Fortsetzung des bereits erschienen Beitrages Warum im deutschen Kinderfernsehen seit Jahren eine Zwei-Klassen-Gesellschaft herrscht von Tilmann P. Gangloff.
Während YouTube, Amazon und Netflix dafür gesorgt haben, dass den etablierten Programmen die jungen Zuschauer abhanden kommen, wird das Internet bei den deutschen Kindersendern vor allem als Chance betrachtet. Für den KiKa werde Video-on-Demand „ein ganz wichtiger Baustein“, sagt der ehemalige KiKa-Chef Michael Stumpf (seit Anfang Januar Leiter des Kinderfernsehens im ZDF) und kündigt für Mitte des Jahres den Start einer neuen Mediathek an. Es sei wichtig, sich „aus dem Korsett des linearen Programms zu befreien.“ In den letzten Jahren hätten zudem alle Internetangebote einen Relaunch erfahren. Seit 2017 ist der KiKa auf Facebook vertreten, außerdem wurde eine eigene YouTube-Plattform gestartet: „Wir müssen dahin gehen, wo unsere Zielgruppen sind.“
SUPER RTL ist bereits zwei Schritte weiter. Der Sender hat vor knapp drei Jahren das abobasierte Videoportal Kividoo gestartet. Das finanzielle Niveau, so Geschäftsführer Claude Schmit, „ist nicht mit dem klassischen Fernsehen zu vergleichen, wird aber in Zukunft ein immer größeres Thema.“ Außerdem hat er dafür gesorgt, dass die Geschäftsleitung um den Posten eines Chief Digital Officers ergänzt worden ist. Boris Bolz soll digitale Strategien entwerfen, „und zwar nicht im Stil einer Alibi-Digitalisierung, sondern als Ausdruck einer grundsätzlichen Veränderung unserer Denkweise. Ein Medienunternehmen muss heutzutage digital denken. Es wird nicht genügen, ein bislang analoges Produkt zu digitalisieren.“ Die erste Antwort auf die digitale Herausforderung war zwar sehr wohl analog, aber ein voller Erfolg: TOGGO plus zeigt das Programm von SUPER RTL um eine Stunde zeitversetzt und überflügelt laut Schmit bei den Marktanteilen teilweise schon Nick.
Disney setzt laut Thorsten Braun, dem Chef des Disney Channels, schon seit dem Senderstart im Januar 2014 auf „eine klare crossmediale Strategie.“ Die kostenlose App für Smartphones und Tablets, die einen direkten Zugriff auf den Livestream sowie auf ausgewählte Inhalte in der Mediathek erlaube, sei bislang rund 3,2 Millionen mal runtergeladen worden. Serien-Highlights erreichten dort Abrufzahlen im zweistelligen Millionenbereich. Darüber hinaus biete Disney verschiedene YouTube-Kanäle. Braun und sein Nick-Kollege Steffen Kottkamp betonen zwar, dass das Fernsehen in der Mediennutzung der deutschen Kinder nach wie vor mit Abstand die Nummer eins sei; allerdings habe die nonlineare Nutzung laut Kottkamp zuletzt deutlich zugelegt. Fast 70 Prozent der sechs- bis 13-Jährigen und somit zehn Prozent mehr als 2014 nutzten vermehrt andere Plattformen. Deshalb mache Nick „die Marke mit ihren Formaten und Charakteren überall erlebbar, wo Kinder sind.“
Stumpf verweist angesichts der Strategien der drei kommerziellen Konkurrenten auf das eigentliche KiKa-Ziel: die Qualitätsmarktführerschaft. Von den anderen Sendern unterscheide sich der KiKa zudem durch die Werbefreiheit, auch und gerade beim Onlineabruf. Und noch eins spreche für die Tochter von ARD und ZDF: „YouTube hat kürzlich eine eigene App für Kinder gestartet, kann aber nicht garantieren, dass die Algorithmen ausgetrickst werden und unsichere Inhalte durchrutschen.“ So etwas könne beim KiKa-Programm nicht passieren: „Wir sind so was von safe!“ Schmit wiederum hält die Streamingdienste offenbar für eine größere Konkurrenz als den KiKa, schließlich leben die beiden seit zwanzig Jahren in einer friedlichen Koexistenz: SUPER RTL werde in Zukunft „wesentlich mehr Live-Ereignisse veranstalten; so etwas wird es bei Amazon und Netflix auf absehbare Zeit zumindest im Kinderbereich nicht geben.“ Der ohnehin stets zuversichtliche Luxemburger blickt gelassen in die Zukunft: „Wir haben es geschafft, den jungen Zuschauern in der alten Medienwelt ihr Lieblingsprogramm zu zeigen. Ich wüsste nicht, warum uns das in der neuen Medienwelt nicht auch gelingen sollte.“