Die Brücke – Transit in den Tod
Staffel 1
Die Endzeit hat schon lange begonnen. Es braucht keinen Atomschlag, keine Zombies und keine Massenseuche. Es reicht, dass wir so sind, wie wir sind. Es braucht nur noch einen ewigen Winter, ein paar Mörder und jede Menge Beton. Künstliches Gestein, das ausreicht, um eine alpine Nordwand zu gießen – oder eine gigantische Brücke zu bauen. Eine Brücke, die zwei Städte in eine Region verwandelt. Die Öresundregion: ein Niemandsland, das sich zwischen den Städten Kopenhagen und Malmö erstreckt und vorher durch das Meer getrennt waren. Planierte Savannen, Fabriken und Bau-Erwartungsland. Wie Gespenster werden die alten Wahrzeichen der Städte manchmal eingeblendet. Die kleine Meerjungfrau im neongelben Meer und eine bläuliche Windmühle, von toten Zweigen eingerahmt. Die alten Städte existieren nur noch in der Fantasie der Touristen, die sie in der kurzen Sommerzeit als Destination konsumieren. Mit der Wirklichkeit hat das nicht das Geringste zu tun. Künstliches Licht strahlt videoüberwachte, betonierte Felder an. Wie galvanisierte Blutkörper pulsieren Autos durch die Adern vom leblosen Körper der Stadt. Totes Meer schwappt an die Strände einsamer Villen. Lebewesen sind in der Region selten anzutreffen. Nur Mordopfer, Verwirrte, Ausgegrenzte, Ausgesetzte, Flüchtlinge. Und Polizisten. Gesetzeshüter aus den Ländern Dänemark und Schweden, die sich anschicken, den unlösbaren Plot eines Mörders zu entschlüsseln, der sich mit dem Töten genauso gut auskennt wie im Datenverkehr und der Public Relation. Wie Obdachlose streifen die Ermittler durch die Wüsten der Region. Sie sind abgeschminkt bis auf die Knochen. Kein Makel bleibt verborgen – wird eher noch unterstrichen.
Mit ihren schäbigen Mänteln wirken sie wie ein komisches Paar aus einem Karl-May-Roman: Der dänische Kommissar Martin (Kim Bodnia), als düsterer Filmheld bekannt aus Pusher, Bleeder und In China essen sie Hunde, wirkt hier angenagt und ist ergraut. Seine schwedische Kollegin Saga (Sofia Helin) sieht aus, als wäre sie gerade durch die Frontscheibe ihres 911er-Porsches geschleudert worden.
Eine Backstorywound hat sie zu einer radikalen Pragmatikerin gemacht. „Wir Menschen verlieren die ganze Zeit“, sagt Martin. „Das ist kein Grund, links und rechts zu töten.“ Den Mörder in der Region interessiert das wenig. Er ist ganz nah. Er ist unter uns. Er ist sogar sehr sympathisch. Unter einer Versiegelung von Beton, Asphalt, Stahl und Glas – verborgen von Licht, Festplatten und Objektiven – lauert das alte Böse, das sich der Aufklärung widersetzt. Jedes gute Kunstwerk enthält die Prophezeiung einer möglichen nahen Zukunft. Die Miniserie Die Brücke antizipiert eine Welt, in der es nur noch Regionen gibt. In den Regionen vegetieren Gesellschaften, denen die Dimension der menschlichen Wärme verloren gegangen ist. Die Individuen sind so auf sich selbst begrenzt, dass sie diese Kulturtechnik schlicht verlernt haben. Nicht nur, weil sie obsolet geworden ist. Sie ist sogar gefährlich. Sie bietet dem Mörder Angriffspunkte. Alle sind in Gefahr. Alle sind im Transit. Alle müssen über die Brücke in der Nacht. Sie ist zu groß, sie kratzt am nächtlichen Himmel, sie reicht über den Horizont hinaus. Die Straße zum Scheitelpunkt ist steil. Die künstlichen Lichter sind nicht hell genug und das Geländer scheint lächerlich niedrig. Eisiger Wind rüttelt an der Karosserie und scheint die Reifen des Autos von der Straße heben zu können. Ganz tief unten lauert der Abgrund – die endlose Fläche eines schwarzen Meeres. „Es war nur dunkel …“, sagt der Journalist Mikael, nachdem er wegen einer Überdosis zwei Minuten lang tot war, „… total dunkel.“
Transit …