Jetzt können wir´s doch zugeben: Wir waren ein bisschen neidisch auf sie. Manchmal aber auch ein bisschen stolz und vielleicht sogar beides auf einmal. Sie begleiteten uns oft für ein langes Stück des Weges ‒ oft dann, wenn wir auf der Suche waren. Nach Liebe, Identität, Selbstwert oder was auch immer. Sie halfen uns, erwachsen zu werden. Und irgendwann waren sie wieder weg ‒ manchmal so schnell, wie sie gekommen waren. Doch wo sind sie eigentlich ‒ die fast vergessenen Film- und Fernsehheldinnen, die irgendwann verschwanden, aber uns dennoch tief im Innern berühren?
Jennifer Grey etwa. Ein eher durchschnittlich anmutendes Mädchen mit etwas schiefer Nase aus New York City. So wie wir eben. (Bis auf New York City vielleicht.) Jennifer lebte unseren Traum! Wie gerne hätten wir die Wassermelone getragen, um anschließend mit Patrick Swayze den Mambo zu tanzen! Ja, selbst Ferris Bueller als nervigen (Film-)Bruder hätten wir dafür gerne in Kauf genommen! Dass es das Schicksal mit Patrick Swayze (1952‒2009) nicht gut meinte, ist bekannt. Und „Ferris“ Matthew Broderick fristet ein Dasein an der Seite seiner viel berühmteren Ehefrau Sarah Jessica Parker. Auch nicht ideal. Doch was ist aus Jennifer Grey geworden?
Zu Beginn der 1990er-Jahre ließ sie sich die Nase korrigieren ‒ eine folgenschwere Entscheidung, denn die vermeintlich optische Annäherung an ein Hollywood-Ideal machte sie für die Filmmetropole weitgehend uninteressant; die Auftritte beschränkten sich von nun an auf US-amerikanische Fernsehfilme, Serien und Unterhaltungsshows, nicht selten „irgendwas mit Tanz“ eben. Zu groß war schon damals die Zahl der Hollywood-Diven mit makelloser Optik. Auch das Publikum verzieh ihr die Schönheitsoperation lange nicht ‒ immerhin war sie nun nicht mehr so ganz eine von uns. Einen Achtungserfolg erzielte Jennifer Grey dennoch im Jahr 2000 mit Bounce – Eine Chance für die Liebe. Heute lebt sie mit ihrem Ehemann, dem Drehbuchautor Clark Gregg, und einer dreizehnjährigen Tochter in Los Angeles ‒ und sehnt sich womöglich nach ihrer alten Nase …
In die OP-Falle tappte auch das einstige Hollywood-Sweetheart Meg Ryan. Kein Russell Crowe, Tom Hanks oder Dennis Quaid, den sie (im Film und im wahren Leben) nicht hätte erobern können ‒ mit Schnittlauchlocken, die jahrzehntelang jedem Modetrend zu trotzen schienen (obwohl wir sicher waren, dass sie nicht auf natürlichem Wege entstanden sind …). Und trotzdem verschwand auch Meg Ryan irgendwann von der Bildfläche. Wieder einmal zeigte Hollywood sein unschönes Gesicht, das keine Falte duldete. Zumindest nicht, wenn die Besitzerin jenes, nicht mehr ganz taufrischen Gesichtes auf den Typ „Sweetheart in romantischen Komödien“ abonniert ist. Heute, mit 53, dreht Meg Ryan zwar noch immer hin und wieder Filme, doch liegt ihr Lebensmittelpunkt wohl eher in der Familie: Sohn Jack, (Adoptiv-)Tochter Daisy True und Freund John Mellencamp.
Oder Heather Locklear ‒ durch Auftritte als Sammy Jo Dean im Denver-Clan und Amanda Woodward in Melrose Place eher als Biest in Erinnerung, aber nicht weniger blond ‒ angelte sich jenseits der 50 ihren Schönheitschirurgen Dr. Marc Mani gleich ganz. Die Vermutung, dass sie das ein oder andere Mal als „Übungsobjekt“ diente, ist wohl nicht ganz von der Hand zu weisen. Die Liste von Manis Vorgängern kann sich sehen lassen: Mötley Crüe-Schlagzeuger Tommy Lee und Bon Jovi-Gitarrist Richie Sambora brachten es sogar auf einige Ehejahre mit der Diva ‒ Letzterem verdankt sie die 15-jährige Tochter Ava Elizabeth. Obwohl die großen Rollen seit einigen Jahren ausbleiben, hält sich Heather Locklear dennoch wacker: Abgesehen von diversen Zwangsdrehpausen, vornehmlich verursacht durch Reha-Aufenthalte in Alkohol- und Medikamentenentzugskliniken, taucht sie regelmäßig mit Gastauftritten in Soaps und Sitcoms auf. Mit Fernsehschauspielerinnen scheint Hollywood gnädiger umzugehen.
Diese Erfahrung machte auch Kirstie Alley. Gefeiert für Fernsehrollen in den Serien Fackeln im Sturm und Cheers war der Schritt ins Kino (unter anderem Kuck´ mal, wer da spricht) nicht mehr weit. Nachdem die Kinoerfolge ausblieben, kehrte sie zurück ins Fernsehen und fällt dort heute im Wesentlichen in Formaten über Gewichtsverlust und Scientology auf.
Das Fernsehen wurde auch zum Rettungsanker für …, wie hieß noch mal die Prinzessin Leia aus der ursprünglichen Star-Wars-Trilogie in Wirklichkeit? Richtig. Carrie Fisher. Seit Star Wars ‒ A New Hope lebt sie das Hollywood-Klischee: Filmerfolge, Beziehungen zu Film- und Musikgrößen ‒ etwa Paul Simon und Dan Aykroyd ‒, Drogenexzesse. Soweit, so gewöhnlich. Doch in ihrer nunmehr fast vierzig Jahre währenden Karriere schaffte es die Schauspielerin immer wieder, im Gespräch zu bleiben, ohne ständig in den Medien zu sein. Vielleicht auch, weil Fisher (58) immer neue Formate für sich entdeckte: Drehbücher etwa, Synchronisationen, Fernsehserien und Videospiele.
Zu behaupten, dass alle Schauspielerinnen jenseits der 40 ‒ vornehmlich in Hollywood ‒ automatisch in Vergessenheit geraten, wäre fatal. Schließlich gibt es genügend Gegenbeispiele ‒ und nur wenige Filme kommen ausschließlich mit jugendlichen Protagonistinnen aus. Es scheint aber ratsam zu sein, sich schon frühzeitig mit dem Altern auseinanderzusetzen. Sonst ergeht es einem schnell wie Jennifer, Meg, Heather und vielen anderen. Was bleibt, ist eine schöne Erinnerung. Denn immerhin werden auch wir älter.
Morgen geht es weiter! Dann mit dem männlichen Pendant Was macht eigentlich …? Hollywoods (fast) vergessene Film- und Fernsehhelden.