Grimme-Preise 2019
Im Vordergrund der diesjährigen Grimme-Fernsehpreis-Gewinner stehen Gegenwartsthemen, mit denen sich unsere heutige Gesellschaft mal mehr und mal weniger auseinandersetzen muss. „Aktuelle komplexe Diskurse um Cyberkriminalität, Rechtspopulismus oder soziale Ungerechtigkeit“, die durch „mitreißend inszenierte, umfassend recherchierte, aber auch humoristische Geschichten transportiert werden“, beschreibt Frauke Gerlach, die Direktorin des Grimme-Instituts, die ausgezeichneten Werke.
Es werden 16 Preise vergeben, aufgeteilt auf vier Wettbewerbskategorien: Fiktion, Information & Kultur, Unterhaltung und Kinder & Jugend. Zusätzlich wird noch ein Preis von der Publikumsjury „Marler Gruppe“ verliehen. Alle Preise werden bei der offiziellen Verleihung des 55. Grimme-Preises am 5. April 2019 im Theater in Marl an die Preisträgerinnen und Preisträger übergeben.
Fiktion
In der Kategorie Fiktion sind dieses Jahr viele Serienformate vertreten. Mit Beat geht erstmalig eine Auszeichnung an die Streamingplattform Amazon. Die Serie handelt von der Berliner Technoszene und einem darin bestens vernetzten, grenzgängerischen Clubpromoter namens Beat. Dieser soll von innen heraus gegen die Kriminalität im Underground vorgehen und verfängt sich in einem Netz aus Drogen-, Waffen- und Menschenhandel. Spannend wird es neben Beat allerdings auch noch bei zwei weiteren Serien, die für die Kategorie Fiktion ausgezeichnet werden: Hackerville und Bad Banks.
In Hackerville – aus der Koproduktion von HBO Europe und TNT Serie entstanden – ermittelt eine Beamtin des BKA im Fall von rumänischen Computerhackern, die mit ihrer Spiellust die Grenzen von Gesetzen und Privatsphäre weit überschreiten. Während sie dem sechzehn Jahre alten Hacker „Dark Mole“ in der rumänischen Stadt Timisoara hinterherjagt, wird man als Zuschauer nicht nur in einen packenden Thriller verwickelt, sondern erfährt auch immer mehr über die Familiengeschichte der Beamtin, die selbst aus Rumänien stammt.
Die Serie Bad Banks spielt wiederum in einer ganz anderen Liga: Hier geht es weder um Drogenhandel noch Datenkriminalität, sondern gleich um die Millionen: Die Investmentbankerin Jana Liekam changiert zwischen zwei großen Finanzunternehmen hin und her und spielt ihr Insiderwissen geschickt zum eigenen Vorteil für die Karriere aus. Intrigen, Manipulation, Geld und Macht – die Grimme-Jury bezeichnete Bad Banks als „Studie darüber, wozu Menschen fähig sind“ und sie überzeugte besonders mit der Inszenierung der zwei komplexen Frauenfiguren, wie man sie im deutschen Fernsehen selten sieht (Pressemappe Grimme-Preis, S. 3). Die Produktion von ZDF und ARTE punktet mit für die Öffentlich-Rechtlichen überraschend wenig erklärenden Dialogen und einer Handlung, in der „alles für sich steht“, wie Ursula Scheer von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung schreibt.
Weitere Auszeichnungen im Bereich Fiktion erhalten außerdem die Komödie Familie Lotzmann auf den Barrikaden und ein Spezialpreis geht an den Tatort: Meta, der wie Beat in der Hauptstadt spielt.
Information & Kultur
Macht, Intrigen und soziale Ungleichheit spiegeln sich auch in den Inhalten der Gewinner aus dem Bereich Information & Kultur wider. So werden das Team von Docupy für den Dreiteiler Die Story: Ungleichland – Reichtum, Chancen, Macht (WDR) nebst zugehörigem Online-Konzept prämiert, das Matthias Struch – diesjähriges Jury-Mitglied in der Kategorie Information & Kultur – sehr beeindruckt hat. „Es befasst sich mit einem der drängendsten sozialen Probleme unserer Zeit, der Ungleichheit, und bietet Analyse und Aufklärung im besten Sinne. Der erschreckende Befund: Angefangen bei Wohnung und Bildung bestimmt in Deutschland in nahezu allen wesentlichen Bereichen des sozialen und gesellschaftlichen Lebens das Geld die Möglichkeiten der Teilhabe daran und das Bewusstsein. Die Auswirkungen betreffen dabei nicht nur den Einzelnen, sondern das soziale Miteinander und das demokratische Gefüge insgesamt. Fernsehen, wie es relevanter derzeit kaum zu finden ist, und durch das Online-Konzept, weit darüber hinausgeht.“
Ebenfalls mit der Grimme-Trophäe ausgezeichnet werden die Dokumentationen Betrug – Aufstieg und Fall eines Hochstaplers (SWR), Kulenkampffs Schuhe (SWR/HR) und Die Story im Ersten: Am Ersten Rand (NDR/MDR). Die „Besondere Journalistische Leistung“ erhält Isabel Schayani für ihre Tagesthemen-Kommentare, Weltspiegel-Moderationen und WDRforyou-Beiträge.
Kinder & Jugend
Als jüngste der vier Kategorien werden im Bereich Kinder & Jugend Produktionen ausgezeichnet, bei denen sich dieses Jahr „endgültig bestätigt, dass die Entscheidung von Lucia Eskes und Frauke Gerlach, diese Kategorie einzuführen, sehr richtig war“, resümiert der Jury-Vorsitzende Torsten Zarges. Dank digitaler Inhalte hatte die Jury „das Gefühl, aus dem Vollen schöpfen zu können.“ Einer dieser Produktionen ist die Sketchserie Bohemian Browser Ballett (SWR/funk), in der aktuelle politische Kontroversen angesprochen werden. Zusätzlich wurde das Kinderformat Animanimals (KiKA/SWR) geehrt, das sich an Kleinkinder wendet. Der Grimme-Spezialpreis geht an Marco Giacopuzzi für „eine herausragende Autorenleistung, sein Gespür für Themen und Protagonisten und die sensible und berührende Umsetzung von Beiträgen zur Reihe Schau in meine Welt.“ (Pressemappe Grimme-Preis)
Unterhaltung
Nicht zuletzt hat auch Jan Böhmermann wieder Grund zur Heiterkeit: Seine Lass dich überwachen! – Die PRISM IS A DANCER Show, die er für das ZDF/ZDF Neo moderiert, wurde im Wettbewerb für Unterhaltung preisgekrönt. Daneben wurden die Macher von Kroymann (RB/SWR/NDR) und CATCH! Der große Sat.1 Fang-Freitag mit einem Preis bedacht.
Publikumspreis
Der Publikumspreis der „Marler Gruppe“, die dieses Jahr die Programme aus der Kategorie Information & Kultur gesichtet hat, geht an den Dokumentarfilm Im Schatten der Netzwelt – The Cleaners. Hierin kommen die Schattenseiten der Digitalität zum Ausdruck. Bei allen Vorzügen des Internets benötigt es immer noch Menschen in abgeschottenen Räumen, die besagtes Internet versuchen „zu säubern“.
Grimme-Preis
Der Grimme-Preis zeichnet seit 1964 für vorbildlich befundene TV-Produktionen und mittlerweile auch Inhalte für und von Mediatheken und Streamingplattformen wie Netflix und Amazon Prime aus. Er gilt, wenn auch undotiert, als einer der wichtigsten Preise für Qualitätsfernsehen und beinhaltet Preise der verschiedenen Grimme-Jurys und einen Publikumspreis.
Die Jury besteht aus unabhängigen Medienwissenschaftlern, Fernsehkritikern, Publizisten sowie Bildungsfachleuten. Im Jahr 2019 wurden insgesamt 70 Produktionen und Einzelleistungen aus über 850 Einreichungen nominiert.
Mehr Informationen zu den Nominierungen, der Jury und den Preisträgerinnen und Preisträgern finden sich auf der Website des Grimme-Preises: www.grimme-preis.de.