Liegt eine Zukunft ohne FSF vor uns? Diese apokalyptische Vision malt eine neue Science-Fiction-Serie aus, in der die Kinder und Jugendlichen nach dem Schulunterricht nicht mehr zur Fernbedienung greifen, auch nicht ihr Notebook aufklappen oder ihr Smartphone zutexten. Genau genommen habe ich noch nicht mal einen Schulunterricht gesehen, in dieser Schönen neuen Welt, die – und das spart ja auch Geld – genauso aussieht wie ihre Vergangenheit, nur schlechter gepflegt.
Da irgendwo an prominenter Stelle der Name J.J. Abrams zu lesen war, dem wir herrlich paranoide Denksportaufgaben wie Lost, Fringe oder Person of Interest verdanken und der sich gerade nicht nur in den Star Trek-, sondern neuerdings auch den Star Wars-Märchenkosmos reinhängt, wissen wir, dass auch diese Franchise auf einer griffigen Formel beruht: „Was wäre, wenn …“ überall der Strom ausgeht?!
Ja, was dann? Vielleicht bin ich mäkelig, aber ich finde, die Serienmacher lassen da einiges an Optionen links liegen, nur damit hübsche Mädchen mit Pfeil und Bogen durch die Wälder streifen und edle (naja) Ritter wieder zum Schwert greifen, wenn einer dumm kommt. Und bevor ich in die Hände klatschen und Planet der Affen oder Tribute von Panem rufen kann, liegen schon die ersten Hauptfiguren unter der Erde. Die Darsteller (Tim Guinee; Elizabeth Mitchell) sind keine Unbekannten, also werden sie wohl noch eine Weile in der Rückblendenhölle ihren Dienst verrichten oder sich überraschend als quicklebendig herausstellen.
Abrams und Serienerfinder Eric Kripke (Supernatural) lieben es verschachtelt, und natürlich schlummert irgendwo in der Vergangenheit bzw. auf einem kleinen Amulett mit Computerstick der Schlüssel zu dem Elektriktrick, den alle haben wollen.
Vermutlich weil es eine Abenteuerserie sein soll, konzentrieren sich die Bemühungen aller Parteien vor allem auf einen Aspekt der Technologiekrise: die Beschaffung (und unermüdliche Anwendung) alternativer Waffen. Das erzählt sich im Galopp dann so:
Ein ehemaliger Wissenschaftler wird von der Miliz eines brutalen Diktators aufgespürt und ermordet. Sein bester Freund rettet den Computerstick, auf dem sich vermutlich Informationen zum großen Blackout vor fünfzehn Jahren befinden, und macht sich auf den Weg, das Geheimnis zu lüften. Die Tochter des Wissenschaftlers will ihren entführten Bruder retten und bittet ihren Onkel um Hilfe, einen mysteriösen Einzelkämpfer mit Vergangenheit. Dessen Ex-Flamme, eine Sprengstoffexpertin, begibt sich in Lebensgefahr, um ein altes funktionstüchtiges Gewehr zu stehlen. Mit der Waffe will sie die Rebellen unterstützen, die den Diktator bekämpfen, der allerdings ein alter Freund des Onkels ist …
Die Strickmaschine könnte endlos weiterrattern, das kennen wir seit Lost. Doch was klingt wie Robin Hood und Sherwood Forest und visuell angelehnt ist an den amerikanischen Sezessionskrieg und dessen hinterwäldlerische Wildheit, bleibt im Herzen doch eine bemerkenswerte Variante von Science-Fiction – auch wenn die Science in dieser Fiction gut verborgen in einem alten Turm still vor sich hin blinkt.
Revolution folgt erstmal der Logik seiner Vorgänger, all der Aliens-, Roboter- und Zombie-Invasionen, die mal in besonders cleanem, mal in besonders schrubbeligem Zukunftsdesign einen großen Umbruch für die Menschheit einleiten. Auch hier läuft etwas schrecklich aus dem Ruder. Und bricht erst einmal eine Säule der Zivilisation weg – irgendeine -, dann zeigt sich bald, was der Menschheit von ihrer Menschlichkeit geblieben ist.
Aber warum faszinieren uns diese Endzeitfantasien, warum sind The Walking Dead und Game of Thrones (die ja auch nichts anderes ist mit ihrem Panoptikum der Regression) so überaus erfolgreich – unabhängig davon, ob sie gut gemacht sind oder nicht? Formulieren diese Serien eine Legitimation für Egoismus, sehen wir in ihren monströsen Verwicklungen das Sterben unserer solidarischen Gesellschaft gespiegelt? Von Schuld und Versagen erzählen auch andere Serien, vom Entsetzen über sich selbst – ob sarkastisch (Californication) oder mit blutigem Ernst (Spartacus), von einer Identität, die immer verschwommener wird (in Hannibal, Orphan Black oder Real Humans), und überhaupt vom Untergang vertrauter Konstanten in Raum und Zeit (von Resurrection bis Fringe), der uns völlig überfordert.
Doch genau darin unterscheidet sich Revolution auch: deren Protagonisten finden sich verblüffend schnell mit dem neuen Zustand ab. Keine Zweifel an den eigenen Fähigkeiten und Grenzen. Keine Scham über die Veränderungen, die sie an sich selbst feststellen, wie sie noch die verzweifelte Personnage aus The Walking Dead bei jedem Massaker durchleidet. Kein Hadern, kein Kotzen und Heulen, wie bei den blind herausgepickten Opfern eines perfiden Kettenbriefs in Chosen, die von einer Sekunde zur anderen plötzlich entscheiden müssen, ob sie morden oder sterben.
In Revolution geht es nicht mehr um moralische Konflikte. Hier regiert ein trockener Pragmatismus, das Sichern von Pfründen, der Kampf um Reserven, um Allianzen und Sachzwänge, die jeder irgendwann einsieht. Die Serie formuliert Gute und Böse, Helden und Antihelden wie Schablonen, als fühle sie sich dazu verpflichtet. Viel lieber konstatiert sie, ohne Empathie, wie alle ihren Vorteil suchen und wie Automaten ihre Ziele verfolgen. „Das Schreckliche auf dieser Erde ist, dass jeder seine Gründe hat“, sagte Renoir in einem seiner Filme. Vielleicht ist Revolution realistischer als andere Serien.
Revolution startet heute, am 27. November 2014, um 22.15 Uhr mit einer Doppelfolge in deutscher Free-TV-Premiere auf RTL. Am 28. November zeigt RTL NITRO vier Folgen hintereinander ab 20.15 Uhr. Danach läuft Revolution regulär immer freitags bei RTL NITRO um 22.00 Uhr. (Hinweise zu den Ausstrahlungsdaten).
Bei der Sichtung der ersten drei Episoden der Endzeitserie wurde im FSF-Prüfausschuss über mögliche Wirkungen durch gezeigte Gewalt und eine damit eventuell einhergehende Ängstigung diskutiert: Das Recht des Stärkeren wird mittels Gewalt auf allen Seiten durchgesetzt. Den Gewalt- und Bedrohungsszenen sind zum Teil ausreichend Entlastungs- und Distanzierungsmomente entgegengestellt, so dass ab 12-Jährigen die Verarbeitung des alltagsfernen Stoffs im Hauptabendprogramm (20.00 – 22.00 Uhr) zugetraut wurde – einzelne Gewaltspitzen wurden dabei mit Schnittauflagen belegt. In einigen Episoden überwiegt dagegen die Gewaltprägung so deutlich (Folter, Hinrichtungen, Selbstjustiz), dass nur eine Freigabe ab 16 Jahren (Spätabendprogramm: 22.00 – 23.00 Uhr) in Betracht kam.
Zur ausführlichen ProgrammInfo auf der FSF-Website geht es hier.
Bitte beachten Sie: Bei den Altersfreigaben handelt es sich nicht um pädagogische Empfehlungen, sondern um die Angabe der Altersstufe, für die ein Programm nach Einschätzung der Prüferinnen und Prüfer keine entwicklungsbeeinträchtigenden Wirkungsrisiken mehr bedeutet.
Mehr Informationen zur Programmprüfung erhalten Sie auf unserer Website. Dort veröffentlichen wir jede Woche neue ProgrammInfos zum aktuellen Fernsehprogramm. Auch diese Auswahl stellt keine Empfehlung dar, sondern zeigt einen Querschnitt der Programme, die den Prüfausschüssen der FSF von den Mitgliedssendern vorgelegt werden.