine ein- bis zweiseitige Zusammenfassung der Arbeit, die Abschlussarbeit als PDF auf CD, eine Begründung, warum die Arbeit für den medius vorgeschlagen wird und, sofern vorhanden, das Gutachten der Dozentin bzw. des Dozenten. Einsendeschluss ist jeweils der 30. November.

Über Melanie Pfeifer

Melanie Pfeifer M.A., studierte an der Pädagogischen Hochschule Freiburg und Hochschule Offenburg den interdisziplinären Studiengang Medien in der Bildung. Derzeit arbeitet sie als Medienpädagogin am Wissenschaftlichen Institut des Jugendhilfswerk Freiburg e.V. (WI-JHW) im Bereich der aktiven Medienarbeit und führt außerdem Fortbildungen und Fachvorträge zu medienpädagogischen Themen durch.