26. September, 6.20 Uhr, Zug in Richtung Halle.
Ziel: die 2. Netzwerktagung Medienkompetenz Sachsen-Anhalt. Eine Veranstaltung der Medienanstalt Sachsen Anhalt (MSA) in Kooperation mit dem Netzwerk Medienkompetenz Sachsen-Anhalt und dem Kompetenzzentrum Frühe Bildung der Hochschule Magdeburg-Stendal.
Thema: Wir kommunizieren, informieren, bilden und vernetzen uns über Medien, längst sind sie fester Bestandteil unseres Alltags. So viele Vorteile die Neuen Medien auch mit sich bringen, so riskant kann ihre Nutzung auch sein. Die Diskussionen der letzten Wochen, ausgelöst durch die Veröffentlichungen von Edward Snowden und die an die Öffentlichkeit gekommenen Aktivitäten der NSA, machen nochmals klar, wie wichtig Wissen über die Systeme hinter dem Mediensystem ist, und wie wichtig Medienkompetenz ist. Die 2. Netzwerktagung Medienkompetenz hatte sich zur Aufgabe gesetzt „Medienkompetenz als Querschnittsaufgabe“ zu thematisieren.
In Halle angekommen begrüßte Matthias Schmidt (Medienanstalt Sachsen-Anhalt) in den imposanten Räumlichkeiten der Leopoldina, Nationale Akademie der Wissenschaften, die doch recht überschaubare Anzahl verbliebener Besucher. Ob die übrigen Tagungsteilnehmer (laut Liste einige mehr als im Festsaal gesichtet) nur den zweiten Tag nicht wahrnahmen oder die Absprungquote grundsätzlich hoch war? Die Reihen waren jedenfalls ziemlich leer. Der Impulsvortrag von Prof. Dr. Stefan Aufenanger (Universität Mainz/AG Medienpädagogik, Institut für Erziehungswissenschaften) mit dem Titel Digitale Medien im Alltag und in der Bildung – neue Formen des Lernens zeigte aktuelle Tendenzen im Bereich Digitaler Medien auf und stellte Mobile Medien, Tablets, Apps oder auch MOOCs als Erweiterung des Lernens für alle Menschen vor.
Es folgte das Panel Erfolgsmodell Scripted Reality: Real und doch nur gespielt. Als Diskutanten/-innen vertreten:
v.l. Anke Bergmann und Christina Heinen (FSF e.V.), Karen Schönherr (medien+bildung.com), Christian Rudnitzki (RTL 2), Martin Heine (Medienanstalt Sachsen-Anhalt),Felix Wesseler (filmpool), moderiert von Maren Würfel (Arbeitsgemeinschaft Kindheit, Jugend und Neue Medien).
Der Impuls von Christina Heinen und Anke Bergmann (FSF e.V.) definierte Scripted Reality als „Coachingformate, Dokusoaps und Telenovelas, die mit den Stilmitteln und Signalen dokumentarischen Erzählens den Anschein erwecken, tatsächliche, spontane Ereignisse abzubilden, deren Handlungsgeschehen aber de facto einem Script folgt. Vermeintlich reale Personen werden von Laien dargestellt, die mehr oder weniger sich selbst spielen und Dialoge improvisieren“.
Im Anschluss stellte Anke Bergmann die Trendbefragung der FSF zu Berlin – Tag & Nacht vor, die gerade im Rahmen der Studie Scripted Reality auf dem Prüftstand entsteht. Nach der Durchführung der Scripted-Reality-Codierungsstudie im Frühjahr 2012 wurden zwischen März und Mai 2013 25 Jugendliche verschiedener Schulformen in Berlin und Cottbus zur Sendung Berlin – Tag & Nacht befragt. Die zentralen Forschungsfragen im Rahmen der Trendbefragung lauten:
– Faszinationspotenzial/Sehmotive?
– Identitätskonstruktion/Anknüpfungspunkte im Alltag
– Werden die Handlungen/Personen für authentisch gehalten?
– Bedeutung von Social Media und Anschlusskommunikation?
Erste Ergebnisse wurden ebenfalls vorgestellt: So gaben 80% der befragten Jugendlichen an, sicher über die Fiktion der Handlung Bescheid zu wissen, alle anderen vermuteten dies. Im Spannungsverhältnis zur echt anmutenden Darstellung gehörten für die Jugendlichen in erster Linie: unecht wirkende Einschränkung der Privatsphäre, empfundene Überdramatisierung des Alltagslebens, zu intime Kameraeinblicke (z.B. bei Streitigkeiten, im Schlafzimmer), nicht nachvollziehbare Reaktionen seitens der Kameraleute (z.B. ein Einbruch wird gezeigt, ohne, dass eingeschritten wird).
Ab Ende Oktober/Anfang November sind die Ergebnisse der Befragung auf der FSF-Website abrufbar.
Einen ersten Clip, der Ausschnitte aus den Interviews zur Frage: Werden die Handlungen / Personen für authentisch gehalten? zeigt, gibt es hier:
Anschließend diskutierte das Podium (Martin Heine (Medienanstalt Sachsen-Anhalt), Karen Schönherr (medien+bildung.com), Felix Wesseler (filmpool) und Christian Rudnitzki (RTL 2)) – moderiert von Maren Würfel – mit dem Publikum über Formate wie Berlin – Tag & Nacht, Next, Please! und Die strengsten Eltern der Welt. Wesseler und Rudnitzki hoben hervor, dass Berlin – Tag & Nacht, welches Berlin als „Sehnsuchtsort“ zeige, andererseits gerade auch in der Thematisierung von Alltagsdingen (Putzplan in der WG, Streit um den leeren Kühlschrank u.ä.) die Lebenswelten und Themen Jugendlicher widerspiegele bzw. ihr auf die eigene Zukunft gerichtetes Interesse wecke. Aus der hohen Jugendaffinität dieses Formates resultiere eine große Verantwortung, Themen angemessen umzusetzen, der man sich durchaus bewusst sei, so Rudnitzki. Michael Gurt (Redakteur beim Elternratgeber Flimmo) kritisierte, dass Berlin – Tag & Nacht sehr einseitig sei in der Darstellung bestimmter Milieus und Körperbilder (gepierct, tätowiert, liebäugelnd mit Brustimplantaten). Rudnitzki hielt dem entgegen, dass man gerade die Diskussion um die Brust-OP sehr sorgfältig an Jugendschutz- und an ethischen Standards orientiert aufgearbeitet habe. Abschließend hielt Maren Würfel fest, dass es nach wie vor einen großen Bedarf an medienpädagogischen Angeboten gebe, die Kinder und Jugendliche in der Ausbildung ihrer Kritikfähigkeit unterstützen, und sie dazu befähigen, Medieninhalte im Hinblick auf ihre Glaubwürdigkeit und ihren Realitätsgehalt zu hinterfragen.