Und nach dem Sandmännchen Bruce Lee

(zumindest fast)

Der Mann schlägt und tritt und schreit, nicht selten im Dienste einer guten Sache und oft herausgefordert von mitunter vielfachen Gegnern, die auch schlagen und treten und schreien. Sie gehen zu Boden und stehen wieder auf, wie auch er zu Boden geht und wieder aufsteht. Doch mitunter gibt es Tote und nicht selten ist es am Ende sogar der Mann, der stirbt.

Kampfsportler und Schauspieler 李小龍 oder 李小龙, besser bekannt als Bruce Lee, wahlweise auch „die Todesfaust“, „die Todeskralle“ oder Überbringer von „Todesgrüßen“ ist zurück auf dem Bildschirm. Ab heute zeigt der Genresender Tele 5 immer montags, 20.15 Uhr in seinem „Asia“-Programmfenster einige Highlights aus dem Schaffen dieser – wohl auch durch seinen frühen Tod im Alter von 32 Jahren zu einer solchen gewordenen – Ikone des Martial-Arts-Films.

Vor dem Hintergrund der gewaltgeprägten Handlungsmomente dieser Filme und ihrer langwierigen bundesdeutschen Prüfhistorie seit den frühen 1970ern mit deren restriktiv anmutenden Prüfentscheidungen – Freigabe ab 18 Jahren für integrale Kinofassungen oder Verweigerung des Kennzeichens durch die FSK, Indizierung in den 1980er-Jahren durch die BPjS (heute: BPjM) und Aufnahme in die Liste der jugendgefährdenden Schriften, weitere FSK-Freigaben für umfangreich bearbeitete Schnittfassungen ab 16 Jahren für Videoauswertungen sowie Listenstreichung 25 Jahre später und erneute FSK-Prüfung der integralen Fassungen nicht selten mit dem Ergebnis „Freigegeben ab 16 Jahren“ – mag der nun von der FSF-genehmigte Sendeplatz im Hauptabendprogramm erklärungsbedürftig erscheinen. Doch es ist ganz einfach.

Wie häufig in der Sendeschiene ab 20 Uhr bekommt der Zuschauer auch hier nicht die Originalfassungen der Filme zu sehen. Vielmehr handelt es sich um Schnittfassungen, bei denen den jugendmedienschützerischen Bedenken der zahlreichen FSK-, BPjS- und FSF-Vorinstanzen durch umfassende Bearbeitung der Gewalt- und Kampfmomente seitens des Antragstellers Rechnung getragen wurden. Spitzenreiter am „Schneidetisch“ ist der Film Bruce Lee – Todesgrüße aus Shanghai, der mit 34 Schnitten um fast 6 Minuten gekürzt wurde.

Doch was muss eigentlich entfernt oder gekürzt werden, damit es ehemals indizierte Filme härterer Gangart bis ins Hauptabendprogramm schaffen können? Bei Lee sind es beispielsweise Bilder und Sequenzen mit expliziten Darstellungen drastischer oder exzessiver Gewalt, darunter der Körpereinsatz von Äxten, Sägen, Messern oder Fleischerhaken sowie Tötungen und Folterungen, auch in der sadistischen Ausprägung. Hinzu kommen Siegerposen oder Momente, die Gewalt in den genannten Spielarten zu eindeutig goutieren oder selbstjustizielles Verhalten zu stark feiern.

Was aus den Filmen nach der Bearbeitung wird, liest sich im FSF-Gutachten dann wie folgt: „Auch unter zeitgenössischen Maßstäben wirkt die im Film gezeigte Gewalt eher weniger attraktiv. Die Bewegungen sind langsam und die Spannung moderat, die Kampfhandlungen wirken merkwürdig hölzern und die Posen überzeichnet und auch auf mimischer und akustischer Ebene kommt die Alterung des Filmes deutlich zum Tragen.“ (zit. nach FSF-Prüfgutachten zu Bruce Lee – Die Todesfaust des Cheng Li). Bezüglich ihrer Wirkung wurde konstatiert: „Obgleich also der Film die vermeintliche Attraktivität der gezeigten Kämpfe nutzt, um diese in ihrer Häufigkeit als Unterhaltungsfaktor einzusetzen, reicht dies in der konkreten Ausformung unter heutigen Maßstäben nicht, eine unzulässige Aggressionsförderung zu attestieren.“

Die Schnittpraxis des Antragstellers folgt programmpolitischen Erwägungen, die Eingriffe sind somit marktorientiert und ökonomisch begründet. Mag dies schon für den interessierten Zuschauer oder auch unter filmhistorischen und -philologischen Aspekten problematisch sein, für Fans des Genres und Kampfsportanalytiker ist es ein Sakrileg.

Dass sich daraus mitunter auch für den Kinder- und Jugendmedienschutz Schwierigkeiten in der Bewertung ergeben, sei als Nachricht aus dem Prüferleben erwähnt. Wenn Handlungszusammenhänge gekappt, erkennbare Motivlagen für Gewalteinsätze verunklart, getilgt oder in ihr Gegenteil verkehrt werden oder Bilder aus der Opferperspektive entfernt werden, erscheint mancher Schnitt hinsichtlich der Klärung  bzw. Reduzierung möglicher Risiken einer Gewaltbefürwortung bzw. -förderung oder sozialethischer Desorientierung problematisch.

Ausstrahlungsdaten zu den Martial-Arts-Filmen mit Bruce Lee auf Tele 5
23.01.2017, 20.15 Uhr: Bruce Lee – Die Todesfaust des Cheng Li
30.01.2017, 20.15 Uhr: BruceLee – Todesgrüße aus Shanghai
06.02.2017, 20.15 Uhr: Bruce Lee – Die Todeskralle schlägt wieder zu
13.06.2017, 20.15 Uhr: Bruce Lee – Mein letzter Kampf

FSF: freigegeben ab 12 Jahren | Hauptabendprogramm © FSF

FSF: freigegeben ab …

Alle ab heute im Zeitraum von vier Wochen immer montags zur Primetime ausgestrahlten Bruce-Lee-Filme auf Tele 5 erhielten eine Freigabe für das Hauptabendprogramm, Beeinträchtigungen für Jugendliche und ältere Kinder ab 12 Jahren sind nicht zu befürchten. Freigaben für das Tagesprogramm kamen jeweils nicht in Betracht aufgrund der Vielzahl an Gewalthandlungen und ängstigenden Momenten. Weitere Einzelheiten zu den Freigabeentscheidungen der FSF gibt es auf der FSF-Website.

Bitte beachten Sie: Bei den Altersfreigaben handelt es sich nicht um pädagogische Empfehlungen, sondern um die Angabe der Altersstufe, für die ein Programm nach Einschätzung der Prüferinnen und Prüfer keine entwicklungsbeeinträchtigenden Wirkungsrisiken mehr bedeutet.

Mehr Informationen zur Programmprüfung erhalten Sie auf unserer Website. Dort veröffentlichen wir jede Woche neue ProgrammInfos zum aktuellen Fernsehprogramm. Auch diese Auswahl stellt keine Empfehlung dar, sondern zeigt einen Querschnitt der Programme, die den Prüfausschüssen der FSF von den Mitgliedssendern vorgelegt werden.

Über Matthias Struch

Matthias Struch studierte Kunstgeschichte und Neuere Geschichte in Braunschweig, Halle und Berlin; seit 1994 im Kinder- und Jugendmedienschutz tätig: FSK, FSF (seit 2007 als Hauptamtlicher Prüfer); seit 1998 Kurator und Kustos am Filmmuseum Potsdam; seit 2003 Mitglied in der Nominierungskommission und Jury für den Adolf-Grimme-Preis; Veröffentlichungen zur Film- und Fernsehgeschichte (NS-Film, DEFA, DFF), zur Zensurgeschichte u.a.