So schön es ist, Serien und Filme über Streamingportale, wann und wo immer man möchte, zu schauen – meist ist man dabei allein.
Früher sah man noch jeden Tag eine Folge GZSZ im Fernsehen, um sich am nächsten Tag auf dem Schulhof darüber auszutauschen. Heute twittern und snapchatten wir über Bachelor, GNTM und Co. Bisher überlassen die Fernsehsender den bereits etablierten sozialen Netzwerken das virtuelle Gemeinschaftserlebnis.
Jeden Mittwoch der vergangenen Wochen hat Laura den Fernseher der Familie in Beschlag genommen. Das begann mit der Ankündigung der 14-Jährigen, dass sie bitte AB JETZT und IMMER um 20:15 Uhr über den Fernseher verfügen möchte und sorgte in der Folge dafür, dass sich mittwochs neben ihr noch ihr Vater und gelegentlich leicht widerwillig ihr jüngerer Bruder vor dem Fernseher einfanden, um dem Bachelor und seinen Gespielinnen beim amüsanten bis peinlichen Flirten zuzusehen. Meine anfängliche Verwunderung bezog sich weniger auf die Tatsache, dass Laura sich für diese Art der Unterhaltung vor dem Fernseher einfand, als vielmehr darauf, dass ihr Vater gleichzog. Die Begründung war und ist aber so einfach wie bestechend: Er genießt es, Zeit mit seiner Tochter zu verbringen – und sie haben ein lustiges, unbelastetes Gesprächsthema. Jeder der eine/n Jugendliche/n (Teenager?) in seiner Wohnung beherbergt, weiß wie wertvoll unverfängliche Themen sind …
Letztlich kann man den Bachelor also durch den Kakao ziehen, wie man will, die Sendung stiftete Gemeinschaft und das ist ein nicht zu unterschätzender gesellschaftlicher Beitrag. Dafür entscheidend: fester Tag und feste Uhrzeit. Ein Termin, der steht und der einfach wahrgenommen wird, indem man auf dem Sofa Platz nimmt. Klar, man hätte das Ganze auch in der Mediathek abrufen können. Aber nicht nur Laura schaltete für den Bachelor ein, auch ihre Schulfreundinnen und der Austausch über Küsse, Fummeleien, „hast Du gesehen, was DIE anhatte“ macht das Schauen zu einem sozialen Event.
Ein kleiner nostalgischer Anfall meinerseits – im Sinne von „ach damals, als wir nur das Fernsehen hatten …“ – war die Folge und brachte mich im zweiten Schritt zu einem weiteren Alleinstellungsmerkmal von TV-Sendungen: das Initiieren von Gemeinschaftserlebnissen.
Wenn beständig über das Ende vom linearen Fernsehen und die Bedrohung durch Streamingdienste gesprochen wird, werden zumeist Live-Events wie Sportereignisse oder Preisverleihungen als Markenkern des Fernsehens angeführt. Doch es ist nicht nur der Live-Moment, es ist auch das gemeinschaftliche Erleben, das das Fernsehen möglich macht. So schön es ist, Serien und Filme zu schauen, wann immer man möchte, meist ist man dabei allein. So versuche ich schon seit Wochen, meine Kollegin dazu zu bringen, ebenfalls The Bold Type zu gucken, damit ich mit ihr, wie früher auf dem Schulhof, am nächsten Tag darüber reden und o.k. – auch ein wenig lästern kann. Als GZSZ, Marienhof und Verbotene Liebe noch fester Bestandteil der Vorabendgestaltung waren, schalteten wir alle zur selben Zeit den Fernseher ein und sprachen am nächsten Tag darüber. Doch durch Netflix, Amazon Prime und Co. ist das vorbei – es sei denn, man verabredet sich zum gemeinsamen Gucken oder spricht das Sehtempo ab. Aber wer macht das schon?
Aus diesem zweiten Alleinstellungsmerkmal lässt sich aber noch etwas anderes ableiten: Bisher überlassen die Fernsehsender das virtuelle Gemeinschaftserlebnis den bereits bestehenden sozialen Netzwerken. Jeden Sonntag gibt es die Tatort-Twitterer, jeden Donnerstag die GNTM-Twitterer, usw.
Auf dem sozialen Netzwerk mit dem Vogel treiben sich aber nicht nur die Menschen, die die Sendung sehen und sich austauschen wollen herum, sondern auch diejenigen, die lediglich kommentieren, wie schlimm es nun sei, dass man Sendung xyz guckt. Und nicht zu vergessen, diejenigen unter uns, die es unterhaltsam finden, nur mitzulesen und dabei herzlich zu lachen. Doch wie wäre es, wenn Fernsehsender – oder von mir aus Sendergruppen – ihre eigenen Plattformen schaffen würden?
Anmeldung vorausgesetzt, könnten sich Fans, egal welchen Formates, in einem abgegrenzten digitalen Raum mit anderen Zuschauern direkt über die Sendung und konkrete Themen aus diesen austauschen. Es gibt bereits Serienanbieter, die mit einem recht ausführlichen Onlineangebot mit Tests und Hintergründen aufwarten. Dieses um einen Chat, eine Austauschfunktion erweitert, könnten so nicht nur Nutzer untereinander, sondern auch die Sender in Kontakt mit den Zuschauern treten. Wäre das nicht für alle ein weitaus schöneres Nutzungserlebnis als auf den großen Plattformen – und es würde zudem die Bindung der Zuschauer verstärken? Aber vielleicht bin ich mit diesen dezentralen Überlegungen auch nur ein wenig nostalgisch …