Eine eiskalte, sternenklare Nacht. Hier und da erleuchten vereinzelt Feuerwerkskörper den Himmel über Berlin. Dicht an dicht drängen die Passanten zum Brandenburger Tor, um das neue Jahr 1990 zu begrüßen ‒ ein Jahr voller Veränderungen. Und mittendrin David Hasselhoff. Hoch oben auf jener Mauer, die eben noch Trennung bedeutet hatte, singt er ‒ gehüllt in eine lichterbesetzte Lederjacke, die mit den Sternen um die Wette funkelt ‒ eine Hymne der Freiheit. Selbst diejenigen, die ihn eigentlich doof finden, können ihn in dieser Silvesternacht irgendwie leiden. Doch damit nicht genug: Hauptberuflich rettete Hasselhoff damals, auf dem Höhepunkt seiner Karriere, verunglückte Schwimmer am Strand von Malibu ‒ oder gleich die ganze Welt, zusammen mit seinem sprechenden Auto K.I.T.T.
24 Jahre sind vergangen, seitdem „The Hoff“ ‒ zumindest in seiner Selbstwahrnehmung ‒ quasi im Alleingang die beiden deutschen Staaten wiedervereinte. Doch irgendetwas muss auf dem Weg zur Unsterblichkeit schief gelaufen sein. Kurz nachdem er die rote Badehose an den Nagel gehängt und das Auto den ewigen Jagdgründen übergeben hatte, wollte ihn plötzlich niemand mehr sehen.
Längst hatten andere seinen Job übernommen. (Und über sprechende Autos wunderte sich auch schon lange keiner mehr.) Heute fällt der Exrettungsschwimmer vorzugsweise durch medial, nicht ganz freiwillig zelebrierte Alkoholexzesse, daran anschließende und wieder abgebrochene Rehab-Maßnahmen und wenig schmeichelhafte Fernsehauftritte (vornehmlich in Castingshows) auf. Auch zwei Ehen ‒ der Ehe mit Pamela Bach entstammen die beiden Töchter Taylor-Ann und Hayley-Amber ‒ waren nur mittelfristig von Erfolg gekrönt. Und während ich diesen Blog schreibe, macht „The Hoff“ im Frühstücksfernsehen Werbung für ein Online-(Pauschalreise-)Vergleichsportal. Da ist der Sprung ins Dschungelcamp nicht mehr weit.
Doch David Hasselhoff ist kein Einzelfall; viele unserer einst umjubelten Film- und Fernsehhelden mussten die bittere Erfahrung machen, dass es kein Abo auf Erfolg gibt ‒ schon gar nicht, wenn einem das Publikum den jugendlichen Lover nicht mehr abnimmt. Jonathan Brandis (Die unendliche Geschichte II) und der ewig niedliche Corey Haim (The Lost Boys) bezahlten ‒ wohl gebeutelt von Selbstzweifeln und Depressionen ‒ diese Erkenntnis sogar mit dem Leben.
Doch selbst diejenigen, denen es besser ergeht, zahlen häufig einen hohen Preis für Ruhm und Reichtum. Denn derartige Turbulenzen, die oft in einem massiven Karrieretief resultieren, müssen keineswegs selbstverschuldet sein. Wie gerne wären wir etwa mit Keanu „Bill“ Reeves in einer Telefonzelle durch die Zeit gereist! Und die Matrix-Filmen haben wir zwar auch nach dem dritten Mal noch nicht so ganz verstanden, aber wir wären Neo dennoch nur allzu gerne dorthin gefolgt. Doch auf dem Höhepunkt seiner Karriere holte Keanu Reeves ein Schicksal ein, vor dem ihm wohl auch das Raum-Zeit-Kontinuum nicht hätte retten können: Seine Tochter Ava Archer Syme-Reeves wurde 1999 tot geboren; die Mutter, Jennifer Syme, starb eineinhalb Jahre später bei einem Autounfall. Trotz dieser Schicksalsschläge setzte Reeves seine Filmarbeit fort ‒ nun vermehrt auch hinter der Kamera. Die ganz großen Erfolge blieben in jüngster Zeit aus, doch bis heute dreht Keanu Reeves Filme.
So wie auch Tom Selleck. Allerdings bekommt das kaum jemand mit. Seit seiner Paraderolle als Thomas „Magnum“, den er in acht Staffeln spielte, ist er auf Fernsehrollen festgelegt. Spätestens, seitdem er als väterlicher Freund Monica Geller in Friends den Kopf verdrehte, taucht er nur hin und wieder mal im Kino auf ‒ und in Talkshows, um für die US-amerikanische Waffenlobby zu werben. Doch immer, wenn man das Gefühl hat, Selleck sei nun endgültig mit seiner zweiten Frau und den beiden Kindern auf seiner Avocado-Farm in Kalifornien abgetaucht, erscheint er mal wieder in einer Fernsehrolle ‒ manchmal sogar ohne jeglichen Bezug zu Magnum …
Dieses Kunststück bleibt Mark Hamill bis heute weitgehend verwehrt. Zu stark ist die Assoziation mit seinem Alter Ego „Luke Skywalker“, der ihn 1977 quasi über Nacht berühmt machte. Im Gegensatz zu seinem Co-Star Harrison „Han Solo“ Ford, der sich nach den Dreharbeiten zu Star Wars ‒ A New Hope mit der Indiana-Jones-Trilogie gleich in die nächste Titelrolle stürzte, blieb Hamill bei Skywalker hängen; besuchte Science-Fiction-Conventions und erschien in Star-Wars-TV-Specials (z.B. The Muppet Show). Dennoch fand er einen Weg der „friedlichen Koexistenz“ mit Skywalker: Seit den 1990er-Jahren taucht er nur noch gelegentlich vor der Kamera auf; stattdessen schreibt er Comicbücher und leiht seine Stimme Cartoonfiguren, Videospielen und ausländischen Filmen. Privat ist er seit 1978 mit Ehefrau Marilou York verheiratet, mit der er drei Kinder hat.
Richard Dean Anderson, ein weiterer ehemaliger Serienheld, kannte man schon in den 1980er-Jahren eher als MacGyver; keiner sonst schaffte es, die Welt mithilfe eines Schweizer Armeemessers und einer Rolle Klebeband zu retten; wenn es wirklich brenzlig wurde, dann griff der überzeugte Vokuhila-Träger auch schon mal zur Büroklammer. Bis in die frühen 2000er-Jahre verkörperte Anderson Jonathan „Jack“ O’Neill in Stargate ‒ Kommando SG-1, um anschließend ‒ und aktuell ‒ Kaugummi, Klebeband und Büroklammern nur noch privat zu verbasteln.
Doch zurück zu den ewig jugendlichen Helden. Denn da war ja noch das ungleiche Brüderpaar Sheen-Estevez. Während Charlie Sheen, unterstützt durch den Künstlernamen des berühmten Vaters Martin Sheen, einen Film nach dem anderen drehte, bis er schließlich einige TV-Serien-Hauptrollen annahm (in denen er weitgehend sich selbst spielte), kam Emilio Estevez‘ Karriere irgendwann ins Stocken. Dabei hatte alles so vielversprechend angefangen: Beide Brüder spielten sich in den 1980er-Jahren als Mitglieder des berüchtigten „Brat Pack“ in Cliquen-Filmen wie Die Outsider in die Herzen der aufbegehrenden Jugend. Charlie Sheen fand irgendwann für sich eine Nische. Im Wesentlichen als versoffener Chauvi, dessen Frauenbekanntschaften selten länger als 24 Stunden überdauern zwar, aber immerhin taucht er bis heute regelmäßig in den Medien auf (wenn auch selten wegen seiner Filme). Auch Emilio Estevez dreht bis heute Filme ‒ jedoch blieben die ganz großen Erfolge (abgesehen von Might Ducks 1‒3) aus. Heute führt er zunehmend Regie, schreibt Drehbücher und unterhält zusammen mit seiner Verlobten Sonja Magdevski ein kleines Weingut in Malibu.
Doch Estevez war nicht das einzige „Brat-Pack“-Mitglied, dessen Karriere sich nie wieder von der Tatsache erholte, dass deren Protagonist irgendwann erwachsen wurde. Klar, neben Mike Myers in Wayne’s World und Austin Powers: The Spy Who Shagged Me machte Rob Lowe auch als Post-Teenager mit Ende zwanzig noch eine ganz gute Figur. Dennoch blieb auch ihm eine Karriere in Hollywoods A-Liga verwehrt ‒ trotz kontinuierlicher Filmarbeit in Kino und Fernsehen. Stattdessen tauchte er immer mal wieder durch private Skandälchen auf ‒ ein plötzlich aufgetauchtes Sex-Tape (1988) etwa oder diverse Gerichtsprozesse (2008/2009), in denen er von den Nannys seiner Söhne Matthew und John wegen unterschiedlicher Vergehen verklagt wurde.
Kaum schien der Erfolg der Teenager-Filme vorübergehend etwas abzuklingen, standen wir Mitte der 1980er-Jahre vor der Wahl: Nord oder Süd ‒ oder treffender: Read oder Swayze? Schon allein Gewissen und Anstand schlugen vor, sich eher für die Yankees ‒ und damit für James Read ‒ zu entscheiden. Er war sogar so anständig, dass er seine Serien-Ehefrau aus Fackeln im Sturm, Wendy Kilbourne, gleich auch im wahren Leben heiratete und zwei Kinder (Jackson und Sydney) mit ihr bekam. Abgesehen von einer größeren Rolle in Remington Steele (1982‒1987) tritt er seither im Wesentlichen in Nebenrollen in Erscheinung. Das reicht aber offenbar für ein schickes Haus in Malibu …
Die Zeit der Schauspiel-Superstars, deren Karrieren scheinbar linear vom Teenager- bis ins Seniorenalter reichen, scheint zu vergehen. Nur wenige Akteure schaffen das noch. Doch es ist schön, immer mal wieder die Erinnerung an einst bedeutsame Schauspieler aufzufrischen.
Gestern erschien bereits der erste Teil unserer Miniserie Was macht eigentlich …? Cornelia Klein ging der Frage nach Wo sie sind – die fast vergessenen Film- und Fernsehheldinnen, die uns oft für ein langes Stück des Weges begleiteten ‒ oft dann, wenn wir auf der Suche waren. Nach Liebe, Identität, Selbstwert oder was auch immer. Sie halfen uns, erwachsen zu werden. Und irgendwann waren sie wieder weg ‒ manchmal so schnell, wie sie gekommen waren.