„Warum gibt es eigentlich keinen „Presserat“ für das Fernsehen?“

„Warum gibt es eigentlich keinen „Presserat“ für das Fernsehen?“ frage ich mich immer wieder, zum Beispiel wenn sich Zuschauer bei der Jugendschutzhotline über „unverantwortlichen Journalismus“ beschweren. Jugendschutzkriterien sind von solchen Beschwerden selten berührt, vor allem auch deshalb, weil bei Tagesaktuellem und bei Nachrichtenbeiträgen in der Regel das so genannte Berichterstattungsprivileg des § 5 Abs. 6 JMStV greift. Das heißt, selbst wenn ein Nachrichtenbeitrag für jüngere Kinder ängstigende Momente enthält, ist die Ausstrahlung in der Regel auch im Tagesprogramm zulässig. Auch für Szenen, in denen etwa ein Junge von Polizisten verprügelt wird oder ein gerade eben erschossener, aus dem Fenster seines Fahrzeugs hängender Geiselnehmer zu sehen ist, gilt: Das Informationsinteresse des Zuschauers ist, wenn es um Berichterstattung geht,  stärker zu gewichten als der Jugendschutz. Allerdings sieht der Gesetzgeber eine Grenze dort gegeben, wo ein berechtigtes Interesse an einer bestimmten Art der Darstellung nicht mehr zu erkennen ist. Das wirft in der Praxis viele Fragen auf, wieder muss im Einzelfall abgewogen werden zwischen der Berichterstattungsfreiheit ( also auch dem notwendigen redaktionellen Gestaltungsspielraum) der Sender und der Redakteure einerseits und dem Jugendschutz auf der anderen Seite. Es erscheint mir absurd, dass sich eine so grundlegende Güterabwägung – Jugendschutz versus Berichterstattungsfreiheit – an einer einzigen Zeitlupe, an der Wiederholung einer Sequenz bereits gezeigter Bilder, an ein oder zwei als „selbstzweckhaft“ oder „spekulativ“ geschmähten Großaufnahmen entscheiden soll, aber mitunter ist es so. Wäre es da nicht sinnvoller, auch die Fernsehjournalisten würden sich selbst gewisse Qualitäts- bzw. ethische Standards auferlegen, oder zumindest hin und wieder darüber diskutieren?

©Luise Weigelt
©Luise Weigelt

Eine solche Diskussion könnte auch Wind aus den Segeln staatlicher Stellen nehmen – denn dass eine Vermischung von Regulierung im Jugendschutzbereich mit Kritik an journalistischen Darstellungsweisen (oder schlimmer noch: Inhalten) alles andere als wünschenswert ist, zeigt ein Blick nach Ungarn. Vielleicht könnte ein solcher TV-Rat sogar dazu beitragen, bei Dokutainment-  und Scripted-Reality-Formaten zu einer deutlicheren Unterscheidbarkeit von dokumentarischen, journalistischen und rein fiktionalen Unterhaltungsformaten zurückzufinden – auch aus Respekt vor dem Zuschauer.

Über Christina Heinen

Christina Heinen studierte Soziologie und absolvierte ihr Volontariat an der Journalistenschule der Evangelischen Medienakademie in Berlin. Sie arbeitete als freie Journalistin mit den Schwerpunkten Medienthemen, Film- und Fernsehkritik und ist seit 2004 hauptamtliche Prüferin bei der FSF.