Der Goldjunge, die Frauen und mehrere Überraschungen

Zum 92. Mal stand am vergangenen Sonntagabend der 34 cm große und 3.900 Gramm schwere Goldjunge im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit.

Bild von mohamed Hassan auf Pixabay
Bild von mohamed Hassan auf Pixabay

Die alljährliche Oscar-Verleihung nahm die Crème de la Crème Hollywoods aufs Neue zum Anlass, um sich mehr oder weniger stilsicher herausgeputzt der Presse auf dem wohl berühmtesten „roten Teppich“ der Welt zu zeigen. Es ging der Filmindustrie einmal mehr darum, die besten Filme, Schauspieler und natürlich sich selber zu feiern.

In alter Tradition gab es bereits im Vorfeld für die begehrtesten Kategorien „Bester Hauptdarsteller“ bzw. „Beste Hauptdarstellerin“ klare Favoriten. Doch der Oscar schreibt seine eigenen Regeln, was in der Vergangenheit schon häufiger zu Überraschungen geführt hat. Aber: Vergangenes ist vergangen und somit war es wenig überraschend, als Brad Pitt gerade einmal 14 Minuten nach Veranstaltungsbeginn die goldene Statue in die Luft hob. Auch Joaquin Phoenix, der – wie einst Heath Ledger – mit seiner Inszenierung des Jokers überzeugen konnte, gewann erwartungsgemäß.

Allerdings wäre der Oscar nicht der Oscar, wenn es nicht wenigstens einen „WOW-Moment“ gegeben hätte. Sieht man einmal von der recht fragwürdigen Anmoderation von Rebel Wilson (Pitch Perfect) und James Corden (Carpool Karaoke), die sich in Anlehnung ihres eher mäßig erfolgreichen Filmes Cats als Katzen verkleideten, ab, entwickelte sich ein musikalischer Act zu dem Highlight des Abends.

 

Hi! My name is … WHAT?!

Fast hätte man meinen können, dass sich die Oscar-Verantwortlichen den eine Woche zuvor stattgefundenen Superbowl als Beispiel genommen haben. Hier hatten die beiden Sängerinnen Jennifer Lopez und Shakira mit ihrem Auftritt für eine grandiose Halftime-Show gesorgt.

Genau nach der Hälfte der bis dahin recht gesitteten Veranstaltung betrat Skandalrapper Eminem die Bühne des Dolby Theaters und gab seinen Hit Lose Yourself zum Besten. 2003, als der Song in der Kategorie „Bester Song“ den Oscar gewann, erschien Eminem nicht zum Auftritt.

Damals galt das Lied für eine Liveshow als zu brisant, sodass es eventuell für eine „Familiensendung“ wie der Oscar-Verleihung hätte zensiert werden müssen, woraufhin Eminem auf seinen Auftritt verzichtete. 2020 waren nun nicht die Zeilen, die er sang, sondern er selber der Aufreger des Abends – was das heimische Publikum deutlich an den irritierten Gesichtern im Zuschauerraum sehen konnte.

Nach dem ersten Schreck kam jedoch schnell wieder Leben ins Dolby Theater und das Ende vom Lied war, dass Eminem nach 17 Jahren nicht nur seinen Oscar-Auftritt, sondern auch Standing Ovations für sich verbuchen konnte. Ende gut, alles gut?

Noch lange nicht!

Es gab noch mehr musikalische Beiträge, die hingegen deutlich ruhiger ausfielen. Doch erwähnenswert sind sie allemal, vor allem aber die Performance von Indina Menzel. Als sie auf der Bühne Into the Unknown aus dem Disney-Film Die Eiskönigin 2 trällerte, wurde sie von zehn Kolleginnen unterstützt. Jede von ihnen sang einen Teil des Liedes in ihrer eigenen Landessprache, der jeweiligen Synchronisation entsprechend. Endlich wurde einmal daran gedacht, dass amerikanische Filme erst durch ihre Synchronisation weltweit zu Erfolg gelangen. Leider wird dieser Aspekt nur allzu gerne ignoriert. Doch Willemijn Verkaik, die das Lied für die deutsche Version eingesungen hat, stand mit allen anderen auf der großen Bühne.

Auch wenn es nur eine kurze Passage war, sie bescherte uns den einzigen deutschsprachigen Beitrag des Abends.

 

Gewinner und Verlierer des Abends

Nach fast drei Stunden Gesang, Tränen und Danksagungen blieb nur der krönende Abschluss dieses Abends übrig. Dieses Jahr sollte die Kategorie „Bester Film“ nicht nur cineastisch, sondern auch historisch ein Meilenstein sein. Zum ersten Mal in der fast 100-jährigen Geschichte des Preises gewann mit dem Film Parasite eine nicht englischsprachige Produktion die Königsklasse. Der südkoreanische Film hatte im Vorfeld bereits die Goldene Palme in Cannes und einen Golden Globe gewonnen, doch als Favorit galt dennoch der Weltkriegsfilm 1917. An diesem Abend konnte der Film vier Oscars mit nach Hause nehmen.

Jedoch kam es nicht nur in dieser Kategorie zu einer überraschenden Wende. Netflix, insgesamt 24 Mal nominiert, ging mit nur zwei Academy Awards nach Hause. Ein Schelm, wer hier was Böses denkt, denn es scheint, als ob in der elitären Welt der Hollywoodproduktionen Streaminganbieter nicht gerne gesehen sind.

 

… und die nicht enden wollende Debatte

Nichtsdestoweniger sollte die schillernde Filmfabrik über einen Umbruch nachdenken. Denn schon seit Jahren steht die Academy immer wieder in der Kritik, sich nicht von ihrem alten Zopf lösen zu können. Zum einen sind es die neuen Wege der Filmindustrie, denen sie sich verschließt, zum anderen ist es die anhaltende Debatte um das Missverhältnis bei der Nominierung von Frauen und Männern. Zwei Jahre nach der #metoo-Debatte scheint die Diskussion getreu dem Motto: „Aus den Augen, aus dem Sinn!“ schon wieder vergessen zu sein.

Foto von Lum3n.com von Pexels
Foto von Lum3n.com von Pexels

Denn obwohl es in dem vergangenen Jahr einige Filme gab, die unter der Leitung von Regisseurinnen entstanden sind, wurde nicht eine von ihnen nominiert. Identisch verhält sich die Problematik mit den Nominierungen von „Nichtweißen“. Dieses Jahr fanden sich unter den insgesamt 130 Nominierten lediglich 16 von ihnen wieder.

Parasite ist vielleicht genau das, was die Filmindustrie gebraucht hat: Ein weiterer Weckruf und ein Zeichen für die Zukunft.

 

Quellen:

Alle Links zuletzt abgerufen am 11. Februar 2020.

Über Sarah Boost

Sarah Boost hat Geschichte und Deutsche Literatur an der Humboldt Universität zu Berlin studiert. Ihr Interesse an Medien bewog sie dazu, ein Praktikum bei der FSF zu machen. Hier konnte sie ihrer Vorliebe für das Schreiben nachgehen. Als freie Autorin unterstützt sie weiterhin den fsf blog.