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Alles, alles, alles! Richie Finestra (Bobby Cannavale) will alles. Und er hat alles – oder vielmehr hatte. Die Selfmade-Millionär-Firma, die schönste und coolste aller Frauen, zuckerhübsche Kinder, das Haus in Connecticut, das Penthouse in der Stadt, Ruhm und Ehre in der Welt der Musik. Und Drogen, jede Menge Drogen – eine Reizüberflutung aller Sinne. Er hält sich für einen König. Er ist ein König. Und dann passiert das, was immer passiert, ganz und gar unvermeidbar scheint: alles bricht zusammen. Dabei war es doch so perfekt. Aber setzen wir die Nadel noch mal auf Anfang.

New York um 1970, die Stadt vibriert vor Energie – wie es so schön heißt –, aus den Lücken im Beton fließen nur so die Ideen, an jeder Ecke entspringt eine neue Quelle der Inspiration. Richie Finestra ist der Protagonist seiner Geschichte, der Geschichte seines Musiklabels American Century. In den 50ern stieg er durch seine Leidenschaft für Musik und einem Wahnsinnsgespür für Talent als Manager eines bis dahin unbekannten Blues-Musikers in die Branche ein und war von da an nicht mehr aufzuhalten.

Stetig erklomm er die Leiter des Erfolgs und aus dem Angestellten wird ein Boss mit drei ähnlich exzentrisch angelegten Partnern (gespielt von Ray Romano, Max Casella und J.C. MacKenzie) und jeder Menge Angestellter. Und alle sind sie hungrig und wollen das Neue, das was sexy ist, entdecken, das was die Erde beben lässt! Nur leider dreht die Welt sich stetig weiter. Und so findet American Century sich plötzlich als zu satte, leicht verfettete Version ihrer selbst wieder, die kurz vor der Pleite steht. Es scheint nicht mehr so einfach, namhafte Musiker an sich zu binden, die Konkurrenz ist auf Zack und der amerikanische Musikmarkt nicht mehr allumfassend dominierend.

Jetzt kommt der Part, der unsexy ist, so absolut gar nicht rock’n roll. Um das Label zu retten, muss es sich von Investoren kaufen lassen. Was danach passiert … nun, darüber will niemand nachdenken. Tut eigentlich auch keiner.
Feiner weißer Staub nimmt ihnen die Sorgen. In Bergen konsumiert, komplimentiert durch die Rauchschwaden der obligatorischen Zigaretten, präsentiert auf Spiegeln, Schallplatten, nackter Haut entschwindet es durch die Nase, um in geballter Energie wieder aus jeder Faser hinauszufließen. Funk, Punk, Pop, Rock, Heavy Metal sind das Öl in ihren Adern, lässt die Synapsen hochkochen und das ultimative High erklimmen. Wer hier nicht gierig wird, der hat in dieser Welt nichts verloren.

2016 ist Vinyl das neueste Schätzchen des amerikanischen Senders HBO. Martin Scorsese und Mick Jagger haben als Stoffentwickler und Produzenten aus einer Idee – die scheinbar schon in den 90er-Jahren Gesprächsthema zwischen den beiden war – etwas geschaffen, das den Geist einer Ära einfangen soll. Die Serie ist präsent, sogar deutlich mehr als das. Die Musik ist ihr Motor und die Bilder ihr Rausch, der Transmitter für die Emotionen, die dem Ton zugrunde liegen. Ein dröhnender Versuch, Vergangenes zum Überdauern zu überreden. Die Informationen im Format suchen sich ihren Zugang über eine Art Selbstreflexion der Musik. Der gegenseitige Einfluss, den Musiker und Regisseur aufeinander ausgeübt haben, spricht klar aus Vinyl heraus, und da Scorsese selbst mit der Pilotepisode den Regieauftakt gegeben hat, ist das, was zu sehen ist, ein Hochglanzprodukt mit hollywoodscher Starbesetzung. Ob die kommenden Episoden dieses Karacho beibehalten können, mit dem die Serie losgeprescht ist, wird die Zukunft zeigen.

Seit 14. Februar 2016 läuft Vinyl auf Sky Go, Sky On Demand und Sky Online. Die lineare Ausstrahlung folgt ab 7. April immer donnerstags um 21.00 Uhr auf Sky Atlantic HD.

Über Tabea Dunemann

Tabea studierte Theaterwissenschaft und Ethnologie an der Universität Leipzig. Dank wohlgesonnener Professoren konnte sie außerdem viele andere Disziplinen erkunden und war u.a. lange Zeit für das Studierendenradio mephisto 97.6 tätig. In ihrer Freizeit textet Tabea Dunemann gern für den fsf blog und war auch als Redakteurin für die tv diskurs tätig.