YouTube: Zwischen Trends, Pranks und Pornografie?

Schon häufiger haben wir über YouTube berichtet und Eltern über mögliche Gefahren für Kinder und Jugendliche auf der Plattform informiert. Seitdem sind weitere Fallstricke hinzugekommen, auf die wir heute hinweisen wollen. YouTube wird in Deutschland vorrangig von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen genutzt und ist daher schon seit einigen Jahren Gesprächsthema auf dem Schulhof. Gemäß einer Studie der Jugendkultur-Messe YOU aus dem Jahr 2015 schauen 82,3 Prozent der jungen Menschen im Internet Videos, womit YouTube seinen Siegeszug bei den Onlineaktivitäten fortsetzen konnte. Bei den 6- bis 8-Jährigen bewegen sich laut der DIVSI-U9-Studie (S. 73) bereits 27 Prozent auf der Bewegtbild-Plattform.

Das deutsche YouTube-Universum setzt sich aus einem bunten Sammelsurium sensationsheischender Titel, die Kinder bereits aus einschlägigen Boulevardblättern kennen dürften, und bunten Thumbnails zusammen, die sich in letzter Zeit vermehrt roter Pfeile und Kreise bedienen. Diese ästhetischen Merkmale gelten als Erfolgsfaktoren auf YouTube. Besonders die Videos, die innerhalb der deutschsprachigen Community trenden, erregen die größte Aufmerksamkeit. Zwar gilt auch hier: nicht alle Trends muss man mitmachen, in diesem Fall ansehen. Doch an denen auf YouTube kommt man als Nutzer kaum vorbei.

Screenshot Bildausschnitt Startseite YouTube
Screenshot Startseite YouTube | Bild durch Klick vergrößerbar

In den YouTube Trends werden die Videos aufgelistet, welche die meisten Aufrufe, Bewertungen und Kommentare generiert haben. Egal, ob mit persönlichem Account oder ohne, gut sichtbar und mehrmals sind die Trends in die Startseite integriert. Eine symbolische Flamme als Icon weist Kinder und Jugendliche darauf hin, dass sich dort das „wirklich angesagte“ Videomaterial finden lässt. Und bedeutet für Erwachsene, dass sie sich mit einem Klick schnell am Broadcast-Yourself-Universum verbrennen könnten. Denn es ist nicht immer schön, was sich da frei zugänglich für jede Altersgruppe alles finden lässt. Die meisten der dort aufgelisteten Videos sind weit entfernt von einem pädagogisch wertvollen Anteil. Aber erwartet man den im Rahmen des Videoportals überhaupt? Das, was man stattdessen manchmal findet, jedenfalls schon mal nicht.

Im Trends Dashboard kann man die in der Community am häufigsten angesehenen Videos der letzten 24 Stunden nach Land und Altersgruppe filtern (beginnend bei den 13- bis 17-Jährigen) und so erkennen, was die jungen Menschen gerade umtreibt und möglicherweise auf dem Schulhof diskutiert wird. Zudem können auch nur jene Videos herausgefiltert werden, die in den letzten 24 Stunden am häufigsten über Social-Media-Kanäle wie Facebook und Twitter geteilt wurden. Das Dashboard wird allerdings als eines der älteren Tools auf der Videoplattform in absehbarer Zeit deaktiviert und durch diese Seite youtube.com/trending ersetzt. Doch was muss ein Video beinhalten, damit es überhaupt in den Trends gelistet wird? Zum Beispiel einen Skandal.

Vor einigen Wochen löste ein Video vom YouTuber Mert Matan scharfe Diskussionen aus, die es folglich gleich in die Trends katapultierten. Inhaltlich plant er darin eine Gay Prank an seinem Vater. Pranks sind Streiche, die es zu allen erdenklichen Themen auf YouTube gibt – von der vorgetäuschten Schwangerschaft über Betrug bis hin zu bestohlenen Großeltern ist alles dabei. Alles Fake natürlich und nur, um die Reaktionen der Mitmenschen zu filmen.

Screenshot YouTube Suchergebnis Mert Matan
Screenshot YouTube Mert Matan | Bild durch Klick vergrößerbar

Mert Matan erzählt seinem Vater bei der Gay Prank, dass er homosexuell sei und wird daraufhin von ihm verprügelt. Wie wirkt das wohl auf Jugendliche, die sich gemeinhin auf der Suche nach Orientierung befinden und vielleicht mit dem Gedanken spielen, sich zu outen?
Einige Tage später entschuldigte sich Mert in einem zweiten Video und bezeichnete die Prank als soziales Experiment. Diese fragwürdige Klarstellung landete allerdings nicht in den Trends. Das Ganze weitete sich zu einem medialen Skandal aus und heute sind beide Videos nicht mehr abrufbar. Die Gay Prank zog zudem eine Reihe von Konsequenzen für Mert nach sich wie etwa den Rauswurf aus seinem Netzwerk. Diese Grenzüberschreitung veranschaulicht, dass eben doch nicht alles in der Community geduldet und akzeptiert wird. „Spaßvogel“ Mert macht indes weiter mit seinen Pranks und verzeichnet damit über 800.000 Abonnenten.

Eine weitere YouTuberin mit großer Fangemeinde und fragwürdigen Videoinhalten ist die Leipzigerin Katja Krasavice. Sie steht nach eigener Aussage dazu, dass sie „krank und gestört“ sei, und erzählt in ihren Videos offenherzig von ihren sexuellen Vorlieben. Das Ganze unterstreicht Katja, indem sie sich vor der Kamera anfasst. Häufig sagt sie Piep, um das Gesagte zu entschärfen und nicht gesperrt zu werden, verziert auch Videotitel und Thumbnails mit dem Zensursternchen, doch wovon sie spricht, weiß eigentlich jeder.

Screenshot YouTube Inhaltswarnung Twerken
Screenshot YouTube Inhaltswarnung | Bild durch Klick vergrößerbar

Einige ihrer Videos, in denen sie zum Beispiel verschiedene Formen des Twerkens darstellt, sind nur einem Publikum ab 18 Jahren zugänglich. Trotzdem trenden diese Videos regelmäßig. Die Altersverifizierung ist nur wenige Klicks entfernt und Anleitungen, wie man die Sperre auf YouTube umgehen kann, gibt es im Internet bedenklich viele. Katja kann indes Gesamtaufrufe in neunstelliger Höhe vorweisen und beweist mit ihren vielfältigen Produktplatzierungen, dass sich mit diesem Content alles verkaufen lässt. YouTube und das selbstzensierte Reden über Sex sind demnach zu einem äußerst lukrativen Geschäft für sie geworden – die Hüllen lässt sie aus diesem Grund lieber auf anderen Plattformen fallen.

Je älter die ausgewählte Zielgruppe im Trends Dashboard wird, umso harmloser werden die am häufigsten geklickten Videos – weniger Pranks, weniger Katja.
Let’s Plays tummeln sich bei jeder Altersgruppe unter dem meistgeklickten Bewegtbildern. Zudem gibt es geschlechtsspezifische Unterschiede. Bei Mädchen landen beispielsweise die konsumorientierten Beauty-YouTuber/ -innen mit ihren Morgenroutinen und dm-Hauls (Kosmetikeinkäufen) eher in den Trends.

Die Frage ist, inwieweit die skizzierten Videoinhalte eine nachhaltige und entwicklungsbeeinträchtigende Wirkung für Heranwachsende haben. Vielleicht sorgt die Fülle an Bewegtbildern und der veränderte Umgang mit diesen, in dem eher viele Videos hintereinander geguckt werden, in Verbindung mit den wechselnden Trends ja sogar dafür, dass das Gesehene mit einem Klick so schnell weg ist, dass es gar keine desorientierende Wirkung entfalten kann. Trends vergehen schnell. Die oben Beschriebenen vielleicht auch.

YouTube bietet allerdings auch die Möglichkeit eines eingeschränkten Modus an, der die von anderen Usern gemeldeten sowie unangemessenen Videos filtert. Jugendmedienschutz im Internet ist eine Dimension, die nur schwer zur Zufriedenheit aller erfüllt werden kann und die bei Kindern und Jugendlichen auch weiterhin die aktive Beteiligung der Eltern erfordert.

Über Laura Carius

Laura Carius hat Kommunikations- und Medienwissenschaften in Halle und Leipzig studiert, sammelte Erfahrungen in der PR- und Onlinekommunikation, war Werkstudentin bei der Leipziger Buchmesse und gewann bei der FSF Einblicke in den Jugendmedienschutz. Aktuell arbeitet sie bei einem Digitalverband in Berlin.