Als Foren rassistischer Hetze werden soziale Netzwerke wie Facebook immer häufiger missbraucht. Christiane Schneider, Leiterin des Bereichs Politischer Extremismus der Webseite jugendschutz.net, sieht die Gründe u. a. in der Möglichkeit, auf diesen Verbreitungswegen mit geringen Mitteln ein Massenpublikum multimedial zu erreichen. Die gegenwärtige Debatte zur Flüchtlingspolitik belege, „wie anschlussfähig rechtsextreme Agitation an gesellschaftliche Debatten“ sei, so Schneider. Offensiv gründeten sich Gruppen bei Facebook, um gegen Flüchtlingsheime an einzelnen Orten vorzugehen. Immer wieder ermitteln Staatsanwälte wegen des Straftatbestandes der Volksverhetzung (§ 130 Strafgesetzbuch [StGB]) in sozialen Netzwerken.
Gemäß § 130 StGB (1) wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft, wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören,
1. gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung zum Hass aufstachelt, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen auffordert […]
2. die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er eine vorbezeichnete Gruppe, Teile der Bevölkerung oder einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet.
Und die Gerichte sind streng, wenn es um die Verurteilung rechtsextremer Äußerungen im Internet geht. So wurde ein 34-jähriger Berliner zu einer Geldstrafe (Anm. d. Red.: Quelle swr.de; Link mittlerweile inaktiv) in Höhe von 4.800 Euro wegen Volksverhetzung auf Facebook verurteilt. Er hatte bei einer Diskussion um ein Heim Erschießungen und Gaskammern gefordert. Weitere im Zweifel einschlägige Straftatbestände sind das Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen (§ 86 StGB) und das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (z. B. Hakenkreuze, § 86a StGB).
Zudem kündigte die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) in ihrer Pressemitteilung vom 7. September 2015 an, entsprechende Verdachtsfälle genau zu prüfen und Verstöße konsequent zu ahnden. Der Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) regelt in seinem Unzulässigkeitskatalog (§ 4 Abs. 1) u. a. die oben genannten Verbote des Strafgesetzbuches (vgl. § 4 Abs. 1 Nr. 1 – 3 JMStV): Die Verbreitung entsprechender Inhalte und Angebote ist im Rundfunk wie auch in den Telemedien absolut verboten. Verstöße können medienrechtlich mit hohen Bußgeldern bis zu 500.000 Euro geahndet werden.
Im Fokus wachsender Kritik steht neben rechtsextremen Nutzern auch Facebook selbst. Trotz entsprechender Hinweise verblieben beanstandete Kommentare unangetastet im Internet. Hingegen verschwänden Beiträge sexueller Natur recht zügig nach Meldung. Eine Erklärung dafür findet sich möglicherweise in der internen Unternehmensphilosophie von Facebook. So muss der Social-Media-Dienst bei mehr als 1 Mrd. Nutzer den Spagat zwischen weltweit sehr unterschiedlichen Werten und Gesetzen vollziehen. Bei Sexdarstellungen beispielsweise sind US-Amerikaner empfindlicher; hingegen ist die Meinungsfreiheit in den USA breiter definiert als in Deutschland. Vor diesem Hintergrund versucht Facebook abzuwägen, ob der Beitrag gelöscht werden muss oder ob es adäquate Gegenmittel gibt. So setzt Facebook auf das sogenannte „Counter-Speech-Prinzip“: Hass soll durch entgegengesetzte Botschaften neutralisiert werden.
Damit geben sich Politiker demokratischer Parteien nicht zufrieden. Bundesjustizminister Heiko Maas bat Facebook zum Gespräch: „Facebook, wir müssen mal reden“ mahnte er auf seiner eigenen Facebook-Seite an. Mit ihm traf sich Facebooks Stellvertreter für Europa, Richard Allan, am 14. September 2015 in Berlin. Maas hatte zuvor harte Forderungen gestellt: Facebook solle seine eigenen Gemeinschaftsstandards strikter durchsetzen und rechtsextreme Äußerungen im Zweifel lieber löschen als stehen lassen. Des Weiteren solle das Unternehmen in Deutschland ein nationales Moderatoren-Team aufbauen, um die Beschwerden deutscher Nutzer aufzunehmen und zügig zu bearbeiten. Gewünscht war zudem eine transparente Statistik der eingehenden Beschwerden: Wie groß ist ihre Zahl? Wie lange dauert die Bearbeitung? Wie viele Beiträge werden schlussendlich gelöscht?
Hinter all diesen Forderungen blieb Facebook bei seinen Zusagen zurück. Man einigte sich lediglich auf die Gründung einer „Task Force“, als Arbeitskreis beschickt von Ministerium, Onlineunternehmen und zivilgesellschaftlichen Organisationen. Facebook selbst entsendet keine Manpower in diese Arbeitsgruppe. Das Unternehmen sicherte bloß seine finanzielle Unterstützung zu, strebt aber eine Zusammenarbeit mit der Freiwilligen Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter (FSM) an. Ein Freizeichnen von Verantwortung oder ein erstes Zeichen, dass sich Facebook künftig seiner Verantwortung bewusst wird, die ihm als Träger der Meinungsfreiheit in der digitalen Welt zuwächst?
Aus aktuellem Anlass ist hinzuzufügen, dass mittlerweile ein Würzburger Rechtsanwalt Strafanzeige gegen mehrere Facebook-Manager gestellt hat. Die Staatsanwaltschaft Hamburg ermittelt nun wegen vorsätzlicher Beihilfe zur Volksverhetzung. Möglicherweise aufgrund dieser Geschehnisse lud Facebook einige Journalisten in die Europazentrale des Unternehmens nach Dublin ein; die Einladung sollte dazu dienen, „mit einigen Mythen aufzuräumen“. Zurück bleiben weitestgehend ratlose Journalisten – die Verantwortlichen bleiben trotz Öffnen der Türen an der Oberfläche, sie benennen keine konkreten Zahlen hinsichtlich der Menge eingehender Beschwerden und Löschzeiten von einzelnen Kommentaren. So fragt sich ein Journalist zum Ende des Besuches „War das der Anfang einer Unterhaltung oder nur ein Placebo?“