Was man nicht kennt, das macht Angst, und deshalb ist das Internet immer noch gerade für viele ältere Menschen Neuland.
Diesen Zustand wollen zwei Bundestagsabgeordnete mit Hilfe des Fernsehens ändern: Innenexperte Clemens Binninger und Internetpolitiker Thomas Jarzombek (beide CDU) haben in einem Brief an den WDR-Intendanten Tom Buhrow angeregt, der Sender möge seinen vor zwölf Jahren eingestellten Klassiker Der 7. Sinn reaktivieren, aber nicht wie früher als Verkehrsmagazin, sondern als Format, das Verhaltenstipps zum Umgang mit dem Internet und den sozialen Medien gibt. Auf diese Weise könnten gerade ältere Zuschauer „unterhaltsam und innovativ“ Grundregeln für den digitalen Alltag lernen.
Interessant ist dabei nicht zuletzt die Einschränkung „ältere Zuschauer“. Junge Nutzer hätten die Nachhilfe ja nicht minder nötig, zumal sich viele Eltern sorgen, ihre Kinder könnten bei YouTube oder anderswo Videos sehen, die ihnen schlaflose Nächte bereiten. Außerdem fürchten sie Phänomene wie Cybergrooming (sexuelle Belästigung übers Internet) oder das Mobbing in den sozialen Netzwerken. Seit langem fordern Jugendschützer daher ein viel größeres Engagement in Sachen Medienpädagogik, doch es gibt nach wie vor viel zu wenig Ausbildungsmöglichkeiten; an den meisten Schulen übernimmt ein engagierter Lehrer diese Aufgabe nebenbei.
Mit einem „7. Sinn“ fürs Internet wäre bei entsprechender Qualität also womöglich beiden geholfen, Kindern und (Groß-)Eltern. Die Einführung der Ratgebersendung 1966 war eine Reaktion auf die zunehmende Motorisierung der Deutschen; die drei Minuten kurzen Filme behandelten Gefahren im Straßenverkehr. Nun wäre die Zeit offenbar in der Tat reif für ein Magazin, das sich mit den Gefahren im Internet befasst. Tatsächlich gab es das bereits: 2011 bis 2014 hat der WDR gemeinsam mit NDR und SWR für das Erste einmal im Monat den Ratgeber Internet produziert. In den Sendungen wurde beispielsweise darüber informiert, wie man sich vor Betrügereien und Abzocke schützt, was man beachten muss, wenn man sich in sozialen Netzwerken bewegt oder wie man sich gegen Cybermobbing wehren kann. Laut einer WDR-Sprecherin hat „das an diesen Themen interessierte Publikum eine solche Spezialsendung jedoch nicht gezielt eingeschaltet. Gleichzeitig hat die Fokussierung auf den Bereich Internet die traditionellen Zuschauer der Ratgeberformate nicht angesprochen.“ Daher habe man sich entschieden, solche Themen „nicht isoliert im Rahmen einer Spezialsendung, sondern in der gesamten Breite unserer Programmangebote abzubilden“, etwa im Rahmen des Verbrauchermagazins Markt; hier würden jede Woche ein bis zwei Themen mit Bezug zur digitalen Lebenswelt aufgegriffen. Der NDR hat ebenfalls einen Markt, und auch hier geht es regelmäßig um Themen wie „Versteckte Reklame im Internet“, „Gefahr durch Datendiebstahl“ oder „Gefälschte Ware bei Amazon“. Der WDR hat zudem in seiner Nachrichtensendung Aktuelle Stunde schon vor zwanzig Jahren die Rubrik Angeklickt mit dem ARD-Netzexperten Jörg Schieb eingeführt. Auch die Servicemagazine des SWR greifen regelmäßig Online- und Mulitmediathemen auf: im Ersten beim mittäglichen ARD Buffet, im SWR Fernsehen in erster Linie nachmittags bei Kaffee oder Tee. Im Wirtschafts- und Verbrauchermagazin Marktcheck werden solche Themen ebenfalls angesprochen. Behandelt werden sowohl technische Entwicklungen wie auch konkrete Fragestellungen (Wie geht Facebook, wie kann ich auf den Datenschutz in sozialen Netzwerken achten etc.). Im ZDF werden solche und ähnliche Themen regelmäßig im Wirtschafts- und Verbrauchermagazin WISO sowie in der Servicesendung Volle Kanne behandelt. Im Ableger ZDFinfo gab es kürzlich mit Dokumentationen wie Ich weiß, wer du bist oder Hasskommentare und falsche Likes einen Schwerpunkt zu diesem Themenkomplex.
Im Programm der Privatsender gibt es keine Magazine, die öffentlich-rechtlichen Angeboten wie WISO oder Markt entsprechen würden. Die ProsiebenSat.1 Group befasst sich mit dem Themenkomplex Internet laut einer Sprecherin bei aktuellen Anlässen in Magazinen wie taff (ProSieben), akte (Sat.1) sowie im k1 Magazin (Kabel 1), aber auch im Sat.1-Frühstücksfernsehen. Ein solcher Anlass ist beispielsweise Anfang April das Sat.1-Drama Nackt. Das Netz vergisst nie mit Felicitas Woll. Am Sendetag wird das Thema des Films auch im Frühstücksfernsehen sowie unmittelbar nach der Ausstrahlung in akte besprochen. Darüber hinaus befassen sich auch die Web-Auftritte der einzelnen Sender regelmäßig mit verschiedenen Aspekten rund ums Internet. Gleiches gilt für die RTL-Senderfamilie, wie ein Sprecher mitteilt: „Wir informieren die User selbstverständlich auf unseren Digital-Angeboten – insbesondere n-tv.de, RTLNEXT.de, Frauenzimmer.de – oder direkt in den sozialen Netzwerken, auf der Facebook-Fanpage von RTL Aktuell, über Themen wie beispielsweise Fake-News.“
Im Internet bieten auch die ARD-Sender schon längst die von den Politikern geforderten Ratgeber; allerdings richten sie sich an unterschiedliche Zielgruppen. So ist zum Beispiel So geht Medien – ein Bildungsangebot, das der Bayerische Rundfunk im Auftrag von ARD, ZDF und Deutschlandradio produziert – eher für jüngere Nutzer gedacht. Lernen allerdings können auch Ältere eine Menge; die rund fünf Minuten langen Erklärstücke zeigen, wie man Nachrichten in drei Schritten hinterfragen kann, wie sich Verschwörungstheorien entlarven lassen oder wie sich Lügen im Netz verbreiten. Die Zielgruppe sind vor allem Schüler und Lehrer; zu vielen Themen gibt es zusätzliches Unterrichtsmaterial.
Facettenreich ist auch das Medienkompetenzportal Medien360g des MDR, aber hier wird die Materie ungleich trockener behandelt. Für Menschen, die auf der Suche nach dem kleinen Internetführerschein sind, ist die Seite ohnehin nur bedingt hilfreich, weil sie sich offenkundig an Fortgeschrittene richtet. Konkrete Internetthemen sind beispielsweise das Unwesen der „Social Bots“ oder die algorithmengesteuerten Suchmaschinen; ansonsten ist Medien360g ein Internetangebot mit Beiträgen zu allen möglichen Medienthemen.