Insta-What?: #newswg

Postings, Filter, Likes und Stories – ein bisschen Selbstinszenierung hier, viele kreative Ideen dort und das alles umrahmt von ganz vielen Hashtags. Herzlich Willkommen in der bunten Welt von Instagram: das digitale Fotoalbum, das weltweit zu den beliebtesten Social-Media-Diensten gehört. Doch wer und was zeigt sich eigentlich auf der Plattform, die allein in Deutschland 15 Millionen Nutzerinnen und Nutzer zählt? Welche Trends lassen die Likes- und Kommentarfunktionen heiß laufen, welche Themen werden wie ausgehandelt? Und was macht Instagram mit uns? In unserer neuen Blogreihe Insta-What? wollen wir den vielfältigen und facettenreichen „Insta-Kosmos“ ein wenig genauer unter die Lupe nehmen.

Der neueste Text in unserer Beitragsreihe – geschrieben von Lena Wandner – dreht sich um die news_wg.

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#newswg – Von der Weltpolitik ins WG-Zimmer

Instagram und seriöser Journalismus – das schließt sich doch aus, oder? Zugeben, hier prallen Welten aufeinander, schließlich suggeriert uns Instagram fast schon überschwänglich eine heile, schöne Welt, in die politische Konflikte mal so gar nicht reinpassen, oder etwa doch? Ein genauerer Blick in den Insta-Feed lohnt sich: Aufgepasst, hier kommt die News-WG.

Die News-WG ist ein Projekt des Bayerischen Rundfunks, welches von einem Team junger Volontärinnen und Volontäre ins Leben gerufen wurde. Mit dem Ziel, ein digitales Nachrichtenformat für junge Leute zu etablieren, ging der Instagram-Account news_wg im September 2018 an den Start und entwickelte sich bis jetzt zu einem echten Erfolg.

Die Gesichter des jungen Accounts sind Helene, Sophie und Max. Unter dem Hashtag #newswg berichten sie täglich über ein aktuelles Thema aus dem Bereich Politik, Weltgeschehen oder auch aus ihrem normalen WG-Alltag, denn bei der News-WG ist der Name Programm. In einer Wohnung in München wird zusammengelebt, recherchiert und eben Nachrichten produziert. Die Meldungen entstehen dabei nicht in professionellen Studios, sondern in der WG-Küche, bei Kaffee und Selfie-Modus. Doch was ist das Anliegen dahinter?

 

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Nachrichten zum Verstehen und Mitreden

Das Team, das aus mehreren redaktionellen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unter der Leitung von Katrin Pötzsch zusammenarbeitet, hat es sich zum Ziel gesetzt, Nachrichten für junge Menschen interessant, aber in aller erster Linie verständlich aufzubereiten. Konzentriert wird sich dabei auf Instagram, denn hier verbringt die anvisierte Zielgruppe von 18- bis 29-Jährigen einen Großteil ihrer Freizeit und informiert sich. So zeigen die Ergebnisse des Reuters Digitalreport 2019, dass jeder vierte Nutzer im Alter von 18 bis 24 Jahren auf Instagram regelmäßig das Nachrichtengeschehen verfolgt. Während die Nachrichtennutzung über soziale Medien steigt, werden Nachrichten im linearen Fernsehen, insbesondere von Jüngeren, immer weniger rezipiert. Die News-WG repräsentiert somit in gewisser Weise den Versuch der Öffentlich-rechtlichen, auf den Zug des digitalen Storytellings aufzuspringen, um junge Menschen auch weiterhin zu erreichen.

Doch das Erfolgskonzept der News-WG erklärt sich nicht nur durch ihre Präsenz auf Instagram. Nein, es ist die Balance zwischen sorgfältig recherchiertem Journalismus und einer humorvollen, oftmals alltagsnahen Darstellung aktueller Geschehnisse. So wird beispielsweise die „CO2-Steuer“ mithilfe eines Kaffeesatzes, oder der Brexit mit einem „May-Ärger-dich-nicht“-Spiel erklärt. Auch wenn diese spielerische Darstellung aktueller Themen ab und zu zum Schmunzeln einlädt, so schafft sie es doch, komplexe Sachverhalte verständlich zu machen.

Verpackt werden die aktuellen Meldungen in Fotos und kurze Videos, die das jeweilige Thema anteasern und erste wichtige Fakten bereitstellen.

Das Herzstück der Berichterstattung sind jedoch die täglichen Insta-Stories, also kurze Clips, in denen ein bestimmter Sachverhalt aufgearbeitet wird. Dies geschieht in der bekannten Instagram-Manier, es wird auf Sticker, Gifs, Swipe Ups und Musikuntermalung zurückgegriffen. Das Resultat: eine abwechslungsreiche und unterhaltsame politische Berichterstattung, die sogar noch zum Partizipieren einlädt, denn die Interaktion mit dem User hat in der News-WG einen hohen Stellenwert. So können Zuschauerinnen und Interessierte in den Storys an Meinungsumfragen teilnehmen und unter Postings ihre eigenen Erfahrungen und Meinungen zu einem Thema äußern.

Berichterstattung auf Augenhöhe

Neben journalistischen Standards werden Persönlichkeit, Authentizität und vor allem Ehrlichkeit besonders großgeschrieben. Wichtig ist den jungen Darstellern um Sophie, Max und Helene eine Berichterstattung auf Augenhöhe. Es wird bewusst auf schwierige Fachbegriffe, Fremdwörter und faktenüberladene Meldungen verzichtet. Die jeweiligen Nachrichten werden kurz und kompakt zusammengefasst, wobei oft eine kleine Anekdote aus dem WG-Alltag als Einleitung für das präsentierte Thema gewählt wird. Das Publikum wird geduzt und in seinen Meinungen und Anregungen ernst genommen – so kommen viele Themenvorschläge auch direkt aus der Community.

Das Feedback der User fällt fast durchweg positiv aus, es wird fleißig geliked und kommentiert und auch die Abonnentenzahl steigt stetig. Momentan verfolgen fast 70.000 Menschen das hippe Nachrichtenformat der News-WG. Dabei wird nicht nur die Zielgruppe, sondern ebenfalls deutlich ältere Menschen werden erreicht. Lob und Anerkennung kommen aber auch von anderer Seite: So erhielt die News-WG bereits nach einem halben Jahr den Goldenen-Blogger-Award und wurde zudem in der Kategorie Kreative Umsetzung mit dem Axel-Springer-Preis 2019 ausgezeichnet.

Privatwirtschaftliche Interessen vs. wirtschaftliche Unabhängigkeit

Auf Instagram, wo vieles eher oberflächlich gehandhabt wird, sind Angebote wie die News-WG eine Besonderheit. Im Vordergrund steht nicht das Generieren von Klicks, sondern das Informieren und damit die Möglichkeit zur Meinungsbildung – ganz im Sinne des Öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Dennoch sollte nicht außer Acht gelassen werden, dass Instagram, primär privatwirtschaftliche Interessen verfolgt, was im Kontrast zur wirtschaftlichen Unabhängigkeit der öffentlich-rechtlichen Anbieter steht. Laut Medienrecht sind den Öffentlich-rechtlichen auch im Netz das Schalten von Werbung und Sponsoring ausdrücklich untersagt. Auf einer werbefinanzierten Plattform wie Instagram ist dennoch teilweise zu beobachten, dass Werbung automatisiert geschaltet wird. Zudem darf nicht vergessen werden, dass Facebook, zu dem Instagram bekanntlich gehört, immer wieder in Skandale um Datenmissbrauch und Intransparenz verwickelt ist. Auch diese Aspekte kollidieren mit den Grundwerten und Prinzipien des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, weswegen fraglich ist, ob das hochkommerzialisierte, intransparente Social Web der geeignete Kooperationspartner ist.

Doch ist es für Rundfunkanbieter in einer zunehmend digitalisierten und medienkonvergenten Welt überhaupt noch möglich, gänzlich auf Social-Media-Aktivitäten zu verzichten? In Anbetracht der aktuellen Entwicklungen wohl kaum. Dennoch sollte die öffentlich-rechtliche Ausrichtung hinter einem Format stets erkennbar sein, schließlich steht diese für Glaubwürdigkeit, journalistische Sorgfalt und Transparenz – Prinzipien, die auch auf Kanälen wie Instagram und Co. unbedingt bewahrt werden müssen.

 

Quellen und Artikel:

Meldungen zum Datenmissbrauch bei Instagram und Co.:

Alle Artikel wurden zuletzt abgerufen am 24. Februar 2020.

 

*** Lesetipps der Redaktion:

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Über Lena Wandner

Lena Wandner studierte Kommunikationswissenschaft und Romanistik an der Friedrich-Schiller-Universität Jena und Kinder- und Jugendmedien an der Universität Erfurt. Ihr Interesse gilt insbesondere der Medienwirkungsforschung und dem Jugendmedienschutz, weswegen sie sich auch für ein Praktikum bei der FSF entschied, zeitweise als freie Blogautorin arbeitete und in 2020 als Social-Media- und Bogredakteurin für die FSF tätig war.