Alle Filme sind geguckt, alle Bären sind verliehen. Am Sonntag sind die 65. Internationalen Filmfestspiele Berlin zu Ende gegangen – und den Goldenen Bären hat der iranische Film Taxi von Jafar Panahi erhalten.
Es war ein Sieger, den vorab viele prognostiziert hatten – darunter ich –, der aber im Verlauf der Berlinale trotz der guten Kritiken ein wenig an Aufmerksamkeit verloren hat – auch bei mir. Denn insgesamt war es ein sehr ausgewogener Wettbewerb mit sehr wenigen Ausrutschern nach unten, der ebenso wie die Preisvergabe noch einmal Berlins Anspruch unterstreicht, nicht nur Wohlfühl-Arthouse, sondern auch politisch und sozial engagierte Filme zu zeigen.
Diese Breite spiegelte dann auch die Vergabe der Bären wider, bei denen von den 19 Wettbewerbsfilmen neun Filme eine Auszeichnung erhielten. Auffällig finde ich dabei vor allem zwei Entscheidungen: Beide Schauspieler-Bären gingen an den Film 45 Years von Andrew Haigh. Er erzählt die Geschichte des Ehepaares Kate (Charlotte Rampling) und Geoff (Tom Courtenay), das kurz vor seinem 45. Hochzeitstag steht. Dann erhält Geoff die Nachricht, dass die Leiche seiner vor 50 Jahren in den Schweizer Alpen verunglückten Freundin in einer Gletscherspalte gefunden ist. Diese Nachricht wirft ihn aus der Bahn – und während nach außen hin alles normal weiterläuft, hinterfragt Kate ihr gemeinsames Leben. Andrew Haigh kann sich in diesem Film vollends auf seine Hauptdarsteller verlassen, aber dass sie sich beide in einem starken Schauspielfeld durchsetzen, ist bemerkenswert. Zumal sie beide große Konkurrenz hatten, in meinen Augen insbesondere mit Laia Costa aus Victoria und Elmer Bäck aus Eisenstein in Guanajuato. Letzterer führt mich zu meiner zweiten Beobachtung: Alle großen Namen gingen bei der Preisverleihung leer aus. Weder Werner Herzog noch Terrence Malick oder Peter Greenaway haben einen Bären erhalten, wirklich schmerzlich finde ich nur die Auslassung von Eisenstein in Guanajuato. Denn sein Film gehörte mit Victoria für mich zu den Highlights. Aber immerhin steht mittlerweile fest, dass meine beiden Lieblingsfilme einen Kinostarttermin haben.
Wo waren die starken Frauen?
Im Vorfeld wurde Dieter Kosslick mit der Formulierung zitiert, es sei eine „Berlinale der starken Frauen in Extremsituationen“. Ein Blick auf den Wettbewerb zeigt indes, dass es die Extremsituationen sicher gab – aber Filme mit einer weiblichen Hauptfigur nicht gleichbedeutend eine starke Frauenfigur haben. Denn es gab die duldsame Mutter (Everything will be fine, lief indes außer Konkurrenz), das letztlich in die Prostitution flüchtende Zimmermädchen (Diary of a Chambermaid), eine Pionierin zerrissen zwischen zwei Männern (Queen of the Desert) und eine Frau, die den Winter am Nordpol überlebt, aber trotzdem die ganze Zeit über ihren Mann redet (Nadie Quiere La Noche). Wirklich stark war dann vor allem Kate in 45 Years – und sie war in einer emotionalen Extremsituation.
Der Film, über den alle reden
Ein häufiger Kritikpunkt an der Berlinale sind die vielen Nebensektionen, die das Programm aufweichen. Dazu gehört seit einigen Jahren das Kulinarische Kino, immer wieder wird aber auch auf die Filme hingewiesen, die in den Specials laufen. In diesem Jahr kam noch hinzu, dass dort mit Fifty Shades of Grey und Selma zwei Filme gezeigt wurden, die letzten bzw. nächsten Donnerstag schon in den Kinos anlaufen – und insbesondere ersterer braucht nicht noch mehr mediale Aufmerksamkeit.
Doch auch ich habe mich brav in die Schlange zur Pressevorführung eingereiht – und verrate nun das wirklich Schockierende: Es ist kein guter Film, aber er ist nicht so schlecht, wie ich erwartet habe. Alle Kritikpunkte des Buches treffen auch auf den Film zu, es ist eine abstoßende Version einer Liebesgeschichte zwischen einer jungfräulichen Studentin und einem psychopathischen Emporkömmling, in der Romantik mit Stalker-Verhalten verwechselt wird. Aber der Film konzentriert sich auf die Beziehung – und ist mit Dakota Johnson gar nicht mal so schlecht besetzt. Wenn ich allerdings noch einmal irgendwo lesen oder hören muss, dass dieser Film BDSM-Sex gar nicht zeigt, wie er wirklich ist, dann muss ich schreien. Denn mal ehrlich: Das hatten wir doch schon mit dem Buch geklärt.
Persönliche Highlights
Neben dem Wettbewerb und Fifty Shades of Grey gab es noch mehr zu entdecken. Die Dokumentation Cobain: Montage of Heck beispielsweise, in der nur aus vorhandenem Material das Leben von Kurt Cobain erzählt wird. Oder das wunderbar zynische Ende von 600 Millas. Oder den großartigen Gunnar Johnsson als Hauptdarsteller von Dagur Káris Virgin Mountain – im Film passt die Musik perfekt zu den Bildern und Szenen, in denen sie erklingt. Und das sind nur drei Highlights aus den unzähligen Filmen, die ich gesehen habe. Von den Gesprächen und Begegnungen will ich gar nicht erst anfangen …