Früher schickte RTL II schwer erziehbare Jugendliche in entlegene Dörfer Afrikas, dort sollten die Kinder respektvollen Umgang und Verzicht lernen – vor allem aber Mäßigung. Die Delinquenten mussten ohne Bier, Kippen und Dickmanns auskommen, dazu noch misten, Tiere hüten oder den Dorfplatz fegen, um abends mit viel Glück etwas zerfasertes Ziegenfleisch auf die Hand zu bekommen. Nach erfolgreich durchlittener Spezialbehandlung waren die „Entgleisten“ geläutert und weiteren erzieherischen Maßnahmen wie Jugendarrest oder Kinderheim vorerst entgangen.
Nun, im Sommerloch, wo kein Dschungelcamp, keine Alm und kein Big Brother-Container die Quoten stört, sendet auch RTL aus dem afrikanischen Busch, und schnell bekommt man Mitleid mit den Stammesbewohnern Namibias, deren Dorf als Schauplatz der Sendung Wild Girls – Auf High Heels durch Afrika herhalten muss.
Es ist das „Who-is-Who“ aus deutsch-österreichischen Castingshows und Z-Prominenz, das die Namibier ertragen müssen: allesamt erprobte Reality-Stars wie Sarah Knappik und Fiona Erdmann, dazu Moderator Andreas Jahncke. Nicht zuletzt überzeugt der leiernde Jahncke, weil er in Tarnkleidung und Rangerhut eine wahnsinnig gute Figur macht. Immerhin, etwas afrikanisch spricht er, zumindest gelingen eine Begrüßung und „Auf die Plätze, fertig, los!“
Tränen, Geschrei und Gezeter sind bei den Trash-Damen an der Tagesordnung und – Gruppendynamik sei Dank – auch mit dem gerne beschworenen „Respekt“ nicht zu tilgen. Nun denn, dem Publikum macht es Freude und die Dorfbewohner dürfen immerhin über die Ausstattung der Kandidatinnen schmunzeln.
Bei VOX-Sternchen Miriam Balcerek weiß selbst der routinierte Reality-Zuschauer nicht, wo er zuerst hinschauen soll: Mit „Glööcklersch“ strassbesetzten Augenbrauen, überlangen spitz zugefeilten Plastiknägeln und hautenger rosa Robe stöckelt sie schwitzend die Ziegenställe entlang. Ihr gelingt auch, was keiner der Problemteenager bislang vermochte: Wegen ominöser Passprobleme verbringt Balcerek die Nacht in einem afrikanischen Knast.
Nein, in Afrika ist nichts wie zu Hause, insbesondere das von den Dorfdamen erteilte Hotpants-Verbot grämt manche Luxuslady. Sophia Wollersheim, deren aufgepumpte Silikonbrüste nicht mehr als zwei fragwürdig dünne Glitzerfäden umspannen (Nippelschutz), fordert Toleranz: „Die sind obenrum nackt, das akzeptiere ich schließlich auch.“
Wild Girls ist Diskussion über Schminke, Sex oder Erfolg („Wer war schon mal im Playboy?“). Kader Loth verteilt wohlwollend Tic Tac unter den Namibierinnen und lässt sich an den Silikonbusen greifen. In den Hütten kreucht’s und fleucht’s, als Toilette muss der dünn bewachsene Busch herhalten, und natürlich bringt die obligatorische Schlachtung (diesmal muss eine Ziege dran glauben) alle Teilnehmerinnen an ihre Grenzen. Nur Kroatin Ingrid Pavic will probieren: „Auch wenn es hart klingt, die Ziege ist nun einmal tot.“ Recht hat sie.
Auf dem Weg zum Sieg – dem „Goldenen High Heel“ – müssen sich die Kandidatinnen nach Reality-Vorschrift gegenseitig eliminieren. Ein Zündstoffgarant, der immer wieder Quoten sichert. Weil sich die emotionalisierten Luxusladys genau wie die Erziehungsmüden bereits am ersten Tag nach europäischen Standards sehnen, ist die Abreise nicht das schlimmste Los.
Am Ende werden die Lektionen von Verzicht, Wertschätzung und „Massendingshaltung“ in weite Ferne rücken. Dann sind die Teilnehmerinnen endlich daheim – dort wo Absätze und Trolleys weich übers Trottoir gleiten, Hühnerfleisch hübsch verpackt die Auslage ziert und anstelle von Ausbildungsgesuchen schon die nächsten Reality-TV-Anfragen auf den Smartphone-Displays glimmen. Glänzende Aussichten!
Wild Girls – Auf High Heels durch Afrika läuft immer mittwochs, 20:15 Uhr auf RTL.