Die Macht der Worte

Ein sonniges Picknick im Park mit karierter Picknickdecke, Erdbeeren und den Liebsten – wer möchte so nicht gerne seinen Tag verbringen? Und damit sich auch andere Leute an diesem Picknick erfreuen können, wird am besten ein Bild davon auf Instagram veröffentlicht. Oder ein Video, auf dem nicht nur die Leckereien, sondern auch der ganze Park und das Vogelgezwitscher eingefangen werden können.

Dass mittlerweile bei vielen Nutzerinnen und Nutzern der sozialen Medien das Bedürfnis besteht, alle Erlebnisse online zu teilen, steht überhaupt nicht mehr zur Debatte. „Pics or it didn’t happen“ scheint für viele Leute zum Grundsatz geworden zu sein. So entwickelte sich Instagram rasant zu einer der erfolgreichsten Plattformen und ist aktuell im Bereich der sozialen Medien die am dritthäufigsten genutzte App.

Meistens werden die veröffentlichen Fotos nicht nur mit Hashtags versehen, sondern auch mit ein paar Worten, die das Bild in einen Kontext setzen können. Dieser kurze Text ist mittlerweile gar nicht mehr so kurz: eine Marketingplattform für Instagram, Later, berichtet, dass die Anzahl der Wörter immer weiter zunimmt. Fotos können eben doch relativ unpersönlich wirken und für Influencende, die eine anonyme Masse an Followerinnen und Follower haben, kann das schnell dazu führen, dass ihr sozialer Stern zu sinken beginnt.

Bild besteht aus einer Anordnung hölzerner Scrabble-Elemente auf weißem Hintergrund, die zusammengelegt die Aussage ergeben: Choose Your Words; Photo by @brett_jordan on Unsplash
Photo by @brett_jordan on Unsplash

Parasoziale Beziehung zwischen Influencenden und ihren Anhängern

Warum der enge Bezug zwischen Influencenden und „Followern“ so wichtig ist, lässt sich ganz einfach mit der kommunikationswissenschaftlichen Theorie der Massenmedien erklären: Die Forscher Horton und Wohl haben den Ansatz der parasozialen Interaktion begründet, laut dem eine ‚persönliche‘ Beziehung zwischen Personen der Öffentlichkeit („Persona“) und ihrer Zielgruppe besteht. Was Horton und Wohl damals für das Leitmedium Fernsehen feststellten, lässt sich heute auf Instagram übertragen. Wer mehrere tausend Followerinnen und Follower hat, kann unmöglich zu allen eine persönliche Beziehung unterhalten und muss das Öffentlichkeitsbild aufwändig pflegen. Die Bindung zu den virtuellen Anhängerinnen und Anhängern kann zum Beispiel dadurch gestärkt werden, dass Einblicke in das persönliche Leben gewährt werden. Politische Einstellungen, der Ernährungsstil und Filmvorlieben sind einfach zu kommunizieren und führen dazu, dass sich ein/-e Nutzer/-in stärker in das Leben der Persona eingebunden fühlt.

Während Emotionen und Gedanken mit Wörtern leicht auszudrücken sind, ist es weitaus schwieriger, sie in Bildern festzuhalten. Einige Worte dazu, mit wem das Picknick stattfindet und wie wichtig einem die Zeit im Grünen ist und überhaupt die Zeit mit Freunden, um für die richtige „Work-Life-Balance“ zu sorgen, erzählen da schon etwas mehr über die persönlichen Hintergründe als ein einfaches Bild vom Picknickkorb. Außerdem können dank der Textfunktion Fragen an die Anhänger/-innen gestellt werden, die diese mittels Kommentaren beantworten können. Einfache Fragen wie „Was habt ihr am Wochenende gemacht?“ sprechen die Anhänger/-innen direkt an und können ein Gefühl der Zugehörigkeit auslösen.

 

Einfluss der Werbeverträge

Seit Unternehmen vermehrt Werbeverträge mit Influencenden abschließen, ist die Verweildauer der Nutzenden auf Beiträgen bedeutender geworden. Und da gilt: je länger der Text, desto länger die Lesezeit und desto länger die Verweildauer. Natürlich ist es nicht ganz so einfach; zu viel reiner Text kann auch abschreckend wirken. Solange der Beitragstext optisch ansprechend gestaltet und inhaltlich interessant ist, ist aber schon viel gewonnen.

Exemplarisch für eine lange Bildunterschrift:

 

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Wie oft erwischt ihr euch dabei euch mit anderen zu vergleichen, anstatt euch auf euch zu konzentrieren? Es gab eine Zeit, in der ich mich ständig mit anderen verglichen habe. Es gab immer jemanden, der etwas besser konnte als ich. Jemanden, der sich schöner kleiden könnte als ich. Jemanden, der mehr wusste als ich oder jemanden, den ich hübscher fand als mich. Je mehr ich mich verglich, desto unsicherer wurde ich. Und insbesondere Social Media verleitet uns oftmals dazu unserer Leben zu vergleichen und sich selbst nicht mehr so wertzuschätzen, wie man es verdient hätte. Ich fing an die Qualitäten und Stärken, die mich ausmachten an mir zu schätzen. Tag für Tag dankbar dafür zu sein wer ich war und dass ich Teil dieser Welt sein darf. Und auch wenn das schwer ist, aber glaubt mir es ist möglich: ihr selbst seid der Schlüssel zum Selbstbewusstsein. Ignoriert was andere besser können als ihr und fokussiert euch auf eure Stärken und liebenswerten Seiten. Und vergesst nicht: das Leben ist kein Wettbewerb, indem es darum geht so viel besser zu sein als jemand anderes. Übertrumpft jeden Tag eure Vergangenheit und arbeitet stetig an euch selbst, um eine bessere Version von euch selbst zu werden und nicht die eines anderen. Hört auf euch zu vergleichen oder zu beschweren. Konzentriert euch auf euch, schaut in den Spiegel und macht endlich die Augen auf und seht ein, dass ihr einzigartig seid in allem was ihr seid und macht. Auch wenn ihr noch nicht am Ziel seid, dort, wo ihr hinwollt, seid stolz auf den Weg, den ihr bisher gegangen seid, das was ihr auf diesem schon alles erreicht habt. Statt immer nur zu sehen, was euch noch fehlt, schaut doch auf das, was ihr schon habt! Geht die Sachen an, ohne in Selbstmitleid und leeren Worthülsen zu versinken. Findet heraus, wo eure Stärken liegen und macht sie euch zu nutze. Und jeder, der diesen Text hier gelesen hat, schreibt jetzt etwas Nettes über sich selbst in die Kommentare. Was mögt ihr an euch besonders gerne? Ich bin gespannt auf eure Antworten. #stopcomparing #stopcomplaining #selflove #reflectyourself #loveyourself

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In der Prognose für 2020 hat sich die Anzahl der Zeichen laut Later & Fohr seit 2017 auf 405 verdoppelt, während die Zahl der Beiträge pro Woche von 2,9 auf 2,3 sinkt. Gleichzeitig werden kurzlebige Inhalte („Stories“, die nach 24 Stunden wieder verschwinden) und Videos vor allem von Unternehmen und für Werbezwecke immer mehr genutzt. Der Trend scheint sich jedenfalls weg von den simplen Fotos zu entwickeln.

Ob Bloggende ihre Beiträge in Zukunft tatsächlich auf visueller Basis verbreiten und Instagrammer/-innen ihre Fotos durch Texte sprechen lassen, wird sich zeigen. Die Zahlen sprechen aber dafür, dass es eine Konvergenz der beiden Formen geben wird, sich mitzuteilen. Bis dahin lassen wir uns weiter von der „Es ist schon alles gesagt, nur noch nicht von allen“-Politik der sozialen Medien berieseln und warten die schriftliche Entwicklung gespannt ab.

 

Quellen/weiterführende Artikel:

Alle Links wurden zuletzt abgerufen am 17. März 2020.

 

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Über Lea Gangloff

Lea Gangloff studierte in Tübingen Germanistik und Anglistik und ist nun im Masterstudium für Literatur und Medien. Durch ein Praktikum kam sie zur Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen und arbeitet jetzt als Werkstudentin bei der FSF.