Wer den Interstate 69 bei Ausfahrt 55 verlässt, den erwartet nicht viel: unendlich weite Felder, dazwischen ein paar Farmen, die ihr Areal einmal im Jahr in eine „Pumpkin Farm“ verwandeln. Auch der nächstgelegene Ort hat scheinbar für den geneigten Touristen nicht viel zu bieten: ein Supermarkt, eine Schule, eine Tankstelle, eine Kirche, ein Museum und einen überdimensionierten Friedhof. Viele der Menschen hier scheinen das Rentenalter längst überschritten zu haben ‒ eine Lebensphase, die der berühmteste Einwohner nie erreichen sollte. Fairmount, der knapp 3000-Seelen-Ort im Herzen Indianas, wirkt nicht gerade, als wäre der nächste Touristenbus im Anmarsch ‒ oder gar Produzenten aus Hollywood. Und doch ist es der Ausgangspunkt einer der größten Hollywoodkarrieren des Golden Age.
James Byron Dean wurde am 8. Februar 1931 geboren. Im benachbarten Marion zwar, doch schon zwei Jahre später zogen die Deans nach Fairmount ‒ um einige Zeit später die Corn Belt-Romantik Indianas 1937 gegen Santa Monicas kalifornische Sonne einzutauschen. Die Idylle hielt sich, bis Mutter Mildred an Gebärmutterhalskrebs starb und der überforderte Vater Winton James zu seiner Schwester Ortense und dessen Mann Marcus Winslow nach Fairmount zurückschickte. Von da aus war es dann wieder ein langer Weg nach Hollywood – oder eigentlich nach New York, denn Deans fünf Jahre umfassende Karriere lässt sich vermutlich am besten mit den Präpositionen vor, während und nach New York City beschreiben.
Doch der Reihe nach: Am Anfang stand eine braune, koffeinhaltige Brause. Coca Cola mag ja unser Bild vom Weihnachtsmann revolutioniert haben, aber Pepsi war für den ersten (bezahlten) Fernsehauftritt von James Dean verantwortlich. Sehr zum Ärger des Vaters, der den Sohn gerne als Jurist gesehen hätte (wohl eher nicht im Bereich Familienrecht …). Trotzdem verließ James Dean nach kurzem Gastspiel das Santa Monica City College wieder, um an der renommierten UCLA Drama zu studieren. Ohne Abschluss zwar, aber doch einigermaßen erfolgreich. Kleine Nebenrollen im aufblühenden Medium Fernsehen waren allerdings nicht sonderlich lukrativ, und so heuerte Dean als Parkplatzanweiser bei den CBS Studios an ‒ wohl nicht die schlechteste Adresse für angehende Schauspieler. Anschließend landete er immerhin weitere Walk-on-Rollen.
Und dann kam New York City – damals wie heute der Nabel der Schauspielwelt und Heimat von Lee Strasbergs berühmtem Actor’s Studio (für Schauspieler sowas wie Harvard für Juristen und Studierende so ziemlich aller anderen Fachrichtungen). Bis er dort 1952 anheuerte, hatte er einen Job als Stunt Tester der Fernsehshow Beat the Clock (sowas wie Schlag den Raab, nur mit ein paar Millionen weniger Gewinn) und diverse Kurzauftritte in CBS-Serien hinter sich. Die Folge waren noch mehr Auftritte in Serien und in (Off-)Broadway-Shows. Eine Rolle im Broadway Musical The Immoralist war sein Ticket zurück nach Hollywood. Elia Kazan, Hollywoods nicht ganz unumstrittener Starregisseur der 1950er-Jahre und Co-Chef des Actor’s Studios, erkannte in Dean das neue Symbol einer aufbegehrenden Jugend: niedlich, rebellisch, verletzlich, mit einer nicht ganz geklärten sexuellen Orientierung. Perfekt für sein Filmprojekt Jenseits von Eden, einer Adaption des letzten Drittels des gleichnamigen John Steinbeck-Romans, dessen Dreh für April 1954 angesetzt war.
Der Rest ist Geschichte. Ein Teenager, der gegen die Erwachsenen in seinem Umfeld aufbegehrte, in einer Zeit, lange bevor Elvis in goldenen Jumpsuits durch Las Vegas hüpfte, das konnte auch ein weiteres Mal klappen! Und so dauerte es auch nicht lange, bis Nicolas Ray James Dean für seine Paraderolle in … denn sie wissen nicht, was sie tun castete. Die Premiere erlebte James Dean nicht mehr – ebenso wie die seines letzten Filmprojektes Giganten mit Elisabeth Taylor und Rock Hudson als Co-Stars.
Am 30. September 1955 raste er in seinem nagelneuen 1955er-Porsche Spider auf dem Weg zu einem Rennen in Salinas in ein entgegenkommendes Auto. Eigentlich wäre die Geschichte an dieser Stelle zu Ende erzählt: Ein junger, aufstrebender und talentierter Mann stirbt viel zu früh eines tragischen Unfalltodes. Doch was dann passierte, war bis dahin einmalig. Lange, bevor George Lucas seine Sternenkrieger flächendeckend in die Merchandising-Schlacht schickte, sprießten allerlei Fanartikel aus dem Boden. Den eigentlichen Kult aber manifestierte die Jugend selbst – denn sie hatte quasi ihren Anführer verloren. Fast sechzig Jahre ist der Unfall von Cholame nun her, und die Generation Y hat längst eine andere Definition von Coolness gefunden (jedenfalls keine, die noch viel mit Pomade zu tun hat). Doch ab und zu wünschen wir uns doch alle zurück in eine Zeit, in der „Hasenfuß“ noch ein Schimpfwort war …