Die Suche nach neuen Kontakten, Inspirationen und Orientierungspunkten ist kein historisches Phänomen der heutigen Zeit, sondern ein normaler Nebeneffekt der Adoleszenz. Die Meinungsbildung und -ausprägung findet heute im Internet statt. Die Kommunikation im Netz ist für Jugendliche selbstverständlicher Bestandteil ihres sozialen Lebens. Das Internet bietet in einem demokratischen Land mit Meinungs- und Pressefreiheit den idealen Raum zur Erkenntnisgewinnung, Erforschung globalen Wissens und Verbreitung der eigenen Ideen, Meinungen und Probleme. Auf der Kehrseite bietet das Netz viel Raum für Radikalisierung, Hetze und Fakenews. Dahinter stehen Extremisten, die erschreckend professionell auftreten und gezielt für ihre Gesinnung werben, um Jugendliche mit menschenverachtenden Ideologien zu beeinflussen.
Vor fast zwei Jahren, im Juli 2016, verließ die junge Teenagerin Linda ihr Zuhause mit der Absicht, erstmal nicht zurückzukehren. Die Jugendliche folgte den Rufen der Terrormiliz IS im Netz bis nach Syrien. Wie es dazu kam, erklärt ein Blick in ihre Vergangenheit. Daheim ließen sich die Eltern gerade scheiden, Linda fühlte sich alleine und unbeachtet. Zuvor lernte sie im Internet eine 15-jährige Muslima aus Hamburg kennen – ihretwegen und aus eigener Sehnsucht nach Geborgenheit konvertierte Linda zum Islam. Eine kurze Zeit später wurde sie weltbekannt als das deutsche Mädchen, das nach Syrien auswanderte und der Terrormiliz IS beitrat.
Linda W. wurde durch die digitale Propaganda im Internet mobilisiert. Der IS ist nicht der einzige Verband, der sich das Internet für Propagandazwecke zunutze macht. „Deutschland gegen Kindesmissbrauch“ wirbt eine Facebook-Gruppe mit mehreren Tausend Abonnenten und Likes. Hinter dieser Gruppe steckt die NPD und nach dem Motto „Keiner tut was dagegen, aber wir“ werden auf perfide und simple Weise Leute angesprochen, die generell unzufrieden sind und sich vielleicht – wie Linda W. – nach Zugehörigkeit sehnen. Nachdem eine rechtsextremistische Partei wie die NPD neue Zuhörer anlockt, wird bewusst emotionsgelenkt gegen bestimmte Bevölkerungsgruppen gehetzt und die Gesellschaft gespalten.
Kinder und Jugendliche, die einen Großteil ihrer Freizeit im Internet verbringen, sollten für bestimmte problematische Inhalte ausreichend sensibilisiert werden. Sie sollten den Ideologien extremistischer Gruppen, wie der Hetze gegen bestimmte Nationalitäten oder Religionen reflektiert gegenüberstehen können. Ziel ist es, aktiv und selbstbestimmt eine demokratische (Netz-) Gesellschaft mitzugestalten und zu erfassen. Dazu brauchen die Kinder und Jugendlichen Wissen, Kompetenzen und Reflexionsvermögen. Das Lehrmaterial Medien in die Schule – Hass in der Demokratie begegnen hat sich die Vermittlung dieser Kenntnisse als Schwerpunkt gesetzt. Ziel ist der Ausbau der eigenen Kritikfähigkeit und die selbstständige Einordnung der eigenen Position und des eigenen Handelns.
Das Unterrichtsmaterial ist in vier Module unterteilt. Ausgangspunkt der Module ist es, ein Bewusstsein für das Zusammenleben in unserer Gesellschaft zu schaffen und auf unsere demokratische Wertegemeinschaft aufmerksam zu machen.
Das Modul Demokratie bietet einen Einstieg in das Thema. Nachdem die eigenen Vorstellungen der Schülerinnen und Schüler von einer Demokratie zusammengetragen werden, soll nach der eigenen Verantwortung und den Möglichkeiten der Mitgestaltung gefragt werden. Im zweiten Modul Rechtsextremismus online soll zunächst die Frage geklärt werden, was Rechtsextremismus überhaupt bedeutet, und wie er sich im Netz äußern kann. Wenn ein rechtsextremer Inhalt erst einmal entlarvt wurde, bieten viele Internetportale die Möglichkeit, einen Inhalt zu melden oder zu löschen.
Im Modul Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit wird vor allem klargestellt, wie typische Vorurteile einzuordnen sind und, dass lustig nicht immer gleich lustig ist – in Bezug auf satirische und humoristische Inhalte. Viele Inhalte werden ohne böse Absicht geteilt, obwohl sie beleidigend für bestimmte Menschen sein können. Das letzte Modul Hate Speech beleuchtet, wie sehr Sprache verletzen kann. Die Jugendlichen können hier lernen, wie mit Hetze im Netz umzugehen ist und wie man sich selbst für mehr Demokratie einsetzen kann.
Übergreifend soll das Lehrmaterial darauf aufmerksam machen, dass Demokratie auf der einen Seite von einem Wertepluralismus lebt und sich auch nur durch den ständigen Austausch in der Gesellschaft selbst erhält. Auf der anderen Seite ist das Ausgrenzen und Vertreiben von Einzelnen, ganzer Kulturen oder Andersgläubiger ganz und gar nicht Sinn einer Demokratie, sondern ihre größte Gefahr.
Informationsvideos sind im YouTube-Channel von Medien in die Schule zu finden. Und weitere Informationen sowie die kostenfrei herunterzuladenden Unterrichtsmaterialien zum Gemeinschaftsprojekt von FSF, FSM, Google, DsiN, Telefonica, der Auerbach Stiftung und der Amadeu Antonio Stiftung Medien in die Schule gibt es hier.