Wie Facebook mit unseren Daten „spielt“
„Wenn die Zusammenarbeit mit Facebook bedeutet hätte, dass wir unsere Werte hätten ändern müssen, hätten wir es nicht getan. Stattdessen streben wir eine Partnerschaft an, die es uns erlaubt, weiterhin unabhängig und autonom zu operieren.“ Dies sind die Worte von Jan Koum, einem der WhatsApp-Gründer, in dem offiziellen WhatsApp-Blog vom 14. März 2014 als Antwort auf die Übernahme von WhatsApp durch Facebook. Schon damals wurde viel darüber spekuliert, dass diese Übernahme einen Verlust der Privatsphäre und den Austausch von Daten zur Folge haben könnte. Um dieses, nach seinen Worten, „Missverständnis“ aus der Welt zu räumen, schrieb er besagten Eintrag, worin es weiterhin heißt: „Der Respekt für deine Privatsphäre ist in unseren Genen und wir haben WhatsApp um das zentrale Prinzip, so wenig wie möglich von dir zu wissen, aufgebaut.“ Dies beinhalte das Unwissen über E-Mail-Adresse, GPS-Daten, Namen, Suchmaschineneingaben und anderer privater Daten. Der Eintrag ist rührend geschrieben, wirkt ehrlich und ist mit einer persönlichen Anekdote untermalt.
Doch gerade mal zwei Jahre nach der Übernahme scheint alles über Bord geworfen: von nun an werden Facebook und WhatsApp ihre Daten miteinander austauschen. In einem aktuellen Blogeintrag zu besagten Erneuerungen heißt es, die Zusammenarbeit mit Facebook ermögliche, „grundlegende Kennzahlen über die Häufigkeit, mit der Benutzer unsere Dienste verwenden“ besser zu verfolgen. Dadurch könne gezielter gegen Spam auf WhatsApp vorgegangen werden. Die Vorteile für die Nutzer Facebooks sollen optimierte Freundesvorschläge und „personalisiertere“ Werbung sein. Doch sonst so gut im Marketing gelingt es hierbei nicht wirklich, die Vorteile der Nutzer gut zu verkaufen. Die Begründungen klingen lau, eigentlich ist klar, dass der Datenaustausch vor allem für das Unternehmen selbst von großer Bedeutung ist und eine Menge Geld verspricht.
Ausgeweitete Freundesvorschläge – sind wir nicht bereits zu größter Wahrscheinlichkeit mit den Leuten auf Facebook befreundet, mit denen wir in Verbindung bleiben möchten? Die Freundesliste ist meist bereits gefüllt mit Kontakten, auf die man zum Teil auch verzichten könnte. Die weitergehenden Freundesvorschläge können außerdem merkwürdige Richtungen einschlagen, wie ein Vorfall in den USA zeigte. Hierbei wurden einer Psychiaterin ihre Patienten als Freunde bei Facebook vorgeschlagen. Auch die Patienten untereinander erschienen gegenseitig in der Freundesvorschlagsliste.
In was für einer Welt leben wir denn, in der man über die Liste der vorgeschlagenen Freunde erfährt, wer alles zum gleichen Arzt geht? Das ist eine private Angelegenheit, die man nun anscheinend nicht mehr kontrollieren kann. Warum der Algorithmus bei Facebook nun gerade so funktioniert, liegt höchstwahrscheinlich an den aktuellen Neuerungen: Durch den Datenaustausch von WhatsApp und Facebook kennt Facebook nun auch das komplette Telefonbuch eines Users. Da die Patienten die Nummer der Psychiaterin in ihren Kontakten gespeichert haben und anders herum, die Psychiaterin die der Patienten, hat Facebook hier einen Bezug gesehen. Eine andere Möglichkeit ist, dass die Patienten immer den gleichen Ort aufsuchten – die Praxis, und somit wurde dieser Ort zur Gemeinsamkeit. Beide Arten der Verbindungen bilden für Facebook anscheinend die Grundlage, sie einander als Freunde vorzuschlagen.
Auch der andere „Vorteil“ – die personalisierte Werbung – ist eher fragwürdig. Möchte ich denn immer auf mich genau zugeschnittene Werbung erhalten? Bzw. was heißt überhaupt „auf mich zugeschnitten“? Viele Interessen lassen sich natürlich aus dem Verlauf, dem Suchverhalten und sonstigen Aktivitäten im Netz herauslesen. Doch kann es hierbei schließlich auch Fehlinterpretationen geben. Die Häufigkeit des Seitenbesuchs bedeutet schließlich nicht unbedingt eine positive Konnotation. Ist es außerdem nicht auch schön, den Horizont mal zu erweitern? Hierbei geht es schließlich nicht nur um Werbung, sondern zum Beispiel um Artikel, die einem vorgeschlagen werden. Gerade da sollte die Vielfalt doch erhalten bleiben.
Facebook hat ein komplettes Netz der Intransparenz gewoben, das immer weiter ausgedehnt wird. Als Reaktion darauf hat Facebook aktuell den Negativpreis Verschlossene Auster von der Journalistenvereinigung Netzwerk Recherche erhalten. Kritisiert wird damit vor allem die mangelhafte Transparenz des Unternehmens bei Hasskommentaren. Es liege natürlich nicht in der Verantwortung der Firma, dass Menschen Facebook für solche Botschaften missbrauchen – wie damit umgegangen werde allerdings schon. Laut Thilo Weichert, Jurist und Ex-Datenschutzbeauftragter des Landes Schleswig-Holstein, hat dieses „Wegducken [Facebooks] verbunden mit der Verbreitung von Jubelmeldungen“ System. Schon seit Jahren verweigere sich Facebook der kritischen Öffentlichkeit. Das Unternehmen sei kaum zugänglich und stelle sich keiner Diskussion.
Dieses System der Intransparenz ermöglicht Facebook vor allem, Geld mit den Nutzerdaten zu verdienen. Schon lange führt Facebook immer wieder neue Funktionen oder Veränderungen der Einstellungen ein, die man gar nicht mitbekommt. Hat man es bemerkt, lassen sie sich meist nur unter großem (Such-)Aufwand wieder abstellen. Der Datenaustausch von WhatsApp und Facebook stellt nun eine ganz neue Dimension des Datensammelns dar.
Eigentlich fragt man sich, warum man überhaupt noch Mitglied ist. Doch nach wie vor ist es so, dass eine Mitgliedschaft vieles erleichtert – seien es Gruppen, die die Organisation vereinfachen, Veranstaltungen, von denen man sonst nichts erfahren hätte, oder der neuseeländische Freund, zu dem man sonst kaum eine Kontaktmöglichkeit hätte. Facebook hat bereits einen so großen Part in der Gesellschaft eingenommen, dass eine Abmeldung erst einmal einiges verkomplizieren würde. Bei WhatsApp ist es ganz ähnlich – natürlich gibt es Alternativen, aber wer nutzt diese schon? Häufig ist man dann doch so sehr Gewohnheitstier, dass man all diese Veränderungen nach lautem Geschrei doch wieder akzeptiert und sich weiterhin als eine Marionette in dem bösen Spiel benutzen lässt.
Übrigens: Um den neuen AGBs nicht zuzustimmen, gibt es ganz unten in der Zustimmungsnachricht von WhatsApp – unterhalb von „Zustimmen“ – einen Link hinter „Lies unsere Nutzungsbedingungen und Datenschutzrichtlinien […]“. Folgt man diesem Link, müssen Android-Nutzer nur noch den Haken aus dem Auswahlkästchen entfernen bzw. iPhone-Nutzer den Schieberegler nach links schieben.
Sind die AGBs bereits akzeptiert, kann man diese bei WhatsApp bis 30 Tage nach Zustimmung noch widerrufen: Unter dem Menüpunkt „Account“ (innerhalb der Einstellungen) gibt es ganz unten den neuen Eintrag „Meine Account-Info teilen“ mit einem gesetzten Haken dahinter. Dieser muss einfach entfernt werden. Leider können die Daten nach wie vor mit Facebook geteilt, nicht aber für personalisierte Werbung genutzt werden.