Die finale Staffel Mad Men bot noch einmal alles auf, was diese Serie so groß gemacht hat: Die Zweideutigkeit ihrer Hauptfigur, die sie von A wie Anziehungskraft bis Z wie Zerrissenheit ein letztes Mal durchdeklinierte; alle Figuren, die Dons Leben oder das Leben derer, die um ihn herum kreisten, beeinflusst haben und ein prägendes historisches Ereignis – die Mondlandung – das wieder in diversen Wohnzimmern als Mikrokosmos der US-Gesellschaft der damaligen Zeit stattfand. Sie bot Einblicke in das berufliche Leben von Frauen, die einen in kalter Wut zurückließen, und sie war voll von Blicken in die Vergangenheit und Meditationen über die Zukunft.
Mad Men ist eine Serie, die Maßstäbe gesetzt hat und zum Aufstieg der Qualitätsserien an sich beitrug. Und das, obwohl die Geschichten um den Werbefachmann Don Draper, der in den stilvoll bunten 60er-Jahren des 20. Jahrhunderts mit seinen Dämonen kämpft, zunächst niemand haben wollte, wie der Showrunner Matthew Weiner erzählt. Doch dann sah der Sender AMC darin die Möglichkeit, ebenfalls ins Qualitätsseriengeschäft einzusteigen und zu HBO aufzuschließen. Und sie sollten damit Recht behalten. Mad Men heimste in seiner achtjährigen Geschichte drei Golden Globes für das beste TV-Drama, vier Primetime Emmys sowie etliche weitere Preise und Nominierungen für Skripte, Regie, Darsteller und vieles mehr ein.
Und Mad Men ist eine Serie mit einprägsamer Titelsequenz. Zu Beginn der letzten Staffel war der tiefe Fall der Figuren – in schöner grafischer Animation ein ums andere Mal symbolisch inszeniert – endgültig da und hinterließ die Hauptfigur so verletzlich und exponiert, wie man sie selten gesehen hat. Um sie dann zunächst für das Alte kämpfen zu lassen. Draper fängt beruflich in seiner eigenen Firma noch einmal von vorn an, ist demütig, trinkt nicht, betrügt seine Frau nicht. Der Zuschauer hat Gelegenheit zur Überlegung, ob es das war, was er sich für die Figur die ganze Zeit gewünscht hatte. Es wäre eine der offensichtlicheren Lösungen für einen Abschluss gewesen. Zu offensichtlich und ein Ende, das von der Faszination einer Figur, die so stark durch ihre Ambivalenzen geprägt war, nichts übrig gelassen hätte. Die letzte Staffel wurde in zwei Hälften ausgestrahlt – die erste Hälfte 2014, die zweite Hälfte jetzt. Am Ende der ersten Hälfte sah es kurz so aus, als hätte man den „alten“ Don Draper wieder. Ein fast schon beängstigender Zustand. Denn man konnte vorausahnen, sobald dieser Mann das bekam, von dem er dachte, dass er es wollte, sein Abstieg nicht weit war und alles wieder von vorn beginnen würde. Doch diesmal ist auch für die Figur des Don Draper der Zeitpunkt gekommen, in dem er herausfindet, dass er nicht da ist, wo er hin wollte.
Und so standen die letzten Folgen im Zeichen der Suche. Sicherlich auch symbolisch für die Suche des Autors nach dem passenden Ende für diese inzwischen legendäre Figur. Einer Suche, die sonst für Draper selbst immer innerlich und nie physisch stattgefunden hatte. Obwohl klar war, dass er ständig auf der Suche nach etwas war und meist nicht wissend, wonach. Mitten in der letzten Staffel marschiert er plötzlich aus seiner Arena – dem Besprechungsraum einer Firma – setzt sich in ein Auto und fährt los.
Matthew Weiner schickte seine Hauptfigur für das Finale auf einen Roadtrip durch Amerika – auf eine sehr physische Suche und zum Schluss in eine Yoga-Oase, ein überdeutliches Zeichen für die innere Suche nach dem Sinn des Lebens.
Die ihn dort hinführende Figur, ist die einzige, die ihn noch bei seinem ursprünglichen Namen nennt – Dick. Nur um dann, genauso wie dieser Konflikt, zu verschwinden. Don fasst in der finalen Folge sein Leben und damit die gesamte Serie in einem kathartischen Moment auf sehr unrühmliche Weise zusammen: Er hätte alle seine Schwüre gebrochen, sein Kind gegen sich aufgebracht, eines anderen Mannes Namen angenommen und dann nichts daraus gemacht. Es wird dem Zuschauer selbst überlassen, ob er mit dieser Einschätzung übereinstimmt. Die Figur des Don Draper häutet sich im Laufe seiner letzten Abenteuer mehrmals und viele seiner Leben fallen dabei von ihm ab.
Und im Grunde liefert Weiner in der letzten Staffel immer wieder verschiedene Enden ab. Er spielt auch auf den Tod als Lösung an: „Vielleicht ist er jetzt an einem besseren Ort“, sagt Dons ehemalige Sekretärin zu Roger Sterling, nachdem wochenlang niemand von ihm hört. „Hör‘ auf, das zu sagen“, tadelt Roger sie, „Er ist nicht tot!“. „Es gibt aber bessere Orte als hier“, ergänzt sie daraufhin. Nur um selbst auch die Firma zu verlassen. Das Ende der ersten Hälfte hätte schon ein Abschluss sein können. Die vorletzte Folge ebenfalls. Diese war voll von Szenen, die deutliche Worte zur Zukunft der jeweiligen Figuren sprachen. Alles mit einer hübschen Schleife verziert und abgeschickt, hätten viele dieser Abschlüsse ausgesehen wie nette Happy Ends. Doch dann wird in der letzten Folge das Paket noch einmal aufgemacht und das Leben der wichtigsten Figuren gezeigt: Peggy, Joan, Roger, Pete, Betty, Sally und Don – einen Schritt weiter, realistischer und auch wesentlich befriedigender im Sinne ihrer jeweiligen Entwicklungen.
Am Ende scheint Draper bei sich angekommen zu sein. Er trifft eine Art Anti-Draper – einen unsichtbaren Büromenschen – und ihm wird klar, dass es reicht, dass es Menschen gibt, denen man nicht egal ist. Dennoch ist das Ende so ambivalent wie es diese Hauptfigur immer gewesen war. Die letzten zwei Einstellungen symbolisieren die Dinge, die Don Draper suchte – das Emotionale und das Materielle, inneren Frieden und finanzielle Stabilität. Ob er beides am Ende zu vereinen weiß, ob sie nach wie vor in einem Widerspruch stehen, ob das Ende zynisch zu verstehen ist oder im Sinne eines Happy Ends, bleibt der Interpretation des Zuschauers überlassen. Meines Erachtens hat Weiner mit diesem Ende seine persönliche Mondlandung hingelegt.
Licht und Schatten von Katja Dallmann widmet sich ebenfalls der preisgekrönten US-Serie Mad Men – „einem Meisterstück der Ambivalenz“.
Der FSF lagen Folgen der ersten Staffel vor – die Prüfentscheidung findet sich auf unserer Website.