Die erste Folge der 5. Staffel der Horror-Dramaserie The Walking Dead wurde von der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen nur unter einer Schnittauflage für die Ausstrahlung freigegeben. Diese Auflage wurde nun in der Berufung zurückgenommen. Die Gründe erläutert Claudia Mikat, Leiterin der FSF-Programmprüfung.
Nach einigem Hin und Her hat ein FSF-Ausschuss die erste Folge von Staffel 5 nun doch ohne Schnitt durchgewunken, warum?
Von „Durchwinken“ kann keine Rede sein. Mittlerweile haben sich ein Juristenausschuss und ein Berufungsausschuss mit der Frage befasst, ob die Folge bzw. die betreffende Szene im Fernsehen gezeigt werden darf oder nicht. In den 30 Sekunden, die zunächst geschnitten werden mussten, ist zu sehen, wie Menschen mit einem Schlag mit einem Baseballschläger betäubt, per Kehlschnitt getötet und dann zum Ausbluten über einen Trog gehängt werden, der Schnitt durch die Kehle wird zweimal fokussiert. Die Szene zeigt eine unmenschliche Gewalttat auf sehr drastische Weise und bewegt sich daher deutlich an der Grenze zur Sendeunzulässigkeit. Die Kriterien für ein Ausstrahlungsverbot sind aber nicht eindeutig, sie müssen ausgelegt werden. Hier kamen Juristen- und Berufungsausschuss letztlich zu einem anderen Ergebnis als die Vorinstanzen.
Welche Argumente sprechen für eine Zulässigkeit der Szene?
Unzulässig sind Programme, die extreme Gewalt verherrlichen oder verharmlosen. Dabei geht es also um eine positive Akzentuierung oder eine Bagatellisierung der gezeigten Gewalt, und beides ist in der betreffenden Szene nicht gegeben: Hier geht die Gewalt von den negativen Figuren aus, die Hauptprotagonisten sind die potenziellen Opfer, und der Zuschauer bangt mit ihnen um ihr Leben. Es ist deshalb nicht so, dass man sich an der brutalen Tötung der anderen Männer ergötzt und sadistisches Vergnügen empfindet. Die Szene ist vielmehr schockierend, und deshalb ist sie zulässig.
Und welche Argumente für eine Sendeunzulässigkeit haben die Vorinstanzen gesehen?
Dabei ging es im Wesentlichen um die Art und Weise der Darstellung. Zum einen wurde argumentiert, die Gewalt würde in einer die Menschenwürde verletzenden Weise geschildert, weil die Täter keine Empathie zeigten und die Opfer für sie offensichtlich keine Menschen mehr seien. Zum anderen wurde aus der Art der Darstellung, insbesondere aus der Fokussierung des Kehlschnitts, eine Glorifizierung der Gewalt abgleitet. Argumentiert wurde, es sei dramaturgisch nicht notwendig, die Grausamkeit so deutlich zu zeigen und die Szene so auszuspielen.
Viele würden hier sicher der Vorinstanz zustimmen: Es ist nicht notwendig im Detail zu zeigen, wie Menschen die Kehle durchgeschnitten wird!?
Natürlich ist die Fokussierung der Kehlschnitte nicht zwingend in dem Sinne, dass eine andere Darstellungsweise nicht vorstellbar wäre – aber darüber haben wir nicht zu befinden. Klar ist auch, dass The Walking Dead bewusst auf die expliziten Gewaltbilder setzt und eine solche Inszenierung seitens der Fangemeinde auch erwartet wird. Das mag man befremdlich finden, begründet aber noch kein Ausstrahlungsverbot. Die Unzulässigkeit wegen extremer Gewaltdarstellung setzt eine verherrlichende oder verharmlosende Tendenz voraus, die die Berufungsinstanzen aufgrund der Identifikation mit den Opfern in der Szene eben nicht gesehen haben.
Ist es nicht denkbar, dass besonders gefährdete Jugendliche, die man im Jugendschutz berücksichtigen muss, sich mit den Tätern identifizieren?
Man kann das nicht sicher ausschließen. Man darf aber solche Extreme auch nicht zum allgemeinen Maßstab machen und Filme unabhängig von oder entgegen der beabsichtigten Aussage interpretieren.
Welche Schlüsse ziehen Sie aus dem Fall? Wird man in der Zukunft mit The Walking Dead großzügiger sein?
Diskussionen wie hier über einen Schnitt im Bereich der 18er-Inhalte schaden m.E. dem Jugendschutz, weil Vieles nicht mehr nachvollziehbar ist. Ich kann die Fans gut verstehen, die sich darüber empören, dass sogar im Pay-TV mit Jugendschutzsperre eine Szene geschnitten werden muss, aber wir dürfen rechtlich keinen Unterschied machen zwischen Pay- und Free-TV. Außerdem ist der Jugendschutz im Fernsehbereich natürlich in Frage gestellt, wenn eine geschnittene Sequenz im Netz problemlos angesehen werden kann und wegen der öffentlichen Diskussion erst besondere Aufmerksamkeit auf sich zieht.
Andererseits sind wir natürlich an geltendes Recht gebunden. Es gibt in Deutschland verschiedene Gesetze, auf deren Grundlage ein Inhalt ab 18 Jahren freigegeben oder als unzulässig eingestuft wird, und es ist Standard, problematische Inhalte zu schneiden, um die Vermarktung zu ermöglichen. Wir können unseren Mitgliedern daher eine Ausstrahlung nicht empfehlen, wenn wir meinen, dass gegen die Jugendschutzbestimmungen verstoßen wird, und wir werden das auch in Zukunft nicht tun.
Die Fragen stellte Luise Weigelt.