In wenigen Tagen erscheint das neue Heft der tv diskurs – Verantwortung in audiovisuellen Medien. Hier gibt es schon einmal eine kleine Vorschau auf die 72. Ausgabe!

Je stärker man von der eigenen Position überzeugt ist, desto schwerer fällt es, damit umzugehen, dass es Menschen mit völlig anderen Ansichten gibt. Besonders schwierig wird das bei religiösen Überzeugungen. Denn sie verlieren ihren Sinn, wenn man die Möglichkeit in Betracht zieht, dass jemand mit einem anderen Glauben vielleicht auch recht haben könnte.
In unserer demokratischen und pluralistischen Gesellschaft, aber auch in der Philosophie, gelangt man immer mehr zu der Einschätzung, dass es sich bei gesellschaftlichen Wertvorstellungen um soziale Konstrukte handelt, die nicht absolut sind, weil sie etwa durch einen allwissenden und allmächtigen Gott festgelegt wurden. Sie werden im gesellschaftlichen Diskurs verhandelt und von den Organen des Staates entweder in die private Entscheidung der Bürger gelegt oder auf der Grundlage festgelegter Verfahren – beispielsweise Wahlen oder Abstimmungen im Parlament – in Gesetze gegossen.
Weltanschauungen oder religiöse Überzeugungen sowie die daraus resultierenden normativen Konzepte gehören dabei in die private Entscheidung der Menschen. Das betrifft auch das Ausleben sexueller Neigungen oder Verhaltensweisen: Solange die Sexualität im gegenseitigen Einvernehmen der Beteiligten vollzogen wird, hält sich der Staat in der Regel heraus. Eine Ausnahme bilden sexuelle Kontakte zwischen Erwachsenen und Kindern, weil bezweifelt wird, dass Kinder in der Lage sind, hier eine unbeeinflussbare Entscheidung zu treffen. Das Inzest-Tabu – immerhin neben Kannibalismus das einzige, das in allen Kulturen vorhanden ist – gibt es zwar strafrechtlich immer noch, wurde aber in letzter Zeit durch den Deutschen Ethikrat relativiert.
Wie kommt es zu solch einer Liberalisierung und einer derartigen Zunahme an Toleranz? Neben dem ablehnenden Einfluss der Kirchen spricht vieles dafür, dass die Medien maßgeblich zu dieser Entwicklung beitragen. Das wird keineswegs nur positiv gesehen. Denn viele werfen den Medien vor, ausschließlich zur Steigerung der Aufmerksamkeit und der Quote jeden Respekt gegenüber normativen Grenzen und gesellschaftlichen Tabus über Bord zu werfen. tv diskurs beleuchtet in dieser Ausgabe die Geschichte und Definition des Toleranzbegriffs und geht den Fragen nach, was Toleranz für unsere und in unserer Gesellschaft bedeutet, wie es mit ihr in den unterschiedlichen Kulturen bestellt ist und ob freie Medien tatsächlich in jedem Fall dazu beitragen, die gesellschaftliche Toleranz zu steigern.
EDITORIAL
INTERNATIONAL
Verfolgt und mit dem Tod bedroht
Dokumentarfilme bezeugen die Lage Homosexueller in Afrika
Jens Dehn
Existenzielle Nöte und die Kraft von jungen Menschen
„Generation Kplus“ und „14plus“ auf der Berlinale 2015
Barbara Felsmann
TITEL
Toleranz
Über Ursprung, Geschichte und Bedeutung
Otfried Höffe
Toleranz im Vergleich der Kulturen
Hamid Reza Yousefi
Für ein friedvolles Miteinander der Religionen in Europa
Gespräch mit Roland Rosenstock
Warum und wie tolerant sein?
Rainer Forst
Die Oma mit dem Häkeljäckchen
Möglichkeiten von Toleranz im Fernsehen
Jens Förster und Manfred Nussbaum
Toleranz liegt im ökonomischen Interesse der Medien
Das Fernsehen bietet Einblicke in vielfältige Lebensumstände
Gespräch mit Jo Reichertz
Ethik im Wandel
Sexuelle Toleranz und die Rolle der Medien
Joachim von Gottberg
Toleranz: gelb mit vier Fingern
Ein Lob auf Die Simpsons
Rainer Erlinger
Toleranz und Intoleranz
… vom Gemüseacker aus gesehen
Klaus-Dieter Felsmann
PANORAMA
WISSENSCHAFT
Identitätsbildung im Netz
Selbstdarstellung weiblicher Heranwachsender auf Foto- und Videoplattformen
Daniel Hajok und Franziska Zerbin
Video-on-Demand in Deutschland
Angebot und Nutzungsgewohnheiten
Antonia Nooke, Signe S. Jørgensen und Lothar Mikos
MEDIENLEXIKON
DISKURS
System mit Zukunft: IARC
Felix Falk
Serienmisere
Deutsche Serien haben sich viel zu lange selbst genügt
Tilmann P. Gangloff
LITERATUR
RECHT
SERVICE
Das Unwort erklärt die Untat
Präsentation einer Studie der Otto Brenner Stiftung zu der Rolle der Medien bei den NSU-Morden am 29. Januar 2015 in Berlin
Nils Brinkmann
Auf unserer Website finden Sie nach Erscheinen der tv diskurs 2/2015 die einzelnen Artikel zum Download sowie weitere Themen, da hier nur ein Auszug des Inhaltverzeichnisses abgebildet ist.
Wenn Sie Interesse an diesem Heft haben oder tv diskurs regelmäßig erhalten möchten (erscheint vierteljährlich), wenden Sie sich bitte an tvdiskurs@fsf.de.