„Ich baue gerade ein Team von Heiligen Kriegern auf, Männer des Glaubens, die bereit sind, ohne Vorwarnung zuzuschlagen, ohne Skrupel.“ sagt Faris al-Farik zu Darwyn Al-Sayeed.
Worum es in der US-amerikanischen Serie Sleeper Cell geht, wird schnell klar: Religion, Islamismus, Fundamentalismus und Terror – dies allerdings überraschend gelungen inszeniert. Hier wird ein Thema aufgegriffen, das angesichts des Terroraktes in Paris auf Charlie Hebdo oder des Bombenanschlags in Boston brandaktuell ist. Nicht sofort sind in der ersten Episode die Guten von den Bösen zu unterscheiden, aber mit dieser Art des Spannungsaufbaus – den Beobachter einige Zeit im Ungewissen zu lassen – spielt die Serie. Mir persönlich kam die langsame Erzählweise entgegen. Möchte man sich als unbedarfter Zuschauer wirklich mit der o.g. komplexen Thematik auseinandersetzen, zu der diese Serie mit ihrer sehr differenzierten Darstellungsweise einlädt, benötigt man eher ruhige und dialogorientierte Einstellungen denn aneinandergereihte actiongesteuerte Ballereien. Entspannung vor der Glotze – Fehlanzeige, Sleeper Cell ist keine leichte Kost.
Die Serie handelt, wie der Titel es verrät, vom Aufbau einer islamistisch geprägten Schläferzelle in Los Angeles. Ein verdeckter FBI-Ermittler (Darwyn) versucht sich einen Zugang zu einer Terrorgruppe um den verschlagenen Anführer Faris al-Farik zu verschaffen, um künftige Anschläge zu verhindern und die Drahtzieher zu entlarven. Zu meinem Erstaunen übt die Serie offen Selbstkritik an einigen Handlungsweisen der USA (Folter an Gefangenen in Abu Ghuraib, fragwürdige Ermittlungsarbeit des FBI). Es gibt keine Schwarz-Weiß-Malerei, verblüffend realitätsnah wird in Szene gesetzt, wie sich der islamische Fundamentalismus längst in die westliche Gesellschaft eingeschlichen hat. Den typischen Schläfer eindeutig zu identifizieren als „bärtigen Mudschahed“ sucht man in dieser kompliziert vernetzten Terroreinheit – einer multikulturellen Gruppe bestehend aus einem blonden Amerikaner, einem weißen Franzosen, einem Ägypter, einem Bosnier und dem Anführer Farik sowie den neu hinzugewonnenen Afroamerikaner Darwyn – vergeblich. Als zu heterogen entpuppen sich die kulturellen Identitäten der selbst ernannten Gotteskrieger, und jeder tritt mit einer anderen Motivation in den Heiligen Krieg. Natürlich darf eine Liebesgeschichte nicht fehlen und so verliebt sich der Held schon zu Beginn seiner Mission in eine Ungläubige und bringt sich damit selbst in Gefahr.
Thematisch lässt sich die Thrillerserie am ehesten mit den Drama-/Actionserien Homeland (2011) oder 24 (2001-2010) vergleichen. Die Inszenierung des „Kriegs gegen den Terror“ wird meiner Meinung nach in Slepper Cell (2005-2006) vielschichtig, weniger stereopyp dargeboten. Radikalismus oder Islamophobie werden nicht plakativ abgebildet, sondern deren Entstehung von den unterschiedlichsten Seiten beleuchtet. Mit Nachdruck wird auf die Vielfältigkeit des Glaubens eingegangen und Unwissenden erläutert, was im Koran steht und auf welch missbräuchliche Weise die Heilige Schrift von einigen wenigen Fundamentalisten fehlinterpretiert und politisch instrumentalisiert wird: „Wissen Sie was Islam auf arabisch heißt? … Ergib dich in Gottes Willen und Frieden. Diese Leute (Anm. d. Red.: Mitglieder der Terrorzelle) haben nichts mit meinem Glauben zu tun!“. Darwyns Äußerung belegt, dass es sich beim hiesigen FBI-Agenten – anders als in 24 – um einen gläubigen amerikanischen Moslem handelt, der für seinen Glauben kämpft. Und das macht das Besondere dieser Serie aus.
Wer jetzt annimmt, dieses schwere Sujet ließe sich nicht fesselnd aufbereiten, der irrt oder sollte sich selbst ein Bild machen. Was Qualität und Spannung angeht, ist sich die Zuschauerkritik im Vergleich zu 24 uneins, Einigkeit herrscht jedoch darüber, dass die zweite Staffel qualitätiv etwas abfällt.
Obgleich 9/11 und auch die Konzeptionsphase der Serie nunmehr schon (mehr als) zehn Jahre her sind, hat das Thema an Aktualität nicht eingebüßt. Ganz im Gegenteil, in Anbetracht der weit verbreiteten, nicht gerade unbegründeten Angst vor terroristischen Anschlägen, rückt dieses Thema immer mehr in unser Bewusstsein. Sofort fallen mir aktuelle Meldungen über deutsche Jugendliche ein, die zum Islam konvertiert sind, um an diesem Gotteskrieg teilzunehmen – und dies bestätigt die These, der islamische Fanatismus ist im Westen angekommen. Unter diesen Umständen scheint es nicht das Schlechteste – zur Vermeidung weiterer auf Unkenntnis und Besessenheit begründeter Radikalität – eine fiktionale Serie anzubieten, die sich der diffizielen Erläuterung dieser hoch komplexen religiösen Materie annimmt. Leider stimmte der Großteil des Publikums nicht mit mir überein, da die gewünscht hohen Einschaltquoten sowohl in den USA als auch in Deutschland ausblieben. Die erste Staffel (10 Episoden) beinhaltet einen komplett abgeschlossenen Handlungsbogen und wurde als beste Miniserie sowohl für den Emmy als auch für den Golden Globe nominiert, zudem erhielt sie in weiteren Kategorien Emmy-Nominierungen. Noch eine Gemeinsamkeit, die diese Serie mit Homeland und 24 teilt, die allerdings auch prämiert wurden.
Der Sender 13th Street zeigt die Serie seit dem 3. Januar 2015 immer samstags um 20.13 Uhr.
Die FSF hat die Serie für die einstige Free-TV-Premiere auf RTL II im Jahre 2008 geprüft und die bearbeitete Fassung für eine Ausstrahlung im Hauptabendprogramm (20.00 – 22.00 Uhr), für Zuschauer ab 12 Jahren freigegen.
Die ProgrammInfo kann hier nachgelesen werden.
13th Street darf die Sendung im Original ausstrahlen, weil der Pay-TV-Anbieter eine Jugendschutzsperre aktivieren kann, die von den Zuschauern mit der Eingabe einer Jugendschutz-PIN freigeschaltet werden muss. Somit gelten die üblichen Sendezeitbeschränkungen und Schnittauflagen nicht. Weitere Informationen zu Vorschriften und Anforderungen an digitale Vorsperren als Alternative zur Vergabe von Sendezeitbeschränkungen sind im Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (§ 5 Abs. 3 Nr. 1; § 9 Abs. 2 JMStV) sowie in der Jugendschutzsatzung der Landesmedienanstalten (§ 2 bis § 5 JSS) zu finden.“
Bitte beachten Sie: Bei den Altersfreigaben handelt es sich nicht um pädagogische Empfehlungen, sondern um die Angabe der Altersstufe, für die ein Programm nach Einschätzung der Prüferinnen und Prüfer keine entwicklungsbeeinträchtigenden Wirkungsrisiken mehr bedeutet.
Mehr Informationen zur Programmprüfung erhalten Sie auf unserer Website. Dort veröffentlichen wir jede Woche neue ProgrammInfos zum aktuellen Fernsehprogramm. Auch diese Auswahl stellt keine Empfehlung dar, sondern zeigt einen Querschnitt der Programme, die den Prüfausschüssen der FSF von den Mitgliedssendern vorgelegt werden.