Let´s talk about Porn

Es ist ruhiger geworden um die sogenannte Generation Porno.
Könnte man zumindest meinen, wenn man sich die Präsenz des Themas in den Medien anschaut: Die letzten Berichte liegen zum Teil Jahre zurück. Die Skandal-Welle scheint abgeebbt zu sein. Gut so, denn die effekthascherische Berichterstattung sorgte vor allem für viel Wirbel, brachte aber wenig sinnvolle Empfehlungen hervor.
Wie steht es also im Jahr 2018 um die Generation Porno und ihre Nutzungsgewohnheiten?

Pornografie-Nutzung Jugendlicher heute © FSF

Aktuelle Befunde zeigen: Pornonutzung ist nach wie vor ein großes Thema!

Die Studie Jugend, Internet und Pornografie (2017), veröffentlicht durch die Uni Münster und die Uni Hohenheim, nimmt sich des Themas wieder an. Bisher konnten wir nur auf eine Handvoll deutscher Studie zurück greifen, die an sich sehr spannende Ergebnisse zur Pornonutzung lieferten, hinsichtlich ihrer Aussagekraft aber nicht „ausreichten“, da z.B. die Stichproben zu klein waren. Die oben genannte Studie allerdings, bestätigt erneut, dass es sich bei der Pornografie-Nutzung durch Jugendliche nicht um ein randständiges Phänomen handelt. Die Hälfte aller Befragten ist bereits mit pornografischen Inhalten in Kontakt gekommen und fast genauso viele der Studien-Teilnehmer berichten, dass dieser nicht eigen motiviert zustande kam. Bei den Mädchen liegt der Anteil mit 59 % höher als bei den Jungen (37%). Für beide Geschlechter gilt: Der Erstkontakt mit harter Internet-Pornografie findet immer zeitiger statt, bei den 14- bis 15-jährigen Befragten, kam es im Durchschnitt von 12,7 Jahre dazu.

Let´s talk about it!

… und zwar bevor UND wenn etwas passiert ist. Denn ohne Anschluss-Gespräche, die das Erlebte einzuordnen helfen, bleiben vor allem jüngere Jugendliche verunsichert zurück. Deshalb hier noch einmal der Appel: Über Porno darf gesprochen werden! Dies müssen und sollen nicht unbedingt die Eltern übernehmen. Beratungslehrer, Schulsozialarbeiter oder professionelle Beratungsstellen können, vielleicht sogar besser durch den nötigen Abstand, das Gespräch anbieten.
Mehr als die Hälfte der Jugendlichen sprechen nach ihrem ersten Kontakt mit Pornografie mit niemandem darüber. Laut der Studie Jugend. Internet und Pornografie lediglich 4 Prozent mit Lehrern oder Eltern.
Und kommt es zum Gespräch, sollten Erwachsene auf das Thema vorbereitet sein, eine angemessen Sprache finden, eigene innere Barrieren abgebaut haben – um kompetent beraten zu können. Leider sind Fortbildungen in diesem Bereich bisher weiterhin Mangelware.

Weniger Panikmache, dafür mehr vom ganzheitlichen Blick auf die digitale Lebenswelt Heranwachsender

Ein weiterer, wichtiger Punkt ist, dass wir nicht erst dann genauer hinschauen sollten, wenn Pornonutzung für das eigene Kind zum Thema wird. Vielmehr geht es darum, sich für die alltägliche Nutzung digitaler Medien und die dort aufgegriffenen Themen zu interessieren. Also, liebe Eltern, fragt doch gern mal nach:
Wer gibt gerade den Ton bei Instagram an?
Was macht ihr eigentlich bei musically?
Welche Trends vermitteln Euch YouTube und Co?
Denn bereits hier werden veraltete Rollenbilder zementiert, sexualisierte Körperbilder vermittelt, Verunsicherung geschürt. Wir müssen „viel mehr dafür tun, Kinder und Jugendliche in einer positiven sozialen und körperlichen Entwicklung zu stärken, ihre Lebenskompetenzen gezielt zu fördern“ fordert auch Prof. Nicola Döring*. „Wer wirklich glaubt, dass Jungen ihr Sexualitäts- und Frauenbild maßgeblich aus dem Porno beziehen, muss sich fragen, wie das überhaupt möglich sein kann, und warum ihnen nicht längst ein gleichberechtigtes und wertschätzendes Sexualitäts-und Frauenbild durch Elternhaus, Schule und Peers vorgelebt und vermittelt wurde.“

Wir müssen gar nicht auf YouPorn und andere einschlägige Portale schauen, es reicht ein Blick in die Welt von YouTube, Instagram und Co, in welcher vor allem unseren Kindern zum Teil ordentlich der Kopf vernebelt wird. Die Erfahrung zeigt, dass ein differenzierter, unaufgeregter Blick auf die (digitale) Lebenswelt und das alltägliche Nutzungsverhalten Heranwachsender nötig ist, um ihr Handeln, Denken, mögliche Risiken und Chancen zu verstehen.

Zum Weiterlesen:

Über Eva Borries

Eva Borries ist Diplom-Medienpädagogin und arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentrum für Empirische Pädagogische Forschung (zepf) an der Universität Landau. Außerdem arbeitet sie deutschlandweit als Referentin für Medienkompetenz. Sie entwickelt individuelle medienpädagogische Fortbildungen, Vorträge und Workshops: Webseite Eva Borries.