Humor – Leichtigkeit des Schmerzes

Gerald Broflovski: „Jetzt reichts aber, ich geh zur Polizei!“
Stan: „Wieso?“
Gerald Broflovski: „Um rauszufinden, wo Apple meinen Sohn festhält.“
Stan: „Alter, wenn die Polizei rausfinden will, wo jemand ist, dann fragen sie Apple!“  (South Park)

Bernd Stromberg: „Mal bist du die Taube, mal bist du das Denkmal.“ (Stromberg)

 

Comedy-Komoedie©sh/fsf
Comedy © sh/fsf

Es sammeln sich tausende unterschiedliche Filmzitate in den Untiefen des Webs. Doch am prägnantesten scheinen die humorvollen zu sein, denn sie sind anteilig die stärksten. Was verbirgt sich hinter dem Begriff Humor und warum verehren wir dieses Humoreske so?

Humor ist, …
„wenn man trotzdem lacht“. Otto Julius Bierbaums Ausspruch von 1909 ist wohl die treffendste Beschreibung für den von vielen als undefinierbar bezeichneten Ausdruck, denn er beweist Mut zur Lücke. Gleichzeitig wird deutlich, dass Humor nur funktioniert, wenn nicht alles glatt läuft und die eigene Heiterkeit auf die Probe gestellt wird. Durchforstet man weiter die Bibliotheksregale nach ausführlicheren Definitionen, wird immer deutlicher: sie alle kommen an ihre Grenzen. Umso stärker wird dadurch unser Verlangen zu verstehen, was Komik ist und was uns letztendlich zum Lachen bringt. Humor wird als etwas Eigenständiges aufgefasst, sowohl im Bereich der Kommunikation als auch der Emotionen und das schon soweit Aufzeichnungen zurückreichen.

Machtpräsentation, Entspannung, Angstvernichtung – wozu dient Humor?
Humor ist stark mit dem Verb Lachen verbunden, womit die Theorien über den Sinn vom Komischen angereichert werden. Solche Theorien gibt es viele, u.a. von Thomas Hobbes, der Lachen als Triumphäußerung und somit auch als Machtpräsentation sah.1 Sigmund Freud teilte den Sinn von Humor in tendenzlos und tendenziös. Tendenziöse Witze würden nach seiner Definition sexuelle, im Sinne von obszön, oder feindliche Anspielungen enthalten – tendenzlose dagegen nicht, diese werden eher als harmlos verstanden.2 So diene tendenziöser Humor auch der Befriedigung des Sexual- und Aggressionstriebs. Komik kann also ein Werkzeug der Aggression sein, das gesellschaftlich deutlich anerkannter ist als Gewalt. Es entspricht dem Katharsisgedanken und bedingt so den Spannungs- und Stressabbau: „Im Lachen wird der Schrecken in Lust verwandelt“.3

Humor und Gesellschaftskritik – eine gute Partie?
Geschichtlich gesehen war Humor schon immer eine gute Methode, um Gesellschaftskritik zu üben. Am mittelalterlichen Hof z.B. durften nur die Narren die Mächtigen ungestraft kritisieren. An dem Ausspruch „Narrenfreiheit“ lässt sich dies noch heute ablesen. Der humoristische Rahmen kann also als eine Art Schutzschild fungieren, hinter dem kritische Äußerungen über Autoritäten und gesellschaftliche Missstände auch direkter formuliert werden können. Mitunter wirkt das mit Komik verbundene Lachen positiv gegen Aggressionen und Ängste.
Umberto Eco bezeichnete dies als „Kunst der Vernichtung der Angst“4, was so viel bedeutet wie: Solange man lacht, ist die Angst oder Trauer noch nicht da. Dies hat einige Herrscher so verunsichert – sie sahen im Humor eine Bedrohung ihrer Macht. Dass solche Sichtweisen noch immer existieren, beweist Erdoğans Umgang mit Satire.

Der Wandel der Zeit
Geknüpft sind solche Theorien an den Trend des Humors der jeweiligen Zeit und dem kulturellen Rahmen. Da etwas nur komisch ist, wenn die richtigen Dinge vom Zielpublikum verstanden werden, sie aber genauso von den richtigen Dingen überrascht sein müssen, ist wohl kaum ein Bereich so schnell dem Wandel unterlegen wie die Komik. Umso enger sind aktuelle Geschehnisse und die gesellschaftliche Momentaufnahme mit dem Komischen verstrickt. Ein Witz, der einen Taububruch thematisiert, ist natürlich nur so lange lustig, wie der Taububruch existiert.

Comedy on Screen
Was wäre das Fernsehen als Pool der Breitbandkultur, wenn Comedyformate nicht eine ausschlaggebende Rolle spielen würden. Dass dies nicht nur in Form einer heiteren Sitcom am Essenstisch einer amerikanischen Bilderbuchfamilie stattfinden muss, zeigen Serien wie The Office, HAPPYish, The Simpsons, Better Call Saul, South Park, Orange is the New Black und viele weitere. Ebenso beweisen Sendungen wie bspw. Shameless und viele britische Formate wie Skins oder Misfits, dass sich Comedy und Drama High Quality Serien nicht im Weg stehen müssen. Das Komödiantische als karnevaleskes Brot fürs Volk zu sehen, ist schon lange out. Nicht zu verkennen ist trotzdem die Zeit, die es gebraucht hat, bis die Comedy auch im Feuilleton ausreichend akzeptiert und besprochen wurde.

Gesellschaftskritik ohne erhobenen Zeigefinger
Das Ansehen von Comedy wird gesteigert, indem es die Möglichkeit anzubringender Gesellschaftskritik ohne erhobenen Zeigefinger gibt. Unangebrachter Arroganz wird so aus dem Weg gegangen und niemand nimmt sich aus der Verantwortung. Serien wie The Simpsons oder South Park sind dabei ziemlich radikal und direkt. Ihre kritischen Inhalte haben eine große Bandbreite und Aktualität. Dass Comedy und harte Kritik eine gute Kombination sein können, beweisen ihre unglaublich langen Laufzeiten. So ist South Park fast 20 Jahre im Rennen, The Simpsons sogar 28 Jahre – die Serie hat es ins Guinness-Buch der Rekorde geschafft.

Die Macher von Shameless und HAPPYish schaffen es wiederum auf sehr selbstironische und zynische Art, komplizierte Lebenskonzepte und Perspektiven auf der Welt zu präsentieren. Der Fokus auf ein bestimmtes Milieu ist dabei kein Blick von oben herab, sondern eher ein Blick aus der Mitte. Als Zuschauer ist man mit dabei und verliert nicht den emotionalen Anschluss an die teilweise bizarren Charaktere. Dies ist dem Humor mit zu verdanken. Sogar zu einer noch so karikierten Person können wir durch ihr humorvolles Umgehen mit einer Situation Empathie und Sympathie entwickeln. So kommen einem verquere Verhältnisse näher als mit einem Blick aus der Distanz. Auch wenn man darüber lacht, kann es gleichzeitig schmerzen, da man weiß, dass es die Wahrheit ist. Denn „Komik ist Wahrheit und Schmerz“.5

Jugendschutzrelevanz in Comedies
Fehlendes Humorverständnis bei Kindern stellt für sich genommen noch kein Wirkungsrisiko im Sinne des Jugendmedienschutzes dar. Problematisch wird es erst, wenn jugendschutzrelevante Inhalte (z.B. drastische Darstellungen von Gewalt oder Sex, Diskriminierung oder Herabwürdigung) im Comedykontext aufgegriffen werden und eine ggf. intendierte Brechung von Kindern noch nicht verstanden wird. In Frage steht dann, ob sich aus dem kindlichen nicht-richtig-entschlüsseln-können von Ironie ein Sinn ergibt – bzw. der vordergründige Sinn bestehen bleibt –, der z.B. vorurteilsbildend, diskriminierend, ängstigend oder sexistisch wirkt. Hinzu kommt, dass keineswegs alle humoristischen Formate Distanz zu den aufgegriffenen Inhalten schaffen oder diese in ihr Gegenteil verkehren. Manches ist genau so gemeint, wie es vordergründig dargeboten wird, und Komik soll allein aus dem – keinesfalls kritisch oder entlarvend gemeinten – Tabubruch oder der Normverletzung entstehen, die für Kinder eventuell noch nicht als solche zu entschlüsseln ist.

Letztlich gibt es keine Altersbeschränkungen für bestimmte Arten von Humor; es ist vielmehr so, dass nicht jede komische Rahmung alles Abgebildete so relativiert, dass beeinträchtigendes Potenzial verlässlich neutralisiert wird – teilweise, weil das Verständnis für eine eventuelle Brechung bei Kindern noch nicht vorausgesetzt werden kann, teilweise aber auch, weil gar keine ironische Brechung (im Sinne eines uneigentlichen Sprechens) vorhanden ist.

Mehr zum Thema Die Grenzen von Humor aus Jugendschutzsicht im Blogartikel Party mit Hitler?

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Quellen

1 Prommer, Elizabeth (2012): Fernsehgeschmack, Lebensstil und Comedy. Eine handlungs-theoretische Analyse. Konstanz und München: UVK Verlagsgesellschaft mbH. S. 113.
2 Knop, Karin (2007): Comedy in Serie. Medienwissenschaftliche Perspektiven auf ein TV-Format. Bielefeld: Transkript Verlag. S. 58.
3 Kamper, Dietmar/Wulf, Christoph (1986): Der unerschöpfliche Ausdruck. Einleitende Gedanken. In:  Kamper, Dietmar/Wulf, Christoph (Hrsg.) Lachen – Gelächter – Lächeln: Reflexionen in drei Spiegeln. Frankfurt am Main: Syndikat. S. 7-14.
Eco, Umberto (1982): Der Name der Rose. In: Grau (2010): Von Witz Humor und anderen komischen Dingen. In: Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen (Hrsg.) Alles nur Spaß? Humor als Wirkungselement in Fernsehen und Internet. tv diskurs 52, 2/2010. S. 18-23.
5 Vorhaus, John (2001): Handwerk Humor. Frankfurt am Main: Zweitausendeins. S. 15.

Über Henrike Rau

Henrike Rau studierte Architektur an der Universität Kassel und danach Digitale Medienkultur und Medienwissenschaften an der Filmuniversität Babelsberg KONRAD WOLF. Neben Uniprojekten wie Sehsüchte, der Kinderfilmuni oder Kooperationen mit dem Filmmuseum Potsdam haben Praktika beim UFALab und bei der FSF ihre Ausbildung mit Praxis belebt.