Kopf oder Zahl?

Die Serie How to Get Away with Murder lässt die Münze entscheiden.

Heute läuft um 20.15 Uhr auf VOX die Krimiserie How to Get Away with Murder als deutsche Free-TV-Premiere an. Die von den amerikanischen ABC Studios produzierte US-Serie erzielte bei der Erstausstrahlung mit über 14 Millionen Zuschauern Traumquoten und avancierte zum meistgesehenen Drama-Debüt in den USA.

Sie trägt ein wallendes, weißes Kleid und das gelockte Haar – durch ihre Augenbinde gehalten – zu einer Hochsteckfrisur drapiert. In der linken Hand hält sie zaghaft eine Waage und in der Rechten mit festem Griff das Richtschwert. Ihr Name ist Justitia – Göttin der Gerechtigkeit und Symbol des Rechtswesens. Sie ist blind für Äußerlichkeiten, vor ihr sind alle gleich, aber manche eben gleicher …

Es heißt, wer als Anwalt erfolgreich sein will, absolviert ein Studium an der renommierten Middelton Law School in Philadelphia. Diesem Rat sind wieder hunderte Jünger der Rechtswissenschaften gefolgt, um den Worten der scharfsinnigen und unnahbaren Koryphäe Annalise Keating zu lauschen. Neben ihrer Professur an der Universität arbeitet sie aktiv als Strafverteidigerin. Sie weiß also, wovon sie spricht, wenn sie ihre Studenten im Kurs Einführung in das Strafrecht – oder wie sie es passender nennt Wie man mit Mord davonkommen kann – mit ihren aktuellen Fällen konfrontiert.

Das Bild ihrer Zuhörerschaft lässt sich oberflächlich auch schnell zeichnen: Gerissene, überambitionierte Workaholics, deren größtes Streben es ist, reich und erfolgreich zu werden und natürlich „Recht zu bekommen“. Sie konkurrieren zusammen mit einer Handvoll Idealisten um die Gunst der Professorin Keating.

In der ersten Fallstudie „Die Aspirin-Mörderin“ verteidigt Keating die Assistentin und Geliebte eines Geschäftsführers einer Werbeagentur. Diese wird der vorsätzlich versuchten Tötung durch den Austausch von Tabletten beschuldigt.
Wer die Professorin in dieser Rechtsfrage durch Wissen sowie einer cleveren Argumentation überzeugen kann und somit die beste Verteidigung für ihre Mandantin hervorbringt, gewinnt die Statue der Justitia und mit ihr ein Veto gegen die Teilnahme an einer Prüfung. Des Weiteren bietet sie den fünf Besten eine Mitarbeit in ihrer Kanzlei. Im Rausch ihrer Mission und die Justitia schon in den Händen haltend, kämpfen die jungen Juristen mit allen Mitteln auf der Suche nach Beweisen. Dabei bemerken sie kaum die Nachrichtenmeldung über eine vermisste Studentin, die wenig später tot in einem Wassertank auf dem Campus gefunden wird.

Der Fall demonstriert die Raffinesse, aber auch Skrupellosigkeit der Anwältin. Obwohl alle Indizien für die Schuld der Angeklagten sprechen, zwingt sie einen Polizisten, mit dem sie eine Affäre führt, zur Falschaussage. So erwirkt sie tatsächlich einen Freispruch und verlässt unter tosendem Applaus ihrer Anhänger den Gerichtssaal.
„Im Zweifel für den Angeklagten“ wird hier zur Phrase, entscheidend vor Gericht sind nicht Justitias Werte, sondern die Entschlossenheit des Anwaltes, mit aller Macht gewinnen zu wollen. Kämen da nicht die Irrungen und Wirrungen der Liebe und folglich die Fehlbarkeit der Menschen ins Spiel. Nicht nur Keating wird diesen Fakt zu spüren bekommen …

Der Mord an der Studentin wird zur Gewissheit und rückt auch ihren Ehemann in den Kreis der Verdächtigen. Der suspekte Gatte steht in Verbindung zu den auserwählten Studenten und zieht sie in den Sog der Intrigen. In solchen Situationen und wenn das Strafgesetzbuch keine Lösung verspricht, greifen auch angehende Anwälte auf herkömmliche Methoden zurück: Sie lassen die Münze entscheiden, wie sie damit umgehen und ob sie als Gruppe zusammenhalten werden. Eines ist hierbei aber sicher, Justitias blütenreines Kleid wird wohl ein paar Blutspritzer abbekommen.

How to Get Away with Murder ist eine mutige und spannende Serie. Wie schon Grey’s Anatomy und andere Erfolgsserien wurde auch dieses Format von Shonda Rhimes produziert und entwickelt. Ihr gelingt es wie kaum einer Zweiten, vielschichtige und authentische Figuren zu erschaffen, die befreit von platten Kultur- und Geschlechterklischees das Publikum fesseln. Allein dem Spiel von Viola Davis zuzuschauen, ist ein gut investierter Fernsehabend. Die dialogorientierte und durch häufige Rückblenden unterbrochene Erzählweise ist fesselnd, aber erfordert auch ein konzentriertes Zuschauen, um folgen zu können. Die einzelnen Handlungsfragmente und Motive setzen sich mit dem Fortlaufen der Serie zu einem Gesamtbild zusammen.

Die Frage der Schuld und Strafe scheint vor Gericht und mit dem Wissen über den Täter nicht gänzlich geklärt. Das eigene Gewissen ist wohl der höchste Richter und in seinem Urteil schonungslos.

Freigegeben ab …
Der FSF lagen die ersten drei Episoden der Krimiserie zur Prüfung vor: Die Serie ist temporeich und sehr dialoglastig inszeniert. Ähnlich wie bei einem Gerichtsprozess haben zahlreiche Dialoge Schlagabtausch-Charakter, was den Einstieg für unter 12-Jährige erschwert. Für ältere Kinder gibt es aber viele Anschlussmöglichkeiten und die Studenten sind für diese Altersgruppe attraktive Identifikationsfiguren. Die Gewaltszenen der ersten zwei Episoden überschreiten nicht das im Hauptabendprogramm (ab 20.00 Uhr) übliche Niveau vergleichbarer Krimiserien, allerdings für unter 12-Jährige können sie eine potenziell nachhaltige Ängstigung bedeuten (z.B. blutüberströmte Frauenleiche). Die desorientierenden Inhalte und die unübersichtliche Handlung – die jüngere Kinder nicht verfolgen können und so außen vor bleiben – sprechen gegen eine Freigabe für das Tagesprogramm. Die dritte Episode enthält keine ängstigenden Bilder oder detailreich inszenierte Gewaltmomente, wie oben beschrieben, zudem gibt es zahlreiche Entlastungsmomente, sodass sie für das Tagesprogramm (ab 6.00 Uhr) freigegeben werden konnte.

Zur ausführlichen ProgrammInfo auf der FSF-Website geht es hier.

Bitte beachten Sie: Bei den Altersfreigaben handelt es sich nicht um pädagogische Empfehlungen, sondern um die Angabe der Altersstufe, für die ein Programm nach Einschätzung der Prüferinnen und Prüfer keine entwicklungsbeeinträchtigenden Wirkungsrisiken mehr bedeutet.

Mehr Informationen zur Programmprüfung erhalten Sie auf unserer Website. Dort veröffentlichen wir jede Woche neue ProgrammInfos zum aktuellen Fernsehprogramm. Auch diese Auswahl stellt keine Empfehlung dar, sondern zeigt einen Querschnitt der Programme, die den Prüfausschüssen der FSF von den Mitgliedssendern vorgelegt werden.

Über Stefanie Kummer

Stefanie Kummer ist Absolventin der DEKRA Hochschule Berlin. Sie wurde nicht, wie zu vermuten, als Kfz-Mechatronikerin ausgebildet, sondern im Bereich der Film- und Fernsehproduktion. Ihre Medienaffinität bewog sie dazu, während eines Praktikums bei der FSF zusätzlich Erfahrungen und Qualifikationen im Bereich Jugendmedienschutz zu sammeln. Neben dem Interesse an Medien interessierte sich Stefanie sehr für die Arbeit mit Kindern. Mittlerweile arbeitet sie im Bereich Medienpädagogik und kulturelle Bildung.