„Lebensgefühl in 20 Sekunden. Werbung als Vermittler von Trends, Geschmack und Kommunikationsstil“ lautete das Thema des diesjährigen Sommerforum Medienkompetenz, das am 7. Juni in Potsdam stattfand.
Kindheit ist heute stärker kommerzialisiert als je zuvor (gleiches gilt selbstverständlich für die Welt der Erwachsenen), und kindliche Vorstellungs- und Spielwelten sind mit Medienfiguren von Shaun das Schaf über Mia and Me bis hin zu den Helden aus Star Wars: The Clone Wars bevölkert. Diese funktionieren als Medien-Marken und sprechen den kaum den Windeln entwachsenen kindlichen Zuschauer als Fan und zunehmend auch als Käufer an. Innerhalb eines solchen Merchandising- und Konsumuniversums noch zwischen Werbung / Marketing und weniger stark interessegeleiteten Formen von Massenkommunikation zu unterscheiden, fällt selbst Erwachsenen oft schwer. Wieso also nicht frei nach dem Motto „Gefällt mir!“ – einfach eintauchen in das „weiße Rauschen der Warenwelt“ (Don DeLillo) und genießen?
Dr. Dorothee Meister, Professorin für Medienpädagogik und empirische Medienforschung an der Universität Paderborn, beschäftigt sich seit mehr als 20 Jahren mit speziell an Kinder adressierte Werbung und mit den Kompetenzen von Kindern, Werbung zu erkennen und Werbeabsichten kritisch einzuordnen. Letztere schätzt sie, auch aufgrund der Ergebnisse einer aktuellen Untersuchung zu Kinder und Online-Werbung, trotz des bei Eltern wie Kindern immer noch weit verbreiteten Credos „Werbung ist doof und macht doof“, als nicht besonders hoch ein. Defizite im Hinblick auf die Kritikfähigkeit – immerhin eine Voraussetzung dafür, Meinungsfreiheit überhaupt wahrnehmen zu können und damit ein entscheidendes Entwicklungs- und Erziehungsziel – werden sichtbar, vor allem wenn es darum geht, neue und insbesondere verdeckte Formen wie Eigenwerbung oder Product Placement (z.B. in speziell an Kindern adressierten Computerspielen) zu erkennen. Dass aber gleichzeitig die Kompetenz immer wichtiger wird, die Glaubwürdigkeit von Medieninhalten bzw. Botschaften der Massenkommunikation zu bewerten und zu hinterfragen, ist wohl selbst bei erwachsenen Markenfans unumstritten, ganz gleich wie man den „Hyperkonsumismus“ (Meister) ansonsten bewerten mag.
Professor Dr. Frank Schwab, Leiter des Institut „Mensch-Computer-Medien“ an der Universität Würzburg, und Prof. Dr. Clemens Schwender, Professor für Medienpsychologie an der Hochschule der populären Künste in Berlin, referierten über die „Argumente“ (Schwender, der hier bewusst nicht von „Suggestionen“ sprechen wollte, wie ihm ein Marketinggegner aus Kreuzberg soufflierte) und die Emotionalisierungsstrategien der Werbung. Beide strichen heraus, dass die Überredungsstrategien des Marketings längst nicht die Erfolgsquote hätten, die man ihnen gemeinhin zuschreibt.
Das „Ende der Aufklärung“ rief schließlich Dr. Werner T. Fuchs, Inhaber der Schweizer Agentur „Propeller Marketingdesign“ aus. Er weihte das Publikum in die Grundlagen des Storytelling ein. Seiner Ansicht nach wird menschliches Verhalten zum größten Teil vom Unbewussten gesteuert, und das Unbewusste verarbeitet und speichert komplexe Informationen (also eigentlich alles) in Form von Geschichten, die sich auf einige wenige Ur-Themen zurückführen lassen: Leben & Tod, Liebe & Hass, Gut & Böse, Ankunft & Abschied und einige mehr. Diese Geschichten dienen dann wiederum als Muster für Verhalten und für die Verarbeitung weiterer Informationen und Erlebnisse. Sein Fazit: „Erzählen Sie dem Publikum keine Wahrheiten, sondern Geschichten, an die es glauben will!“