Wenn man heute, 2014, die amerikanische Serie Looking prüft – ob sie, wie vom Sender beantragt, im Tagesprogramm gezeigt werden kann – bemüht man am besten noch einmal die eigene Erinnerung und blickt zurück. Als Carsten Flöter, der erste Schwule in der Lindenstraße am 18. März 1990 einen Mann küsste, war das ein Skandal. Es hagelte wüste Beschimpfungen, man drohte mit Anschlägen und der Schauspieler Georg Uecker sah sich Morddrohungen ausgesetzt. Männer, die sich küssen!! Dieses sittenverderbende Bild könne man Kindern nicht im Tagesprogramm zeigen, ihre seelische Gesundheit stünde auf dem Spiel. Bereits gedrehte Folgen wurden umgeschnitten, fortan stand „der Schwule“ unter schärfster Beobachtung. Die gesellschaftliche Akzeptanz für solche Figuren und Bilder im Mainstreamfernsehen begann sich nur langsam zu wandeln.
Nun startete also am 10. September 2014 die HBO-Serie Looking im deutschen Fernsehen bei Sky Atlantic HD. Die erste Staffel umfasst acht Folgen, eine zweite Staffel ist bereits in Auftrag gegeben worden und soll 2015 gezeigt werden. Das Besondere an der Serie ist, dass ihre Protagonisten fast ausnahmslos homosexuelle Männer sind, ihre Homosexualität als Thema aber nur eines von vielen Themen ist und diese Männer die schwule Kampf- und Anerkennungsphase längst hinter sich gelassen haben.
Es geht um die Freunde Patrick (Jonathan Groff), ein Computerspiele-Designer, den Künstler Agustin (Frankie J. Alvarez) und den Kellner Dom (Murray Bartlett). Während Patrick nach Sex, aber auch nach einer gültigen Beziehung sucht, zieht Agustin mit seinem Freund Frankie zusammen, ohne sein freizügiges Liebesleben deshalb gleich aufzugeben. Dom hingegen hadert mit seinem Alter, er ist 39 und rutscht in eine Midlife-Crisis und er hadert als Kellner mit seinem sozialen Status als Diener fremder Herren. Die Serie spielt in San Francisco im Eureka Valley in der Castro-Community, einer der bekanntesten queeren Nachbarschaften in den Vereinigten Staaten und der Welt.
Mitunter erinnert Looking an Sex and the City, ohne jedoch derart komödiantisch, aufgekratzt und sexkonzentriert zu sein; es lässt an Girls von Lena Dunham denken, ohne jedoch so selbstbesessen und neurotisch zappelig zu sein, abgesehen davon sind hier keine identitätssuchenden Mittzwanziger am Werk, sondern eher Mittdreißiger.
Looking erzählt, getrieben von rasch wechselnden Szenen und dynamisch ineinandergreifenden Dialogen, vom Leben in einer urbanen schwulen Community. Der Empfindungston ist auf mittlere Stärke gestellt, es geht weder prononciert dramatisch noch exaltiert komödiantisch zur Sache. Mikrokosmische Alltagsszenen fügen sich zu Lebensskizzen, die den Zuschauer – so formulierte es eine Prüferin – fast vergessen lassen, dass die Protagonisten ausnahmslos schwul sind. Sie, die drei Freunde, suchen nach dem Sinn des Lebens, dem authentischen Lebensausdruck, nach einer gelungen Work-Life-Balance.
Den einen oder anderen mag das überraschen, Schwule leben nicht auf dem Planeten Ekstasia und sie segeln auch nicht als erotische Libertins um die Welt. Nach eher kämpferisch gestimmten Serien wie Queer as Folk kommt Looking entspannt daher, normalitätsbeflissen.
Der Prüfausschuss konnte nicht feststellen, dass die beiden Auftaktepisoden jüngere Zuschauer in ihrer eigenen Identitätssuche und ihrem sexuellen Reifeprozess „vorzeitig“ stören, negativ beeinflussen oder entwicklungsbeeinträchtigend irritieren. Die Mehrheit des Ausschusses ging vielmehr davon aus, dass die Serie ein aufklärerisches Potenzial besitzt, da es etwaigen Klischees, Negativbildern und immer noch weit verbreiteten Ressentiments entgegenwirkt. Dass sich die Serie um ein authentisches Lebensbild von Homosexualität bemüht, wurde auch von den Prüfern anerkannt, die gegen die beantragte Freigabe stimmten.
Auch wenn man wie in der zweiten Episode Looking For Uncut ein kopulierendes Männerpärchen erlebt, wird das bundesweit wohl keinen Aufschrei provozieren wie damals, als Carsten Flöter einen Mann küsste. Und das ist gut so! Denn die gezeigte Normalität ist eher ein Idealbild und noch längst keine Realität. Die Rezensentin von ZEIT ONLINE jedenfalls verspeiste während des Pflichtsehens der Serie einige Schüsseln mit Cereals – vor lauter Langeweile. Sie schlussfolgerte: „Die Liebeswirrungen von Patrick sind ebenso banal wie die eines Heteropärchens einer deutschen Vorabendserie. Vielleicht ist das aber gerade die gute Nachricht.“
Die Dramedy Looking ist jeden Mittwoch auf Sky Atlantic HD um 21.30 Uhr anzusehen. Auftakt der Serie war vergangene Woche, am 10. September 2014.
Die FSF prüfte zwei Episoden der Dramedy und gab sie für Zuschauer ab 12 Jahren verbunden mit einer Ausstrahlung im Tagessprogramm (6.00 – 20.00 Uhr) frei. Zur ausführlichen ProgrammInfo der Serie Looking oder weiterer ProgrammInfos auf der FSF-Website geht es hier.
Bitte beachten Sie: Bei den Altersfreigaben handelt es sich nicht um pädagogische Empfehlungen, sondern um die Angabe der Altersstufe, für die ein Programm nach Einschätzung der Prüferinnen und Prüfer keine entwicklungsbeeinträchtigenden Wirkungsrisiken mehr bedeutet.
Mehr Informationen zur Programmprüfung erhalten Sie auf unserer Website. Dort veröffentlichen wir jede Woche neue ProgrammInfos zum aktuellen Fernsehprogramm. Auch diese Auswahl stellt keine Empfehlung dar, sondern zeigt einen Querschnitt der Programme, die den Prüfausschüssen der FSF von den Mitgliedssendern vorgelegt werden.