2011. Meine Freunde und ich schauen uns zum ersten Mal die Serie Californication in der Wohnung meiner Eltern an. Ich bin beeindruckt, Hank Moody (David Duchovny) führt das Leben eines Gewinners. Auch wenn die Serie suggeriert, dass durch seine Alkohol- und Familienprobleme eher das Gegenteil der Fall ist, rezipiere ich sie aus einer anderen Perspektive. Hank Moody ist groß, durchtrainiert, eloquent und hat enormen Erfolg bei Frauen. Vor allem letzteres finde ich sehr beeindruckend – wird ein Mann wie er wirklich so oft und direkt von hübschen Frauen angesprochen, mit denen er dann nach sehr kurzer Zeit im Bett landet? Und ist es möglich, so durchtrainiert wie er zu sein, obwohl er scheinbar nur von Kaffee, Kippen und Alkohol lebt?
Selbstverständlich nicht. Auch wenn ich als junger Mensch dies teilweise angezweifelt habe, war mir bewusst, dass es sich hier um Fiktion handelt.
Was für Spielfilme und Serien relativ eindeutig ist, ist bei der Berichterstattung etwas komplizierter. Die täglichen Nachrichtensendungen geben nicht die Realität wieder, sondern das, was Nachrichtenagenturen und Journalisten in Redaktionen bzw. ihre Leser für wichtig erachten, somit nur einen Ausschnitt des Geschehens. Dies gilt allerdings nur für Nachrichten aus Ländern, die nicht der Zensur unterstehen. Die Deutsche Wochenschau hatte sicherlich weniger mit der damaligen Realität zu tun als so manch gut recherchierter Spielfilm über die Nazizeit.
Ist das nachgespielt oder wirklich so passiert?
Schwieriger gestaltet sich diese Frage bei Formaten des Reality-TV. Während in den 1990er-Jahren Talksshows die Ära des Reality-Fernsehens eingeleitet haben, bestimmt heute vor allem Scripted Reality diese Sparte des Fernsehens. Mit Berlin – Tag & Nacht, Köln 50667 oder Mitten im Leben hielten Formate Einzug, bei denen jugendliche Rezipienten nicht vollends erkennen können, ob es sich um fiktionale, nachgestellte oder wahre Geschichten handelt.

Dieser Thematik, Realität von Fiktion unterscheiden zu können bzw. das Unterscheidenkönnen zu lernen, widmet sich das Unterrichtsmaterial Realität und Fiktion in den Medien des Gemeinschaftsprojekts Medien in die Schule. Es bietet pädagogisches Lehrmaterial, mit dem Lehrer ihre Schüler für diese Themengebiete sensibilisieren können. Die einzelnen Unterrichtseinheiten bestehen aus Aufgaben und Lernzielen mit entsprechender zeitlicher Einordnung. Jedes Unterrichtsmaterial besteht aus drei Modulen.
Modul I beschäftigt sich vor allem mit der Erklärung und Unterscheidung der Begrifflichkeiten REALITÄT und FIKTION und wie man diese in den Medien erkennen kann.
Das letzte Modul widmet sich der Unterscheidung von virtueller Realität und realer Welt. Vor allem im Internet sind Informationen zwar schnell aufzufinden, jedoch gestaltet es sich immer schwierig, diese zu verifizieren. Auch sollen die Schüler dafür sensibilisiert werden, dass es gefährlich ist, erfundene Informationen ins Netz zu stellen. Allerdings sind auch reale Informationen in mancher Hinsicht problematisch (Preisgeben privater Details).
Abschließend sollen die Schüler auch auf die Risiken der virtuellen Welt hingewiesen werden. Dabei können sie beispielsweise in verschiedene Gruppen (Wissenschaftler, Journalisten und Produktentwickler) eingeteilt werden und in einem Interview vor der Klasse ihre Ergebnisse präsentieren.
Nicht die Realität, die du kennst, aber die, von der du träumst
Letzteres ist in dem Maße interessant, weil Fiktion nicht immer versucht, Wirklichkeit nachzustellen, sondern sich bewusst von dieser distanziert. Science-Fiction- oder Fantasyinhalte wollen bewusst ein völlig anderes Bild einer fiktiven Welt vermitteln.

Schließlich formuliert das Material das Ziel, dass die Zuschauer lernen sollen, Gezeigtes klar kategorisieren zu können. Auch wenn ich als Jugendlicher beim Schauen von Californication von der Hauptfigur zeitweise extrem fasziniert war, ist es wichtig, diese nicht als reale Identifikationsfigur einzuordnen. Den Zuschauern sollte stets bewusst sein, dass mediale Inhalte zur Unterhaltung meist fiktiv sind. Hat man das im Hinterkopf, fällt es dem Rezipienten leichter, Fernseh- oder Onlineinhalte der richtigen Sparte zuzuordnen.
***
Weitere Informationen zum Gemeinschaftsprojekt von FSF, FSM, Google, DsiN, Telefonica, der Auerbach Stiftung und der Amadeu Antonio Stiftung Medien in die Schule gibt es hier.