Zensur in sozialen Netzwerken

Zwischen Hate Speech und freier Meinungsäußerung – wie funktioniert Zensur in den sozialen Medien

Wann ist ein Beitrag diskriminierend und beleidigend und wann ist es ein Streitgespräch, das vielleicht unangenehm, aber  doch unter die freie Meinungsäußerung fällt? Wer in den sozialen Medien unterwegs ist, dem wird schnell klar, so ganz einfach ist das nicht immer zu unterscheiden.

Die innere Zensur der sozialen  Medien folgt Kriterien der eigenen Community-Standards, die weltweit Gültigkeit, oft aber schwammig formuliert sind. Letztendlich wird im Einzelfall entschieden, die Frage ist nur, wer entscheidet das?

Durch das NetzDG (Netzwerkdurchsetzungsgesetz) sind die Löschtrupps der Netzwerkbetreiber unter Zugzwang: Gemeldete Hasskommentare und diskriminierende, rassistische Aussagen müssen spätestens innerhalb von 7 Tagen gelöscht werden. Offensichtlich hetzerische Inhalte sogar nach 24 Stunden. Andernfalls drohen den Betreibern Bußgelder in Millionenhöhe. Das führt zu einem Overblocking der Verantwortlichen, denn bevor es zu hohen Geldbußen kommt, lassen sie  lieber ein Mal zu viel als zu wenig löschen und berufen sich dabei auf ihre Gemeinschaftsstandards. billigend wird dabei in Kauf genommen, dass diesem Prozedere auch Beiträge zum „Opfer fallen“,  die eigentlich unter die freie Meinungsäußerungen fallen.

Wie transparent müssen die Löschungen vonstattengehen?

Die sozialen Medien sind durch das NetzDG gezwungen, halbjährig einen Bericht über gelöschte Inhalte vorzulegen. Darin steht, dass zwar auch aufgrund des genannten Gesetzes gelöscht wurde, viel mehr jedoch nach den eigenen Gemeinschaftsstandards vorgegangen wird. Nicht das deutsche Strafgesetz ist ausschlaggebend, sondern eigens aufgestellte Regeln, die im Zweifel Menschen benachteiligen. So ist es, laut Community-Standards, auf Instagram verboten, die „Nippel“ von Frauen in Beiträgen abzulichten, Männer-Nippel hingegen sind erlaubt. Hier fühlen sich einige User*innen diskriminiert und versuchen, die Plattform mit der Kampagne #freethenipple zum Umdenken zu bewegen. Diese lenkt jedoch nicht ein und sieht sich im Recht: ihr soziales Netzwerk – ihre Regeln.

Anfang 2018 sorgte zudem die Löschkampagne der Hashtags #psoriasisawareness, #psoriasisuk, #psoriasiscommunity oder #getyourskinout seitens Instagram und Facebook für Empörung im Netz. Schuppenflechte-Bilder wurden gesperrt – die Krankheit betrifft wischen zweieinhalb und dreieinhalb Prozent der Nordeuropäer, weltweit sind es ungefähr 125 Millionen Menschen. Betroffene, die sich trauten, mit dieser Krankheit offen umzugehen, wurde so die Stimme genommen. Eine Petition auf change.org brachte die Verantwortlichen bei Instagram zum Einlenken: Hashtags wie #psoriasislife sind inzwischen wieder öffentlich und auf die Bilder kann wieder zugegriffen werden.

Soziale Medien agieren als Informationsmonopole

Soziale Medien sind mehr als reine Tech-Unternehmen, die eine Infrastruktur zur Verfügung stellen. Vielmehr sind sie riesige Informationsnetzwerke, die durch Algorithmen Filterblasen schaffen und Informationen bewerten, wodurch diese für User*innen sichtbar oder unsichtbar sind. Doch nicht nur welche Informationen sichtbar sind, sondern auch welche Beiträge gänzlich gelöscht werden, obliegt dem jeweiligen Netzwerk, ohne dass es eine weitere Instanz zur Kontrolle gibt. Diese Machtstellung benachteiligt bestimmte Nutzergruppen und schwächt die Rechte all jener, die  die sozialen Medien nutzen. Und wir reden hier von weltweit 2,62 Milliarden Menschen (Quelle: statista).

Um die Rechte zu stärken, um freie Meinungsäußerungen im Rahmen der Gesetzgebungen zu ermöglichen, müssen Regularien für Facebook und Co. her. Eine Möglichkeit wäre es, sich bei den Zeitungen ein Beispiel zu nehmen und eine Art Presserat einzurichten, der über schwierige Fälle diskutiert und als höhere Instanz hilft, die Rechte des Einzelnen zu schützen. Der Rat könnte aus Nutzer*innen und Mitarbeiter*innen von sozialen Netzwerken, Mitarbeiter*innen von Medienunternehmen und  Angestellten der Landesmedienanstalten bestehen, um gemeinsam einen digitalen Raum zu schaffen, der den öffentlichen Diskurs und die eigene Meinung schützt und fördert und dabei gezielt gegen Hetze und illegalen Content vorgeht.

Über Eva Lütticke

Eva studiert Medienwissenschaften an der Filmuniversität Babelsberg KONRAD WOLF. Nebenbei arbeitet sie als freie Redakteurin und unterstützt das FSF-Team als Werkstudentin.