Werbung vs. #Abmahngate

Aktualisierter Leitfaden zur Werbekennzeichnung auf Instagram

 

Wann müssen Beiträge in den sozialen Medien als Werbung gekennzeichnet werden und wann nicht?

Diese Frage treibt schon seit geraumer Zeit die Influencer-Branche um. Auf Instagram hat sich sogar etabliert, dass Influencer/-innen alle Beiträge als Werbung markieren, um auf Nummer sicher zu gehen. Die Angst, vom Verband Sozialen Wettbewerb (VSW) gerichtlich belangt zu werden, ist groß. Zu viele Fälle im #Abmahngate zogen in den letzten Jahren die Aufmerksamkeit auf sich. Die bekanntesten darunter: Cathy Hummels, Vreni Frost und Pamela Reif. Dazu später mehr. Denn die Landesmedienanstalten haben längst einen übersichtlichen Leitfaden veröffentlicht, der nun aktualisiert wurde und praxisnah aufzeigt, ob, wann und wie z.B. Influencer/-innen und Blogger/-innen Werbung kennzeichnen sollten.

 

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Es gibt einfache und klare Regeln, wie beispielsweise die Art und Weise, wie Werbung markiert werden sollte.  Bei Text und Bild immer zu Beginn und mit dem deutlich lesbaren Wort „Werbung“ oder „Anzeige“. Bei Videoinhalten muss eine Dauereinblendung mit „Werbevideo“ oder „Werbung“ erfolgen. Ein Hashtag, wie beispielsweise #ad, oder ein kurzes advertising zu Beginn eines Posts reichen nicht aus, um den werblichen Charakter hervorzuheben. Auch die von YouTube, Instagram und Facebook zur Verfügung gestellten Werbekennzeichnungstools „Bezahlte Partnerschaft mit …“ sind alleine nicht ausreichend zur Werbekennzeichnung geeignet. So klar und einfach aufgeschlüsselt finden sich viele Aspekte der Kennzeichnungs- und Trennungspflichten bei Werbung in Social-Media-Angeboten in der Matrix der Landesmedienanstalten wieder.

Stefanie Lefeldt beschäftigt sich tagtäglich mit den Anforderungen der Kennzeichnungspflicht. Sie ist in der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (mabb) zuständig für Recht und Regulierung. Ein Aufgabenfeld, das in Zeiten von immer neuen Formen und technischen Möglichkeiten (u.a. Affiliate-Links, Hashtags, Tags, Rabattcodes, usw.) stets neuen Klärungen bedarf. Hier setzt für Lefeldt der Leitfaden an: „Die Matrix zeigt auf, in welchen Fällen werbliche Kennzeichnung von Beiträgen unabdingbar ist, weist aber in den Erläuterungen auch auf abweichende Entscheidungen aus dem Wettbewerbsrecht hin.“

„Bezahlte Partnerschaft mit …“ sind alleine nicht ausreichend zur Werbekennzeichnung geeignet

Der Hinweis auf das Wettbewerbsrecht ist entscheidend, denn selbst wenn sich Influencer/-innen am Leitfaden orientieren, kann es passieren, dass sie gerichtlich aufgrund von Schleichwerbung kostenpflichtig abgemahnt werden. Dahinter steckt der VSW, der sich auf das Wettbewerbsrecht beruft. Wer tatsächlich Mitglied des Vereins ist, lässt sich nicht so leicht herausfinden. Dem Handelsblatt zufolge seien u.a. „elf Verlage, darunter zwei große, der Klambt Verlag und der Bauer Verlag, bei denen Titel wie Funk Uhr, Bravo oder Cosmopolitan erscheinen […]“ gelistet. Der VSW beschreibt sich auf seiner Website als „politisch ungebunden und wirtschaftlich unabhängig“. Er verfügt über eine „solide, ausreichende finanzielle Ausstattung“ und finanziert sich durch „Mitgliedsbeiträge und Spenden sowie den Einnahmen aus Abmahnungen und Verlagsstrafen“. Anders als die Landesmedienanstalten unterstellt der VSW Influencer/-innen per se eine werbliche Absicht. Das bedeutet im Umkehrschluss: selbst wenn es keine Kooperation zu Unternehmen gibt, kein Geld oder andere ähnliche Gegenleistungen erfolgten, die Influencer/-innen die Produkte somit selbst gekauft haben und diese redaktionell einbinden, ist es für den VSW Werbung. Stefanie Lefeldt sieht die unklare Auslegung problematisch: „Wünschenswert wäre eine zeitnahe (gerichtliche oder gesetzliche) Klärung hinsichtlich wettbewerbsrechtlicher Abmahnungen auf Instagram. Keinem Nutzer ist geholfen, wenn sämtliche Beiträge auf Instagram werblich gekennzeichnet sind und die Kennzeichnung Auswüchse annimmt wie ‚Werbung wegen Markenerkennung‘ u.ä.“

 

Verschiedene Landgerichte, verschiedene Urteile

So lange kein Urteil des BGH vorliegt, rückt eine Klärung in weite Ferne, denn bisher kommen die Landgerichte zu sehr unterschiedlichen Entscheidungen. Cathy Hummels gewann den Prozess am Landgericht München. Die Richterin begründete dies in der Annahme, dass jeder weiß, dass Cathy Hummels auf Instagram auch werblich agiere. Um die 485.000 Freunde schaffe kein Mensch. In Berlin zog Bloggerin, Sprecherin und Buchautorin Vreni Frost vor das Kammergericht und bekam in der Urteilsbegründung teilweise recht: nicht jeder Instagram-Post ist Werbung. Das Gericht überprüfte die einzelnen Posts der Bloggerin und kam zu dem sehr vielversprechenden Urteil, dass in jedem Einzelfall entschieden werden müsse und ein Instagram-Account, auch wie in dem Fall von Vreni Frost mit über 50.000 Followern, nicht per se Werbung ist. Für die Fitness-Influencerin Pamela Reif hingegen sah das Landgericht Karlsruhe die Anklage gerechtfertigt und urteilte: Influencer/-innen handeln immer geschäftlich auf Instagram. Denn auch mit einem privaten Post oder einem redaktionellen Hinweis fördere Frau Reif ihr Image als Influencerin. Teilweise sahen die Wettbewerbsgerichte schon in der einfachen Verlinkung auf kommerzielle Instagram-Accounts der Modefirmen eine werbliche Komponente.

Auch darauf weist der Leitfaden der Landesmedienanstalten hin. So bestätigt Lefeldt auf Anfrage, dass „unterschiedliche Gerichtsentscheidungen […] in letzter Zeit eher zu mehr Verwirrung als zu Klarheit geführt [haben].“ Zum Leidwesen der Influencer-Branche, die verunsichert, was denn nun Werbung sei und was nicht, fleißig weiter alle Inhalte als Werbung markiert. Dabei haben sich unterschiedliche Strategien entwickelt, um den eigenen Followern zumindest ein wenig Transparenz zu bieten. Aus Werbung, die eigentlich keine ist, wird: „Werbung wegen Linksetzung“, „Werbung wegen Markennennung“, „unbezahlte Werbung“ oder „(Eigen)Werbung“. So reguliert sich ein Teil der Branche selbst. Dennoch ist eine Rechtssicherheit wünschenswert. „Es wird im Bereich Influencer-Marketing immer Graubereiche geben, alleine schon wegen neuer Tools und neuer Werbekonzepte – trotzdem müssen die Spielregeln für Influencer klar und beherrschbar sein.“, so Lefeldt.

Das in 2019 angekündigte Influencer-Gesetz nimmt so langsam Form an. In einer Pressemitteilung vom 13. Februar 2020 veröffentlichte das Ministerium für Justiz und Verbraucherschutz einen „Regelungsvorschlag zur Abgrenzung nichtkommerzieller Kommunikation zur Information und Meinungsbildung von geschäftlichen Handlungen“. Ziel ist es, einen rechtssicheren Rahmen für Influencer zu schaffen. Staatssekretär Gerd Billen bringt es in seiner Stellungnahme auf den Punkt: „Die Meinungsfreiheit gilt selbstverständlich auch für Influencer. Deswegen wollen wir klarstellen, dass Äußerungen auf sozialen Medien nicht als Werbung gekennzeichnet werden müssen, wenn sie ohne Gegenleistung erfolgen und vorrangig der Information und Meinungsbildung dienen. Von einer solchen Klarstellung profitieren Influencer und Verbraucher.“

 

Literatur und Links

Alle Links wurden zuletzt am 11. Februar 2020 aufgerufen.

Über Eva Lütticke

Eva studiert Medienwissenschaften an der Filmuniversität Babelsberg KONRAD WOLF. Nebenbei arbeitet sie als freie Redakteurin und unterstützt das FSF-Team als Werkstudentin.