Feiertagsfreigabe für Filme – was ist das denn?

Im Zusammenhang mit dem Karfreitag 2020 gab es in einigen Medien eine Meldung über die Feiertagsfreigabe von Kinofilmen, welche die FSK seit 1952 zusätzlich zur Altersfreigabe ausspricht. Nun ist die Vorführung solcher Filme gerade in diesem Jahr völlig irrelevant, da die Kinos wegen Corona ohnehin geschlossen sind. Aber wir nehmen dies als Anlass, zu diesem Thema etwas Klarheit zu schaffen.

Tatsächlich gibt es in allen Bundesländern gesetzliche Bestimmungen darüber, dass der „ernste Charakter“ an den sogenannten „stillen Feiertagen“ – dazu gehören der Karfreitag, Allerheiligen, der Buß- und Bettag, der Volkstrauertag und der Totensonntag – durch schrille und fröhliche öffentliche Veranstaltungen nicht gestört werden darf. Dazu gehören beispielsweise Diskotheken, Unterhaltungsveranstaltungen oder eben auch öffentliche Filmvorführungen.

Für DVDs oder Onlinemedien gilt das Gesetz hingegen nicht.

Da die Empfindlichkeit bezüglich dieser Feiertagsstörung von Land zu Land unterschiedlich ist und die Filmverleiher und Kinobesitzer an einer einheitlichen Regelung interessiert waren, prüft die FSK seit 1952 neben der Altersfreigabe auf besonderen Antrag auch die Frage, ob die öffentliche Vorführung bestimmter Filme, die entweder äußerst brutal, sehr laut oder einfach nur lustig sind, an stillen Feiertagen vorgeführt werden dürfen. Zu den an Feiertagen ausgeschlossenen Filmen zählen Softsexklamotten wie Hausfrauen-Report, was man irgendwie verstehen kann, aber auch harmlose Klassiker, zum Beispiel Die Feuerzangenbowle oder Das Leben des Brian. Die Liste der Filmtitel (ab 1980) kann im Netz heruntergeladen werden.
Da diese Prüfung mit dem Jugendschutzgesetz nichts zu tun hat, findet sie anschließend an die Entscheidung über die Altersfreigabe ohne den Ständigen Vertreter der Obersten Landesjugendbehörden oder dem Jugendschutzbeauftragten statt. Sie stellt eine Art Gutachten dar und ist nicht rechtsverbindlich, die Ergebnisse wurden aber wegen ihrer faktischen Bedeutungslosigkeit auch nie infrage gestellt.

Die Rolle dieser Feiertagsfreigabe hat sich aus verschiedenen Gründen seit den 1950er-Jahren stark verändert. Als das Kino noch das wichtigste audiovisuelle Medium war, bedeuteten die stillen Feiertage für die Filmwirtschaft noch eine gute Einnahmequelle: die Menschen hatten Zeit. Da der Einfluss der Kirchen zu dieser Zeit noch sehr viel größer war als heute, wurden von dieser Seite relativ harte Kriterien erwartet und im Zweifelsfall auch angemahnt.

Zwar ist auch heute die Kirche noch der Meinung, dass beispielsweise der Karfreitag auch für Nichtchristen eine hohe kulturelle Bedeutung besitze und deshalb die Feiertagsfreigabe weiterhin von Bedeutung sei, aber es ist zweifelhaft, ob ein messbarer Teil der Öffentlichkeit davon überhaupt Kenntnis nimmt. Deshalb wird dieses Thema medial immer wieder mal aufgefrischt, aber eher als etwas aus dem Kuriositätenkabinett.

In Zeiten von Fernsehen, Streamingdiensten und Internet spielt die Feiertagsfreigabe nur noch eine geringe Rolle. Die Störung der Ruhe von Feiertagen betrifft nur Veranstaltungen im öffentlichen Raum und gilt nicht für Inhalte, die im privaten Rahmen rezipiert werden. Auch ein Blick auf die Anteile der Filme, denen die Freigabe für die stillen Feiertage verweigert wurde, zeigt diesen Trend: wurden zwischen 1952 und 1959 immerhin 60% der Filme nicht für die stillen Feiertage freigeben, waren es zwischen 2010 und 2015 gerade noch ein Prozent. Einen öffentlichen Diskurs darüber, ob die gesetzlichen Bestimmungen zur Störung der Feiertagsruhe mittels Feiertagsfreigabe nicht generell abgeschafft werden könnten, gibt es bisher meines Wissens nicht – vermutlich auch deshalb, weil kaum noch jemand etwas darüber weiß und dies in der öffentlichen Wahrnehmung keine Rolle spielt.

 

Nachtrag des Autors zur Feiertagsfreigabe:

Hier noch ein kleiner Nachtrag, da es eine entsprechende Nachfrage gab: Wie schon in meinem Beitrag geschrieben, gelten die Gesetze der Länder zum Schutz der stillen Feiertage (Feiertagsgesetze) nur für öffentliche Veranstaltungen, lineares Fernsehen wird üblicherweise zu Hause rezipiert, deshalb gilt es hier nicht. Unter Umständen könnte Public Viewing unter den Feiertagsschutz fallen, aber das würde dann eben nicht die Ausstrahlung betreffen, sondern nur die öffentliche Veranstaltung. Angesichts der Inhalte, die normalerweise dort laufen, ist das allerdings mehr ein hypothetisches Problem, würde aber beispielsweise gelten, wenn dort ein Film vorgeführt würde, bei dem die Feiertagsfreigabe abgelehnt worden ist.

 

Über Joachim von Gottberg

Prof. Joachim von Gottberg ist Chefredakteur der Fachzeitschrift tv diskurs. Von 1985 bis April 1994 war er als Ständiger Vertreter der OLJB bei der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK) tätig, von April 1994 bis 2019 führte er die FSF als Geschäftsführer. Daneben bekleidet Joachim von Gottberg seit 2006 eine Honorarprofessur für das Fach Medienethik/Medienpädagogik an der Filmuniversität Babelsberg KONRAD WOLF in Potsdam und seit 2015 außerdem eine Vertretungsbefestigung für den Bereich Medien und Kommunikationswissenschaften in Halle.