Die HBO-Serie Westworld aus der Feder Jonathan Nolans und Lisa Joys, inspiriert von Michael Crichtons gleichnamigen Film aus dem Jahre 1973, ist ab heute Abend, 21 Uhr, auch in Deutschland auf Sky Atlantic HD zu sehen. Neben den Autoren fungierten auch J. J. Abrams, Jerry Weintraub und Bryan Burk als Produzenten.
In der Serie geht es um die Koexistenz zwischen Menschen und humanoiden Robotern. Westworld ist der Vergnügungspark der Zukunft. „Eine Welt, in der alles möglich ist“, so betitelt es das Management, meint aber eigentlich „Die Welt, in der du tun kannst, was du willst – ganz ohne Konsequenzen“. Manche Besucher des Parks reden von einem Ort, in dem du dein wahres Selbst findest, denn auf einmal sind dir keine Grenzen mehr gesetzt, alles ist erlaubt.
Der Wilde Westen mag dafür eine dankbare Metapher sein. Dort können die Besucher alles erleben, außer zu sterben.
Sie können saufen, sich sexuell vergnügen, schießen, „Menschen“ töten und vergewaltigen und wachen am nächsten Morgen wieder frisch geduscht im Hotelzimmer auf. Die lebensechten Spielfiguren, die für diesen Spaß hinhalten, sind Cyborgs, sogenannte Hosts, die nicht nur optisch, sondern auch narrativ nach dem Menschenbild geschaffen wurden und vom Storyteller in komplexe Handlungsstränge gebunden sind. So bietet der Wilde Westen Abenteuer und Lovestory. Du kannst Held oder Bösewicht sein, wie es dir beliebt.
Die Cyborgs selbst wachen jeden Morgen zur gleichen Zeit auf und erleben die Stories, auf die sie zugeschnitten sind mit einigen Abweichungen durch die Besucher immer und immer wieder in Dauerschleife.
Dolores (Evan Rachel Wood) ist eine dieser Cyborgs. Dass sie „der älteste Host“ ist, passt nur zu gut auf ihre stereotype Figur des Mädchens von nebenan, dessen Liebe man sich wie Anerkennung erkämpft. Auch sie durchlebt den ihr vorgeschriebenen Tag immer wieder und erwartet am Ende einen brutalen Ausgang. Doch schon kurze Momente in der Serie geben Hinweise, dass Dolores mehr kann, mehr weiß und vielleicht auch nicht so harmlos und zart ist wie sie aussieht.
Die Opferrolle Dolores’ ist nicht das einzige Puzzleteil, um aus Autorensicht mit den Erwartungen der Zuschauer zu spielen. Immer wieder ertappt man sich selbst beim Rätseln, wer nun Mensch oder Besucher ist. Fortwährend sammelt man Hinweise, um die ganze Wahrheit des verrückten Parks und seiner Geheimnissen zu entlarven.
Mit der neugierigen und intelligenten Prostituierten Maeve Millay (Thandie Newton) teilt man oft diese Perspektive. Sie ist zwar ebenfalls ein Host, doch begegnet sie dem Zuschauer deutlich undistanzierter als Dolores. Auf der Besucherseite gibt es kaum Sympathieträger.
Ein ebenso großes Universum an Geschichten wie der Park selbst bietet auch die Welt hinter dem absurden Spiel. Dr. Robert Ford (Anthony Hopkins) ist einer der Gründer von Westworld – mit einer undurchsichtigen Vision des Ganzen. So finden auch einige Gehilfen dieses „Frankensteins“, z.B. Jeffrey Wright als Bernard, Eingang in die Serie und lassen uns durch ihre Sichtweise Misstrauen gegenüber dieses ungewöhnlichen Vergnügungsparks entwickeln.
Das Gesicht von Borgen, Sidse Babett Knudsen als Theresa Cullen, hält nicht viel von der widerlichen Lustbefriedigung der Einrichtung und ist oft Gegenspielerin von „Frankenstein-Ford“.
Die Serie löst sich stark vom 1973er-Film und erzählt auf verschiedenen Ebenen, ineinander verflochten, vom Schwarz, Weiß und Grau des Menschen und, dass dies nicht immer am Cowboyhut zu erkennen sei. Wenn anfängliche Sympathen immer weniger Mensch, sondern mehr Fanatiker werden; scheinbare Fanatiker zusehends human erscheinen und Cyborgs immer menschlicher werden, so scheint dies an Identität und schließlich Erinnerung geknüpft. Ist es das, was uns zum Menschen macht?
Ähnlich wie im Park nehmen auch in der Serie reißerische Elemente wie physische und psychische Gewalt sowie Nacktheit eine große Rolle ein. Doch verdreht Westworld diese, setzt sie in andere Kontexte und spielt sie gegeneinander aus. Dies in Kombination mit der dichten und in verschiedenen Zeit- und Raumebenen springenden Erzählung gibt einem das Gefühl, ein Schachspiel zu betrachten. Nur weiß man noch nicht, wer die Spieler sind und ob man nicht selbst kurz vorm Schachmatt steht.
Und so vermischt Westworld gekonnt den Zynismus Black Mirrors mit dem Mysterium von Lost, einer ordentlichen Portion Mindgame à la Inception und einem namhaften Schauspieleraufgebot. Kein Wunder also, dass diese Serie ein Bombast an Produktionsarbeit ist und die nächste Staffel erst 2018 fertiggestellt werden kann .
Jetzt aber zeigt Sky Atlantic HD ab heute immer donnerstags, 21 Uhr, erst einmal die erste Staffel der dystopischen Sci-Fi-Serie Westworld.
Freigegeben ab …
Der stetige Wechsel zwischen Zeit-, Raum- und Perspektive sowie die sich ständig wiederholenden Handlungsabläufe im Freizeitpark stellen das Fantastische der Geschichte heraus und schaffen so eine Distanz zum Geschehen. Die eindeutig negativ konnotierten Gewaltdarstellungen werden überzeichnet und theatralisch inszeniert und sind als Spezialeffekte zu erkennen. Älteren Kindern ab 12 Jahren wird aufgrund ihrer bereits erworbenen Medienkompetenz zugetraut, die hier kurz eingeblendete, aber z.T. roh dargebotene Brutalität an den Opfern als Gewalt an Robotern und nicht an Menschen zu dechiffrieren. Einer möglichen Ängstigung ab 12-Jähriger steht entgegen, dass sie keine wirkliche emotionale Bindung zu den Figuren aufbauen. Entlastend tritt hinzu, dass es keine jugendaffinen Protagonisten gibt, die eine Identifikationsmöglichkeit bieten, daher kann die Serie im Hauptabendprogramm platziert werden.
Zur dieser und weiteren ProgrammInfos auf der FSF-Website geht es hier.
Der Sender Sky Atlantic HD darf alle Episoden der Serie auch schon vor 20.00 Uhr ausstrahlen, weil er als Pay-TV-Anbieter eine Jugendschutzsperre aktivieren kann, die von den Zuschauern mit der Eingabe einer Jugendschutz-PIN freigeschaltet werden muss. Somit gelten die üblichen Sendezeitbeschränkungen und Schnittauflagen nicht. Weitere Informationen zu Vorschriften und Anforderungen an digitale Vorsperren als Alternative zur Vergabe von Sendezeitbeschränkungen sind im Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (§ 5 Abs. 3 Nr. 1; § 9 Abs. 2 JMStV) sowie in der Jugendschutzsatzung der Landesmedienanstalten (§ 2 bis § 5 JSS) zu finden.”
Bitte beachten Sie: Bei den Altersfreigaben handelt es sich nicht um pädagogische Empfehlungen, sondern um die Angabe der Altersstufe, für die ein Programm nach Einschätzung der Prüferinnen und Prüfer keine entwicklungsbeeinträchtigenden Wirkungsrisiken mehr bedeutet.
Mehr Informationen zur Programmprüfung erhalten Sie auf unserer Website. Dort veröffentlichen wir jede Woche neue ProgrammInfos zum aktuellen Fernsehprogramm. Auch diese Auswahl stellt keine Empfehlung dar, sondern zeigt einen Querschnitt der Programme, die den Prüfausschüssen der FSF von den Mitgliedssendern vorgelegt werden.
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