Muss erst der Terminator zu euch kommen?

Jugendschutz bei ProSiebenSat.1: Zwischen Zuschaueremotion und Programmberatung

Viele glauben, ein Jugendschützer bei ProSiebenSat.1 ist einer, der den ganzen Tag nur Filme schaut. Für 14-Jährige ist das cool, aber meine Freunde wundern sich, wenn ich abends noch ins Kino will.  „Hast du denn nicht schon genug davon?“ Nein, hab ich nicht, ich liebe einfach gute Geschichten! Diese Liebe zum Programm verbindet uns im Jugendschutz. Zehn Redakteure und Jugendschutzbeauftragte betreuen zwölf Sender der ProSiebenSat.1-Group mit einem breiten Programmportfolio.

Redakteure und Jugendschutzbeauftragte der ProSiebenSat.1-Group © ProSiebenSat.1
Redakteure und Jugendschutzbeauftragte der ProSiebenSat.1-Group © ProSiebenSat.1

Jeder Jugendschützer vertritt seine Meinung und steht für diese ein. Das führt natürlich ab und an zu Diskussionen. Denn egal, ob es um Horror-Tattoos, das Trinkverhalten von Südkoreanern oder den „Terminator“ geht, gute Geschichten loten immer Grenzen aus. Moralische Grenzen, indem Tabus hinterfragt und gebrochen werden, aber oft auch visuelle Grenzen. Wann diese Grenzüberschreitungen jugendschutzrelevant sind und wann nicht, das entscheiden wir. Jeden Tag. Oft werden Werte gegeneinander abgewogen: Wo ist Schutz geboten, wann sollen Kinder vorauseilend vor was auch immer bewahrt werden? Die Grenzziehung ist manchmal alles andere als einfach.

Die Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen (FSF) ist uns bei der Entscheidung ein enorm wichtiger Partner, doch steht sie am Ende der Beurteilungskette. Und auch FSF-Prüfergebnisse hinterfragen wir, wenn wir eine Berufung schreiben. Meist aber wenden sich programmerstellende Redakteure an uns mit der Frage: „Geht das?“ Dann müssen wir schnell lesen, sichten, Vorschläge machen oder auch verwerfen: „Das geht nur, wenn …“ Damit nichts ungesehen ausgestrahlt wird, schulen wir die Redaktionen: Was muss bei einem Magazinbeitrag, was vor Ausstrahlung eines Films beachtet werden? Für jedes Programm sind klare Abnahmeprozesse festgelegt, unsere Freigaben werden in Content-Datenbanken hinterlegt.  Jedes Format und jeder Time-Slot stellt andere Anforderungen. Ob Idee, Treatment, Drehbuch, Filme oder Trailer, die Prüfprozesse sind vielfältig. Manchmal beziehen wir kurz mündlich Stellung zu einer Idee, dann wieder schreiben wir ausführliche Gutachten. Oder wir sind beim Rohschnitt eines neuen Films dabei und geben unser fachliches Urteil ab. Die Programmprüfungsprozesse sind abhängig von der Arbeitsweise der jeweiligen Redaktion und deren Vorläufen vor der Ausstrahlung. „Kannst du mal schnell …?“ und „Es ist eigentlich ganz harmlos, aber …“ sind Standardsätze, die wir täglich hören. Manchmal berühren sich auch Jugendschutz- und Imagefragen, aufgebrachte Zuschauer beschweren sich: „… muss erst der Terminator zu euch kommen …?“ Dann erklären wir unsere Entscheidungen und vermitteln. Nicht alles, was Eltern für ihr eigenes Kind als ungeeignet erachten, ist tatsächlich jugendschutzrelevant. Trotzdem ist uns die Haltung der Eltern äußerst wichtig. In Programmen, die besonders viele Kinder sehen, schalten wir manche Werbespots nicht. Punkt.

Welche Risikodimension im Fokus steht, ist format- und uhrzeitabhängig. Die Prüfkriterien allen Beteiligten verständlich zu vermitteln, ist ein wichtiger Bestandteil unserer Arbeit. Dazu brauchen wir neben Fingerspitzengefühl vor allem Offenheit. Warum dürfen Käfig-Kämpfe nicht ins Tagesprogramm? Erklären Sie das mal einem Ami … Und wie vermittelt man in Deutschland, dass es die (sportlichen) Regeln des Ultimate Fighting mit sich bringen, dass auch dann noch fair gekämpft wird, wenn einer schon am Boden liegt?

Auch Filmemacher zu Jugendschutz-Schnitten zu bewegen, ist keine „gmahde Wiesn“, wie man in Bayern sagt. Einmal saß ich mit einem Regisseur einen ganzen Tag im Schneideraum. Ich habe ihn und seine Magenschmerzen gut verstanden. In kalkulierte Filmwirkungen einzugreifen, ist bitter. Einfacher wird es, wenn Kreative verstehen, dass auch starke Bilder Botschaften enthalten können, die unsere Grundwerte untergraben. Erstaunlich, aber wahr: mit kleinsten Änderungen lässt sich oft viel erreichen. Manchmal reicht das kurze Zögern einer Figur und die Wirkung ist eine andere … Es fordert heraus, gute Geschichten zu erzählen und Jugendschutzkriterien zu beachten! Und wenn Schnitte nötig sind, sie so zu setzen, dass sie niemand bemerkt. Darum beraten wir auch vor dem Dreh. Trotzdem – wir bewegen uns im Spannungsfeld unterschiedlicher Interessen. Das muss man mögen und aushalten.

Gegenwärtig spüren wir den Umbruch: die Herausforderungen werden komplexer. Wir prüfen nicht mehr nur fürs Free-TV. Technischer Jugendschutz wird wichtiger. Für mit YouTube aufgewachsene Generationen sind Sendezeitbeschränkungen exotisch, obwohl ich gerade im Umgang mit jungen Kollegen merke, dass die Offenheit gegenüber Jugendschutzbelangen und Anforderungen überraschend groß ist. Sie wissen oft aus eigener Erfahrung, was Kinder besser nicht sehen sollten. Was die Zukunft bringen wird? Ich wünsche mir, dass Jugendschutzarbeit für unsere Zuschauer transparenter wird. Wir machen mehr als Filme schauen.

Über Barbara Förster

Nach dem Studium (Literaturgeschichte, Politologie und Hispanistik) Dramaturgin am Staatstheater Darmstadt, danach freie Mitarbeit beim Hessischen Rundfunk. Viele Jahre Redakteurin in der deutschen Fiction bei SAT.1 in Berlin. Seit 2008 Redakteurin für Jugendschutz und Programmberatung bei Pro7Sat.1 in München, seit 2014 Jugendschutzbeauftragte Pay-TV.