Acht Fragen an Torsten Körner, der als freier Autor für verschiedene Medien schreibt und als Fernsehkritiker meistens in Funk-Korrespondenz, epd medien und Der Tagesspiegel unterwegs ist. Außerdem ist er Prüfer bei der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen – und Autor im FSF-Blog.
Das Weihnachtsfest naht und viele haben da so ihre Traditionen, wie Kirchgang, Kartoffelsalat und Würstchen … So mancher landet – mit der ganzen Familie oder allein – nach der Geschenkeschlacht vor dem Fernseher. Wie sieht das bei Ihnen aus?
Kartoffelsalat verabscheue ich, habe eine ausgesprochene Kartoffelsalat-Neurose. Also: Spaziergang, Geschenkesalat, Fernsehlandung. Wir landen jedoch nicht im Weihnachtsprogramm, das ist ja oft megascheußlich, sondern schlagen bei irgendeinem Streamingdienst auf, das ist nur scheußlich.
Sie haben ja beruflich tagtäglich mit Fernsehen zu tun – wie oft schalten Sie da überhaupt noch privat Ihren Fernseher an?
Da bin ich total deformiert, privat und beruflich existieren da nichts als Kategorien. Als sogenannter Fernsehkritiker betrachte ich alles durch die berufliche Brille und suche mir stets Legitimationen, um selbst den größten Schrott als Weiterbildungserlebnis einstufen zu können.
Wird der „On-Knopf“ gedrückt, weil Sie ein bestimmtes Programm sehen wollen oder zappen Sie sich durch die Kanäle, bis Sie etwas Passendes finden? Und wann wird die Kiste abgeschaltet?
Zappen hab ich verlernt, allerdings ist unsere Fernbedienung auch so träge – liegt‘s an den Batterien oder an dem Gerät? –, dass mir das Zappen keine Freude macht. Im Gegenteil, ich werfe die Fernbedienung mehrmals am Tag gegen imaginäre Wände. Möglicherweise ist der Mensch auch nicht dafür gemacht, durch hunderte von Kanälen zu zappen. Als der Begriff geprägt wurde, gab es ja noch nicht so viele Kanäle, vielleicht kann der Mensch nur 49 oder 100 Kanäle zappend wertschätzen? Wäre mal eine Untersuchung wert.
Wie verbringen Sie Ihre Zeit vor dem Fernseher? Sind Sie ein aufmerksamer Zuschauer oder erledigen Sie beim Fernsehen Dinge nebenbei?
Manchmal bügle ich Hemden, wenn ich BBC World schaue, ansonsten bin ich ein disziplinierter Zuschauer, Fernsehen als Hintergrundrauschen geht gar nicht.
Sind Sie durch Ihre Arbeit in der Programmprüfung auf bestimmte Formate aufmerksam geworden, die Sie nun auch privat interessieren? Wie „konsumieren“ Sie diese – DVD, Streamingportale, Mediatheken?
Die FSF hat mich immer wieder über die Jahre mit unvergesslichen Formaten bekannt gemacht, die ersten Folgen von Six feet under, Breaking Bad oder Lost habe ich bei der FSF gesehen. Kürzlich hat mich die neue Serie Atlanta sehr begeistert, deren erste beiden Folge ich prüfen durfte. Das, finde ich, ist immer ein Privileg bei der Arbeit in der FSF. Solche Anregungen nehme ich gerne auf. DVD war ja eher gestern, dann also eher Streamingportale, überlege aber auch gerade Sky zu abonnieren, wegen der tollen Serien.
Gibt es Formate oder Programme, die sich Ihrer Meinung nach im Fernsehprogramm zu wenig oder gar nicht wiederfinden? Wie kompensieren Sie diese „Lücken“?
Es gibt zu wenige politische Dokumentationen, die sich lohnen, deshalb schaue ich manchmal auf YouTube. Leider fehlt es den öffentlich-rechtlichen Sendern an Gedächtnis, es fehlt am Bewusstsein für die Archivschätze. Da würde ich mir wünschen, dass man qualitativ tolle Sachen sucht oder suchen kann und diese dann noch mal ins Programm stellt und dafür intelligente Kontexte schafft.
Bei welchem Format bzw. welchem Film hatten Sie das letzte Mal das Gefühl, wirklich gut unterhalten zu werden? Was war Ihr letztes gutes Fernseherlebnis?
Ich schaue sehr gerne alte DDR-Polizeirufe, das sind tolle Studien, mir gefallen diese Einblicke in den DDR-Alltag. Grundsätzlich gefällt es mir, wenn ich Sendungen sehe, die noch nicht so formatiert und zugerichtet sind: Programme, in denen sich Zufälliges oder Widerspenstiges findet. Auf Arte hab ich kürzlich eine Doku über amerikanische Wahlkämpfe gesehen, die fand ich spannend.
Wann schalten Sie den Fernseher ab?
Aspekte im ZDF schalte ich meistens weg; ansonsten gehe ich ins Bett, wenn ich das Gefühl habe, dass das Fernsehen mich zugrunde richtet. Dann greife ich gerne mal zum Buch oder auch zum Comic. Irgendwo liegt immer ein „Donald“, das die Kinder nicht weggeräumt haben und gerade lesen. Ich schaue und höre den Comic Blast von Manu Larcenet, das ist wie Fernsehen, Kino und Roman in einem – echt Klasse, für mich eine der größten Entdeckungen in 2016.