„Ist das schon die Sexmusik?“

Kommen fünf Prüferinnen und Prüfer sowie eine Praktikantin in die FSF und schauen sich einen Erotikfilm an – das ist zwar nicht der Anfang eines Witzes, kann aber trotzdem ziemlich lustig sein.

In der FSF-Geschäftsstelle werden täglich zahlreiche Filme und Serien für die verschiedensten Privatsender geprüft und während meines Praktikums bot sich mir die Möglichkeit, bei diesen Prüfungen dabei zu sein. Den ganzen Tag fernsehen? Kann ich! Horror? Blut? Zombies? Ich hatte mich seelisch auf alles vorbereitet. Ein Genre, das ich im Vorfeld jedoch nicht bedacht hatte, waren Spielfilme mit erotischem Inhalt. Das sollte sich jedoch bereits an meinem zweiten Praktikumstag ändern. Haben Sie schon einmal mit fünf Fremden in einem Raum gesessen und sich einen Porno angesehen? Nein? Das hatte ich bis zu diesem Zeitpunkt auch nicht.

Barbiepuppen nackt sitzend, in der Mitte eine männliche Barbiepuppe, rechts und links daneben je eine weibliche Barbies © FSF
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Ungewollt lustig

Manche Prüfausschüsse beginnen mit dem Erotikfilm, andere heben ihn sich lieber bis zum bitteren Ende auf – diese Entscheidung ist jedoch nicht mit der Redewendung „Erst die Arbeit, dann das Vergnügen“ zu verwechseln.

Alle bereit? Dann geht der Film jetzt los. Die Handlung scheint auf den ersten Blick überschaubar und lässt sich nicht selten bereits aus dem Titel ableiten – ich sage nur Muttitausch 5. Küsschen hier, Küsschen da und dann geht es auch schon zur Sache. „Ist das schon die Sexmusik?“, „Nee, das ist noch das Vorspiel, die Musik ändert sich gleich nochmal.“ Wenige Momente später weiß ich, was hier gemeint ist. Die Musik im Film ändert sich zwischen Vorspiel und Geschlechtsakt und hilft dem Prüfvorsitz, sich zu notieren, wann die Sexszenen beginnen und wann sie enden. Die Länge der Sexszenen entscheidet zwar nicht über die Freigabe des Films, das Verhältnis von Nicht-Sexszenen zu Sexszenen wird dennoch in Betracht gezogen.

Die Skurrilität der Situation, sich morgens einen Erotikfilm mit Kolleginnen und Kollegen anzusehen, führt jedoch nicht zu betretener Stille, sondern zu lustigen Beobachtungen. Ob lyrische Dialoge à la „Du bist so wunderbar ungezügelt“ oder mangelnde Schauspielleistung – „Wenn die so schlecht schauspielern, will man ja doch, dass sie sofort wieder ins Schlafzimmer gehen!“ – in diesem Setting sind die Filme oft sogar einen Lacher wert. Mehr als einmal hörte ich zudem die Frage: „Meint ihr, das ist ein Wasserbett?“.

Ein Barbiepuppen-Paar nackt ineinander verschlungen, männliche Barbie liegt auf weiblicher in angedeuteter Missionarsstellung © FSF
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Noch Erotik oder schon Porno?

Doch was genau wird hier geprüft? Die Auswahl der Altersfreigaben ist bei Erotikfilmen offensichtlich denkbar klein. Vielmehr geht es um die Frage, ob es sich noch um Erotik oder schon um Pornografie handelt? Erotikfilme werden für ab 18-Jährige und das Nachtprogramm freigegeben, Pornofilme hingegen sind sendeunzulässig, dürfen also überhaupt nicht im Fernsehen ausgestrahlt werden.

In den Diskussionen des Prüfausschusses nach dem Ende der Filme wurde mir deutlich, worauf geachtet wurde – vorher hätte ich Filme, die zu 80 Prozent aus Sex bestehen, jedenfalls nicht in Porno- oder Erotikfilme differenzieren können. Obwohl beide eine Stimulationsabsicht haben, steht körperliche Sexualität in Erotikfilmen im Zusammenhang mit personalen Beziehungen. Es bestehen außersexuelle Lebensbezüge und die Sexualpartnerinnen und -partner sind nicht objektiv austauschbar – in anderen Worten: Eine Handlung ist vorhanden, wie ausgefeilt und originell diese ist, darf jedoch nicht bewertet werden. Im Gesamtkontext muss sexuelle Selbstbestimmung herrschen, Sexualpartnerinnen und -partner werden nicht degradiert, Sex und Gewalt nicht vermischt. Sexualität darf zudem nicht in aufdringlicher Weise dargestellt werden. Für Erotikfilme bedeutet das, dass keine primären Geschlechtsmerkmale gezeigt werden dürfen. Die fragwürdigen Kameraeinstellungen auf Oberschenkel und Rücken sowie minutenlange Fokussierungen auf Brüste ergaben im Nachhinein für mich so auch gleich mehr Sinn.

Ein Barbiepuppen-Paar nackt ineinander verschlungen/sich umarmend © FSF
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Und das läuft dann wo? 

Gefragt habe ich mich auch, wo denn überhaupt noch Erotikfilme im Fernsehen laufen – die Zeiten von Werbespots mit nackten Frauen ab Mitternacht waren meines Wissens nach doch eigentlich vorbei. Geprüft werden die Filme für Beate Uhse TV, einen Pay-TV-Sender, der sich über Sky abonnieren lässt. Pay-TV-Sender haben die Möglichkeit, eine sogenannte Jugendschutzvorsperre, in der Regel in Form eines PIN-Codes, zu nutzen. Die Vorsperre erlaubt es, zwei Sendeschienen früher zu senden, als es die Altersfreigabe normalerweise erlauben würde – im Pay-TV können so Erotik-, Horror- oder Actionfilme mit einer Freigabe für das Nachtprogramm, also ab 23 Uhr, bereits ab 20 Uhr gesendet werden.

Die Frage, ob ich während meines Praktikums bei der FSF neue und interessante Erfahrungen machen konnte, kann ich also guten Gewissens mit ja beantworten.

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Weitere Informationen zu Vorschriften und Anforderungen an digitale Vorsperren als Alternative zur Vergabe von Sendezeitbeschränkungen sind im Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (§ 5 Abs. 3 Nr. 1; § 9 Abs. 2 JMStV) sowie in der Jugendschutzsatzung der Landesmedienanstalten (§ 2 bis § 5 JSS) zu finden.”

Über Laura Keller

Laura Keller studierte Kultur- und Bildungswissenschaften an der Leuphana Universität Lüneburg, bevor sie ihren Master in Kinder- und Jugendmedien an der Universität Erfurt begann. Sie gibt medienpädagogische Workshops in Schulen und hofft, Kinder und Jugendliche für den kritischen und kreativen Umgang mit Medien zu begeistern. Während ihres Praktikums gewann sie Einblicke in die Arbeit der FSF.