Streaming, Frauenrolle und der ewige Kampf um Veränderung

Streamen, also das Abspielen von Videoinhalten über das Internet, erfreut sich weltweit einer immer größeren Beliebtheit. In Zeiten von Corona und den damit verbundenen sozialen Einschränkungen sind die Zahlen der abgeschlossenen Abos bei Streamingdiensten merklich in die Höhe geschossen. Allein Netflix kommt im Jahr 2020 auf mehr als 170 Millionen Abonnierende, über 7 Millionen davon in Deutschland.

Ob nun Netflix, Amazon Prime, Sky, TNT oder Joyn, das Angebot an Serien und Filmen scheint schier endlos zu sein. Ein Grund mehr, sich mit dem, was in den Mediatheken Tag und Nacht abrufbar ist, genauer auseinanderzusetzen. Bei vielen Streamingportalen lassen sich neben alten Serienformaten auch neue Eigenproduktionen abrufen, die den anderen in nichts nachstehen. Doch obwohl diese im Angesicht des aufgeschlossenen 21. Jahrhunderts abgedreht wurden, verharren sie in veralteten Klischees und Stereotypen. Im Mittelpunkt all jener klischeebehafteten Rollen stehen die der Frauen, was schon seit Jahren öffentlich kritisiert wird. Eine von der Film- und Medienstiftung NRW, dem ZDF und der MaLisa Stiftung geförderte Studie legt den „Finger in die Wunde“ und untersucht die (fehlende) Diversität in Serien und Filmen in den Angeboten der verschiedenen Streaminganbieter.

 

Darstellung der Frauen in den Medien

Es ist nicht das erste Mal, dass die MaLisa Stiftung auf die stets monotonen Geschlechterbilder in Medien aufmerksam macht. Neben der kürzlich veröffentlichten Studie Geschlechterdarstellungen und Diversität in Streaming- und SVOD-Angeboten wurden auch schon die Geschlechterdarstellungen in Film und Fernsehen (2017) und die Darstellungen der Geschlechter in den neuen Medien (2019) analysiert. Bei der MaLisa Stiftung handelt es sich um eine von der Schauspielerin und Ärztin Maria Furtwängler und ihrer Tochter Elisabeth ins Leben gerufene Stiftung, die seit 2016 das Ziel von einer freien, gleichberechtigten und vielfältigen Gesellschaft verfolgt. Im Fokus stehen die Überwindung von typischen Rollenbildern, eine ausgewogene Darstellung aller Geschlechter in den Medien und das Ende der Gewalt gegen Frauen.

Eckdaten der Studie:
Die im Folgenden vorgestellte Studie erfolgte unter der Leitung von Professor Dr. Elizabeth Prommer, vom Institut für Medienforschung der Universität Rostock. Untersucht wurden rund 200 Serien verschiedener Streamingdienste, die zwischen 2012 und 2019 abrufbar waren. Im Mittelpunkt der Erhebung standen unter anderem die ethnische Vielfalt, die Geschlechterdarstellung und die sexuelle Orientierung der Hauptfiguren innerhalb der Serien und Filme.

Bild von 272447 auf Pixabay
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Die ewigen Klischees

Die Methoden zum Streamen mögen fortschrittlich sein, doch die Ergebnisse der Analyse verdeutlichen, wie gerade Frauen in den untersuchten Formaten nicht nur in Rollen antiquierter Stereotypen zu sehen sind, sondern sich auch deutlich in der Minderheit befinden. Im globalen Vergleich sind nur fast 42 Prozent der Frauen in zentralen Rollen dargestellt, in deutschen Produktion kommen sie nur in knapp 35 Prozent vor. Diese Unterbesetzung bringt Deutschland – im weltweiten Vergleich – sogar den letzten Platz ein. Es braucht kein Diplom in Mathematik, um zu sehen, dass die übrigen Hauptrollen zu ungefähr 65 Prozent an die Männer gehen. Doch wer nun annimmt, es sei in den im Fernsehen ausgestrahlten Serien anders, der täuscht sich. Bis auf wenige Prozentpunkte gibt es keinen Unterschied.

 

Was ist das ideale Frauenbild?

Der genaue Blick auf die von Frauen besetzten Rollen offenbart, dass diese überwiegend in Romantik-Formaten und Dramen wiederzufinden sind. Nur selten geben sie die Actionheldin oder die Abenteurerin – diese Figuren werden primär von männlichen Kollegen verkörpert. Es scheint fast so, als ob die Frauen den Schritt raus aus den 50er-Jahren verpasst haben. Denn auch die genderspezifischen Eigenschaften (bspw. Aussehen) sind bei der Besetzung von bedeutender Relevanz. So entspricht die Mehrheit der Frauenabbildungen nach wie vor dem Weltbild der schlanken, hochgewachsenen, fast schon makellosen Frau und damit einer Traumvorstellung fernab jeglicher Realität. Damit dies auch umgesetzt werden kann, sind die zu spielenden weiblichen Filmcharaktere oftmals auch auf ein bestimmtes Alter festgelegt. Wie die Studie zeigt, geht die Form der Inszenierung mit einem bestimmten Alter der Schauspielenden einher. So werden bis zu einem Alter von 34 Jahren Männer und Frauen gleich häufig dargestellt. Ab einem Alter von ca. 50 Jahren finden Erzählungen weiblicher Lebenswelten kaum oder gar keine Plattform. Männliche Kollegen im selben Alter werden hingegen dreimal so oft porträtiert.

 

Und der Verlierer ist…

Kaum Abbildung finden mit 0,5 Prozent Darstellung die „nicht-binären Figuren“ oder jene, mit anderen Geschlechtsidentitäten. Und auch die sexuelle Orientierung der Filmfiguren präsentiert ein längst überholtes Bild. In der überwiegenden Mehrheit werden sowohl die Frauen als auch die Männer heterosexuell dargestellt (91%). Homo- und bisexuell orientierte Charaktere finden kaum Eingang in die Film- und Serienhandlungen der Streaminganbieter. Und wenn doch, dann werden schwule Männer doppelt so häufig gezeigt gegenüber lesbischen Frauen. Bei diesen Ergebnissen stellt sich die Frage, warum sich die Filmindustrie so an alte Klischees klammert und sich nicht stärker für eine vielfältige Darstellung einsetzt.

 

Frauen – hinter der Kamera

Schon seit Jahren kämpfen berühmte Schauspielerinnen, bspw. Charlize Theron, für mehr Diversität vor und auch hinter der Kamera. Denn der Film-, Fernseh- und auch Streamingsektor ist nach wie vor eine von Männern dominierte Branche. Daher bemüht sich in Deutschland u.a. das ZDF um mehr Vielfalt, besonders hinter den Kulissen. Insgesamt überwiegen Kameramänner (90%) und Regisseure (78%) gegenüber ihrer weiblichen Kolleginnen. In Deutschland hat sich die Filmindustrie zum Ziel gesetzt, in den kommenden Jahren solche Positionen mit einem höheren Anteil an Frauen zu besetzen. Waren es 2018 nur knapp ein Fünftel, üben heute fast doppelt so viele Frauen diesen Job aus. Bleibt nur zu hoffen, dass die vielfältigen Darstellungen aller Geschlechter zunimmt und auch der weibliche Einsatz hinter der Kamera zur Selbstverständlichkeit wird – ohne es immer wieder thematisieren zu müssen.

 

 

Quellen:

Über Sarah Boost

Sarah Boost hat Geschichte und Deutsche Literatur an der Humboldt Universität zu Berlin studiert. Ihr Interesse an Medien bewog sie dazu, ein Praktikum bei der FSF zu machen. Hier konnte sie ihrer Vorliebe für das Schreiben nachgehen. Als freie Autorin unterstützt sie weiterhin den fsf blog.