Aufbruch zur filmischen Reise ins Unbekannte
Vom 24.04 bis zum 28.04 geht es zwischen den Wänden der Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf wieder auf eine filmische Entdeckungsreise. Sehsüchte, das internationale Studierendenfilmfestival zeichnet die besten Debüt- und Studierendenfilme aus allen Ecken der Welt aus. Die Sektionen reichen von Spielfilm über Dokumentarfilm, Animation, Genrefilm, Kinder- und Jugendfilm, Retrospektive, Drehbuch bis zu 360°-Film.
Ob Filmschaffende oder Publikum – alle sind willkommen und dazu angeregt, in Panels, Workshops, Networking Events oder einfach beim Feiern und Filmegucken in einen Austausch zu treten. Organisiert wird das Filmfestival – wie jedes Jahr – in Eigenregie von den Studierenden der Filmuniversität selbst, die das Foyer, die Kinos und Seminarräume in kleine Inseln sinnlicher Erfahrung verwandeln.
explore:
Mit dem aktuellen Motto explore: widmet sich das Festival seinen Wurzeln: Die Sehnsucht danach, Neues zu sehen und zu erkunden. Denn jeder Film zeigt seinen ganz eigenen Blick auf die Welt und eröffnet einem immer wieder eine neue Perspektive. Ob vom sandigen Hügel hinunter, durch ein funkelndes Fernglas oder im Nacken der Protagonistin sitzend, Filme geben einem die Sicht auf unterschiedlichste Lebenswelten.
Das Festivalteam versteht das Motto auch als Aufruf an jeden, egal ob filmschaffend oder zuschauend, sich neuen Wegen zu öffnen. Ein Blick ins Unbekannte und über den Tellerrand hinaus lässt Grenzen verwaschen und Hürden schrumpfen.
Das wagt auch die Protagonistin des Sehsüchte-Trailers. Die Spannung, Neues zu erforschen und sich an eine neue Welt heranzutasten, wird geradezu sinnlich spürbar.
Vorab lugen wir schon einmal durch den Vorhang ins Programm des diesjährigen Sehsüchte:
We will survive (Dokumentarfilm, 29 Minuten, Deutschland, 2018)
Regie und Buch: Nele Dehnenkamp Produzent: Thomas Lechner Kamera: Bo-Christian Riederl-Petzold |
Schnitt: Jana Briesner Musik: Benedikt Immerz Ton: Jan Jonas Mielke |
We will survive sprüht nur so vor Lebensfreude und spielt dabei in einem Altersheim oder Haus, nämlich im Jolie-Roger-Haus. Hier begleiten wir die Bewohner/-innen und Pfleger/innen im Alltag und bei den kleinen Festlichkeiten, die gelegentlich stattfinden. Das Besondere am Julie-Roger-Haus? Hier kann jeder sein, wie er ist, ob schwul, lesbisch oder hetero, ob frisch verheiratet oder unglücklich verliebt. Sexualität ist nichts, was im Alter plötzlich ausgraut und vergessen ist. Deshalb gibt es zu Weihnachten anstatt kleine Jesus-Kind-Plätzchen auch nackte Tatsachen – Keks-Fräulein, -Männlein und -Transsexuelle… ach und einen Stripper, den gibt es auch.
Der Dokumentarfilm über das Haus strahlt viel Wärme aus, kommt den Bewohner/-innen sehr nah und zeigt, dass die Reise ins Alter nicht nur beige und grau ist. Der Film bricht mit unseren Vorurteilen über das Älterwerden. Dabei setzt er auf die alltäglichen Momente und das Zwischenspiel der Bewohner/-innen und Pfleger/innen. Nichts wird überdramatisiert, auch wenn jeder seine kleine, ganz eigene Geschichte hat.
Ursa Minor (Animationsfilm, 8 Minuten, Südkorea, 2018)
Regie, Buch und Produktion: Yearin Lee | Sound Design: Joe Farley |
Ursa Minor Trailer from Yearin Lee on Vimeo.
Der Animationsfilm Ursa Minor (Bezeichnung für das Sternbild des kleinen Bärs) ist kontrastreich. Knalliges Pink trifft auf Türkis. In dicken, harten Konturen ist die Geschichte eines kleinen Mädchens gezeichnet, die in einer okkulten Gemeinschaft, eingeschlossen in einer großen Kirche aufwächst. Ein plappernder Mann auf einem Bildschirm predigt stets die Boshaftigkeit einer wilden weiblichen Kreatur – halb Frau, halb Bär. Täglich das gleiche Spiel. Doch ab und an taucht ein Schatten in den verwinkelten Gängen auf und treibt unsere Heldin an, eine Entdeckung im Kern der Kirche zu machen.
Zeichnerisch sehr konsequent vermittelt der Film die Strenge, die kerkerhafte Atmosphäre und das Spiel mit Wiederholung, das dem kleinen Mädchen so unverständlich ist.
360° – eine neue Weise Film zu erzählen
360°-Technik ist nicht mehr bloß ein Gimmick. Es ist in die Medienwelt und Wirtschaft eingezogen und eröffnet neue Welten des Erzählens. Deshalb haben 360°-Filme gemäß dem Motto explore: ihren Platz im Festival gefunden und nun ihre eigene Sektion und Wettbewerb.
Die Zuschauer/-innen bekommen im 360°-Film die Freiheit, ihren Fokus selbst zu setzen. Dabei richten sie sich nach Blickrichtungen, Geräuschen etc. „Es hat was ganz natürliches. (…) So wie man in der Realität auch Aufmerksamkeit schenkt“, sagt Marvin Hoffmann, Mitglied des Kurationsteams der Sektion 360°. Für die Kunst der Narration kann das eine Herausforderung darstellen oder gerade eine Chance. Gleichzeitig verstärkt sich das Gefühl von Immersion. „Du hast eine andere Verbindung zum Menschen. Man ist Menschen näher.“, sagt Vincent Abert, ebenfalls Kurator der Sektion 360°-Film, denn das Gefühl ‘näher dran zu sein‘ kann stärker aufgebaut werden.
Diese zwei 360°-Filme aus dem Sehsüchte-Programm sind ein gutes Beispiel für ganz unterschiedliche Ansätze, mit der Freiheit des Publikums und der Bedeutung von Raum innerhalb der 360°-Technik umzugehen.
Fluchtpunkt (Spielfilm, 6 Minuten, Österreich, 2018)
Regie und Buch: Béla Baptiste Projekt und VFX Supervisor: Lee Niederkofler Produzentin: Lena Weiss Kamera: Alexander Dirninger Ton: Norbert Bichler Sounddesign: Bernd Dormayer Art Director: Winnie Küchl |
Kostüm: Veronika Harb Make-up: Thomas Mayr, Kiky von Rebental VR Compositing Lead: Oliver Rauter Spatial Audio Workflow: Michael Schreiber Video App Developer: Matthias Hürbe |
Schauspieler: Dolly Lewis, Peter M. Marton, Rita Radinger, Mark Blezinger, Matthias Kassmannhuber, Alexey Hartlieb-Shea, Valerie Huber, Shoshana Rae Stark |
Heute ist es soweit. Die Werke der aufstrebenden Künstlerin Carlotta Carlsen sollen auf ihrer Vernissage einem bedeutenden Kunstsammler vorgestellt werden. Ärgerlich, dass ausgerechnet jetzt ihr brutaler Ex-Freund einen Wutausbruch vor ihrer Tür hat. Und dann werden auch noch zwei Diebe auf der Flucht gesucht.
Die Situationscollage präsentiert vier verschiedene Räume, in denen sich die Charaktere ohne sichtbaren Schnitt hin- und her bewegen. So erzählt der 360°-Spielfilm Fluchtpunkt temporeich verschiedene Erzählstränge parallel, die visuell und inhaltlich verbunden sind. Der komplexe Plot sorgt dafür, dass es immer etwas Unterhaltsames zu sehen und zu hören gibt, egal in welche Richtung man den Kopf reckt. Die Technik des Special Audio passt zudem die Tonspur an die Blickrichtung an. Gelenkt wird man gelegentlich durch besonders prägnante Geräusche, um die entscheidenden Plotpoints zu erfassen. Dennoch kann für jeden einzelnen die Seh- und Hörerfahrung eine ganz andere sein. Sowohl Story als auch Gestaltung des Films funktionieren getreu dem Motto ‚aus Zufälligkeiten entsteht etwas Neues‘.
Rooms (Dokumentarfilm, 23 Minuten, Deutschland, 2019)
Regie und Buch: Christian Zipfel Produzent: Niklas Burghardt Kamera: Jana Pape Musik: Christian Dellacher |
Schnitt: Evgeny Kalachikhin Ton: Ludwig Müller Sounddesign: Olga Molchanova Reed |
Der dokumentarische 360°-Film Rooms zeigt dem Publikum genau das: Räume. Räume, in denen es klare Regeln und Gesetze gibt. Räume, in denen Nähe und Distanz eine besondere Bedeutung haben. In Schwarz-Weiß fächern sie sich vor den Zuschauer/-innen auf und laden zum Entdecken ein. Durch die Schnitte werden Weite und Nähe noch stärker kontrastiert.
Die Kameraperspektive entspricht der eines stehenden Menschen in der Mitte des jeweiligen Raums. So fühlt man sich manchmal, als würde man in etwas Privates eindringen oder Teil des Geschehens im Raum sein. Die Reise durch die verschiedenen Orte lässt einem genug Raum, selbst zu entscheiden: was möchte ich sehen, was möchte ich erfahren?
Für alle, die jetzt Lust bekommen haben, sich einige der Filme der Studierenden aus aller Welt anzugucken, sind herzlich eingeladen, in der Zeit zwischen dem 24. und dem 28. April in Potsdam-Babelsberg in der Filmuniversität Konrad Wolf vorbeizuschauen. Alle weiteren relevanten Informationen zu Programm, Eintrittspreisen, Anreise etc. gibt es auf der Website des Sehsüchte-Festivals: sehsuechte.de/
Die FSF ist Unterstützer des internationalen Studierendenfilmfestivals Sehsüchte.